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Schock im Amateur-Fußball

Gewalt gegen Schiedsrichter: Das sagen Unparteiische aus Baden

Tatort Kreisliga C: Ein Schiedsrichter stellt einen Spieler in einer Amateur-Partie vom Platz, der schlägt den Unparteiischen brutal zu Boden. Auch im Fußball-Bezirk Baden-Baden sorgt diese neue Dimension der Gewalt gegen Unparteiische für Entsetzen.

Alarmstufe Rot: Die Stadt muss weiter sparen.
Alarmstufe Rot: Die Stadt muss weiter sparen. Foto: dpa
Es ist eine Szene, die die Fußballwelt schockt. Nach einem Platzverweis in der elften Liga schlägt der bestrafte Amateurspieler den Schiedsrichter brutal K.o. „Das ist eine neue Dimension der Gewalt“, sagt der Schiedsrichter-Chef des Fußball-Bezirks Baden-Baden, Bernhard Zerr.

Der langjährige Schiedsrichter in der Fußball-Bundesliga konnte, als er am Sonntag die Meldung über die brutale Attacke bekam, nur noch den Kopf schütteln. „Ich war geschockt“, so der 54-Jährige gegenüber unserer Redaktion. Tatort C-Klasse Dieburg in Hessen: Dort treten der FSV Münster und der TV Semd gegeneinander an. Semd ist Dritter, Münster belegt Platz elf.

Amateur-Kicker schlägt Schiedsrichter zu Boden

Außer um Fußball geht es, sollte man meinen, um nichts. Dann die besagter Eklat: Ein laut lokaler Medien 28-jähriger Kicker der Münsteraner wird mit Gelb-Rot vom Platz gestellt und schlägt dafür mit einem Schwinger Schiedsrichter Nils Czekala zu Boden. Ein Zuschauer hat den Gewaltakt gefilmt, das Video schaffte es bis ins heute-journal. Die Begegnung wird abgebrochen, ein Rettungshubschrauber bringt den verletzten Unparteiischen in eine Klinik.

Natürlich macht man sich Gedanken, wie so etwas zu verhindern ist.

„Natürlich macht man sich Gedanken, wie so etwas zu verhindern ist“, so Zerr, der vor allem alle Verantwortlichen in der Pflicht sieht. Die müssten vor allem eines vermitteln: Respekt. Gerade hatte der Bezirksschiedsrichter-Obmann ein Gespräch mit DFB-Vizepräsident Ronny Zimmermann, der mit seinem Projekt „Fair Play, Respekt und Toleranz im Fußball“ im Einzugsgebiet des nordbadischen Verbands ein Zeichen setzte.  Es ging unter anderem darum, ob nach so einer Gewalttat der nächste Spieltag abgesetzt werden sollte. Doch das sei keine Lösung, waren sich die beiden Funktionäre einig. „Was machen wir dann am Spieltag darauf“, fragt Zerr, „was passiert beim nächsten Vorfall?“

Boykott sehen viele Referees nicht als Lösung

In diese Richtung zielt auch Schiedsrichterin Sina Gieringer (SV Sinzheim). „Von einem Boykott halte ich nichts. Wir sollten den Dialog suchen und die Vereine mit ins Boot nehmen“, so die 23-Jährige. Der Berliner Fußball-Verband reagierte gerade mit harter Linie auf eine Streikankündigung der Unparteiischen und sagte von der Berlin-Liga abwärts rund 1.600 Begegnungen ab.

Problem ist nicht neu

Das Problem ist nicht neu, immer wieder sehen sich die Unparteiischen Beleidigungen, Bedrohungen und, wie nun in der Dieburger C-Klasse, physischer Gewalt ausgesetzt. Schon vorige Runde fand Heinz Schwab, Chef des Fußballbezirks Offenburg, im Stadionmagazin „Teamgeist“ (Ausgabe 99) des SV Appenweier klare Worte: „Beleidigungen und Angriffe gegen die Schiedsrichter sind ohne Diskussion inakzeptabel.“

Es scheint so, je niedriger die Spielklasse, desto extremer wird es: Zuletzt brachen die Referees im Bezirk Offenburg am zehnten Spieltag gleich zwei Partien ab – beide Male B-Klasse.

Auswüchse gegen Schiedsrichter auch in Fußball-Jugendligen

Im Falle der B4-Begegnung zwischen dem Zeller FV II und dem VfR Elgersweier II hatten die Zuschauer den Unparteiischen verbal angegangen. Was Schiri-Chef Zerr ebenfalls erschreckt: Die Auswüchse gegen die Schiedsrichter machen selbst vor den Jugendligen nicht halt. Wer einmal ein Spiel bei den Kleinsten (Bambini, F- oder E-Jugend) gesehen hat, kann angesichts der bierernsten Emotions-Ausbrüche mancher Eltern nur den Kopf schütteln. „Lasst die Kinder in Ruhe Fußball spielen und haltet die Eltern ein gutes Stück vom Feld entfernt“, schlägt Zerr vor. Was der oberste Bezirks-Referee als Folge der Ausfälle gegenüber den Schiedsrichtern immer deutlicher sieht: Die Anmeldezahlen bei den Unparteiischen-Lehrgängen nehmen von Jahr zu Jahr ab. Die, die dann wirklich diesen anspruchsvollen Job machen, nehmen heutzutage in der Anfangsphase bisweilen die Eltern als Geleitschutz mit.

Betrugsvorwürfe nach Elfmeter-Pfiff

Um nur einen der jüngsten Auswüchse zu verdeutlichen, verweist Zerr auf das Spitzenspiel zwischen dem Zweiten FV Iffezheim und dem Tabellenführer VFB Gaggenau in der Baden-Badener A Nord am 13. Oktober: Dort kam der FVI in der Nachspielzeit durch einen Strafstoß zum 1:1-Ausgleich, worauf sich der Schiedsrichter dem Vorwurf des Betrugs ausgesetzt sah. Zerr ist fassungslos, „man unterstellt dem Unparteiischen eine Straftat“. Dass der Elfmeter berechtigt war, konnte allerdings ein hochrangiger Fachmann bestätigen.

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Schiedrichter sehen Dialog als wichtig an

Gieringer sieht nicht nur den Dialog mit den Vereinen als wichtig an. Zudem müsse man gerade den Einsteigern Möglichkeiten für Gespräche geben. „Auf Lehrgängen wird das zum Beispiel aufgearbeitet.“ Gieringer berichtet, dass sie immer ein offenes Ohr für die Neulinge habe. Dass Fehler passieren sei klar, aber davor seien auch die Unparteiischen in den Profi-Ligen nicht gefeit. Körperlich sei sie noch nie angegangen worden, da sei die Hemmschwelle gegenüber einer Frau vielleicht höher. Blöde Sprüche muss sie sich immer wieder anhören. Der Klassiker, den die Schiedsrichterin auch schon hörte: Frauen sollten am Herd stehen und nicht auf dem Fußballplatz. Gieringer weiß damit umzugehen, für sie ist die Schiedsrichterei nach wie vor ein „supertolles Hobby“

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