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Schlechte Arbeitsbedingungen

Rheinauer Pflegekräfte wollen wöchentlich demonstrieren

Das Personal des Seniorenzentrums Hanauerland macht seinem Ärger über die Situation in der Pflege Luft – und bekommt dabei Unterstützung von Heimleitung und Bewohnern.

Demonstration des Pflegepersonals der Rheinauer Senioreneinrichtung gegen die Missstände im deutschen Pflegealltag
Demonstration des Pflegepersonals der Rheinauer Senioreneinrichtung gegen die Missstände im deutschen Pflegealltag Foto: Karen Christeleit

Das Pflegepersonal des Rheinauer Seniorenzentrums Hanauerland hat am Montagmittag seinem Unmut Luft gemacht: „Die Pflege ist ein Pflegefall, es ist bereits fünf nach zwölf.“ Mit selbstgestalteten Plakaten forderte das Personal vor dem Eingang des von der AWO betriebenen Heimes bessere Arbeitsbedingungen.

„Jeden Tag sieht man die Probleme im Fernsehen, aber den Versprechungen für Verbesserungen folgen keine Taten“, bedauerte Initiatorin Anette Ell, die im Haus Betriebsrätin und stellvertretende Pflegedienstleiterin ist und einem Aufruf einer Gaggenauer Altenhilfe folgte.

Sie verwies auf die aktuelle Situation in der Pflege und den schon seit Jahrzehnten andauernden Pflegenotstand. In der Pandemie seien die Fehlentwicklungen und Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte im Gesundheitswesen schmerzlich sichtbar geworden. „Ständig wird am Pflegesystem herumgedoktert, doch statt Entbürokratisierung wird immer mehr Dokumentation gefordert.

Heimleitung unterstützt demonstrierende Pflegekräfte

Wenn zum Beispiel ein Arzt eine Transportbescheinigung zum Facharzt ausstellt, weil der Bewohner mit dem Krankenwagen oder Rollstuhltaxi dort hingebracht werden muss, müssen wir noch zusätzlich eine schriftliche Genehmigung von der Krankenkasse einholen“, erklärte Ell.

Das koste alles immens viel Zeit und die fehle letztlich in der Pflege. „Wir bekommen von der Heimleitung alles, was in deren Macht steht, aber die Personalbemessung passt einfach nicht immer“, bedauerte Ell, „doch die Krankenkassen wollen nicht mehr bezahlen und feilschen wie auf dem türkischen Basar.“

Die Krankenkassen wollen nicht mehr bezahlen und feilschen wie auf dem türkischen Basar
Anette Ell, Betriebsrätin

„Wir sehen die Not unseres sehr engagierten Personals auch“, betonte die stellvertretende Heimleiterin Jasmin Seibert, „vor rund zehn Jahren haben wir auch schon demonstriert, da waren die Forderungen auf den Schildern dieselben wie heute, es hat sich seitdem nichts verbessert.“ Unterstützt wurde die Aktion des Betriebsrats nicht nur von der Heimleitung, sondern auch von den rund 56 Bewohnern. Sie wollen die Aktion wöchentlich fortsetzen, bis sich etwas ändert.

Pflegekräfte beklagen schlechte Bezahlung und hohen Krankenstand

Bis in die 1970er Jahre war die Pflege in den Händen von Ordensfrauen, die ihre Arbeit für Gotteslohn verrichteten, heute sind es Pflegefachkräfte mit einer dreijährigen Ausbildung mit Staatsexamen. „Aber entsprechend entlohnt werden wir nicht, dabei ist es ein körperlich wie psychisch anstrengender Beruf“, so die Fachfrau, „dementsprechend hoch der Krankenstand, so dass trotz erfülltem Personalschüssel immer wieder Überstunden anfallen und das Personal auf zustehende freien Tage verzichten muss – eine ewige Abwärtsspirale.“

Durchschnittlich bleiben daher die Neuausgelernten – meist Frauen, im Rheinauer Seniorenheim sind von den 63 Angestellten nur sechs Männer – nur rund sieben Jahre in ihrem Beruf, dann suchen sie sich, am Ende ihrer Kräfte, einen anderen. Fehlgesteuert sei laut Ell auch die neue generalisierte Pflegeausbildung und nun noch obendrauf die Impfpflicht des Pflegepersonals: „Da fehlen uns ja dann noch mehr Kräfte.“

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