Skip to main content

Seltenes Himmelsereignis

Meteorit „Renchen“ nicht nur für die Wissenschaft wertvoll

Über Renchen regnete es Meteorstücke. 400 Kilometer weit war das Bersten des Meteoriten zu sehen. Jetzt werden Forscher mithilfe der gefundenen Fragmente in die Vergangenheit unseres Sonnensystems schauen.

Ein schwarzer Stein liegt in vertrocknetem niedergetretenen Gras
Knapp ein Kilogramm wog das Bruchstück des Meteoriten, der bei Waghurst gefunden wurde. Foto: Sporn/Neuhofer

EN100718 kam auf ganz leisen Sohlen. Und doch hat er eine Menge Aufregung verursacht. Am 10. Juli 2018 trat der Meteorit in die Erdatmosphäre ein, zerbarst in 28 Kilometern Höhe in Bruchstücke und landete, jedenfalls das was von ihm übrig war, irgendwo bei Renchen.

Dass er auf diesem Weg von 70.000 auf bescheidene 280 Kilometer pro Stunde abgebremste wurde, sorgte für eine Himmelsereignis, das man nur alle paar Jahre über Deutschland zu sehen bekommt:

Der Meteorit, nach Schätzungen 4,5 Milliarden Jahre alt, ist Botschafter aus den Urzeiten des Universums. Er stammt aus einer Epoche, als Staub und kleine Steinchen sich gerade anschickten, in unserem Sonnensystem Planeten zu bilden.

Meteorit ist interessant für die Forschung

Das macht die Himmelskörper so interessant für die Forschung. Wenn man sie denn findet, was einer Gruppe emsiger Sammler rund um Renchen gelungen ist: Vier Bruchstücke lasen sie auf, vom fast kiloschweren Brocken auf einer Wiese bei Wagshurst bis zum bislang letzten Fragment, das am 30. September aus dem Hagelschutznetz einer Apfelplantage bei Renchen gepflückt wurde. Es wog bescheidene 4,8 Gramm.

Für die Wissenschaft sind die Funde hoch interessant, es sind Zeugen aus der Vergangenheit – das gilt besonders für jene Meteoriten, deren Herkunft man aufgrund eines in ganz Zentraleuropa verteilten Beobachtungsnetzes genau verfolgen kann.

Wenn man weiß, wo genau aus unserem Sonnensystem sie herkommen, dann erhöht das den wissenschaftlichen Wert enorm. „Wir wissen noch immer nicht so ganz genau, wie die Planeten entstanden sind“, sagt der Planetengeologe Ulrich Köhler vom deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin. Deshalb sei man auf solche Funde angewiesen.

Wo die Meteoriten herkommen und wo sie landen, das sagt den Forschern das „Feuerkugelnetzwerk“, das Beobachtungsstationen nicht nur des DLR miteinander koordiniert.

Das hat im vorliegenden Fall hervorragend geklappt, die 63 Kilometer lange Leuchtbahn des inzwischen (inoffiziell) nach seinem Fundort „Renchen“ getauften Meteoriten wurde von zwei digitalen Stationen in Tschechien bis etwa über das Stadtzentrum der Grimmelshausenstadt verfolgt.

Meteorit war 400 Kilometer weit zu sehen

Der fußballgroße Himmelskörper leuchtete so stark, dass man ihm aus mehr als 400 Kilometer noch sehen konnte. Die Renchener hingegen hatten weniger von dem einmaligen Himmelsschauspiel am 10. Juli kurz vor Mitternacht direkt über ihren Köpfen.

Der Himmel in Westeuropa war in dieser Zeit dicht bewölkt. Den Wissenschaftlern aber genügte es: Sie errechneten nicht nur die Flugbahn des Meteoriten, sondern auch das mögliche Streufeld seiner Trümmer, das sich von der Rheinebene aus bis in die Vorbergzone erstreckt.

Bruchstücke durchaus wertvoll

Hier kam Dieter Heinlein ins Spiel. Er ist Mitarbeiter des Instituts für Planetenforschung beim DLR und in der Szene bestens vernetzt. Das half. Denn in Deutschland gibt es rund ein Dutzend „Fans“ der Feuerkugeln, die kaum etwas unversucht lassen, um die nicht nur wissenschaftlich wertvollen Bruchstücke zu bergen.

Das ist sicher ab und an ein ordentliches Zubrot; solche Himmelskörper sind schon für sechsstellige Summen an Museen verkauft worden. Doch davor hat der Himmel eine Menge Schweiß gesetzt – und Ausdauer. Denn es gibt nur eine wirklich hilfereiche Methode, die Brocken zu entdecken: Zu Fuß und mit wachen Augen.

„Man findet sie mit Fleiß und Hartnäckigkeit, es gehört aber auch eine Portion Glück dazu“, sagt Heinlein. Manch einer investiere seinen gesamten Jahresurlaub in die Suche. Im Renchener Fall mit Erfolg: Vier Bruchstücke, überzogen mit einer schwarzen Schmelzkruste und damit als Meteoritenbruchstück zweifelsfrei ausgewiesen, konnten sie bergen, obwohl gerade in dieser Region die Suche nicht einfach ist. Denn oft „tarnen“ sich auch Schlackebrocken als Meteoritenfragmente.

Acht Tonnen Material sammelt die Erde täglich aus dem Weltall ein, sagt Ulrich Köhler, das meiste davon ist Staub, landet in den Weltmeeren oder verglüht in der Atmosphäre.

Dass es Brocken bis auf die Erde schaffen und dass sie danach auch gefunden werden, das ist eher die Ausnahme. Als vor zwei Jahren nacheinander schon einmal zwei in Bayern einschlugen und man auch dort Proben nehmen konnte, war das für die Wissenschaftler eine kleine Sensation. Und jetzt noch EN100718 in Renchen.

Entstanden vor Jahrmilliarden

„Das ist der Stoff, aus dem unser Sonnensystem gemacht ist“, schwärmt Heinlein. Dabei sehen die Meteoriten gar nicht so aufregend aus, auf den ersten Blick wie Granit vielleicht. Doch das täuscht: „Das ist schon deutlich anders als irdisches Gestein“, sagt Heinlein, es finden sich geschmolzene Kügelchen, teilweise vermischt mit Metallen.

Nicht sehr spektakulär für den Laien, aber für die Wissenschaftler, die die Stücke untersuchen dürfen bevor sie wieder an den Finder zurückgehen, ein großes Ding: „Das ist“, so schwärmt Heinlein, „die ursprünglichste Materie, die man in die Hand nehmen kann. Der erste feste Substanz in unserem Sonnensystem überhaupt“.

nach oben Zurück zum Seitenanfang