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Wieder mehr Bedarfsgemeinschaften

Offenburger Sozialdezernent sieht vor allem den guten Arbeitsmarkt als Grund für die „Wirtschaftsmigration“

Die Kommunale Arbeitsförderung im Ortenaukreis fürchtet teure „Parallelstrukturen“ bei der Betreuung von Langzeitarbeitslosen. Dabei hatte man sich erst erfolgreich gegen mehr Bürokratie gewehrt.

Ein Schild, das auf Deutschkurse hinweist
Integrationssprachkurse werden für ukrainische Flüchtlinge im Ortenaukreis angeboten. Das erhöht die Zahl der Empfänger von Transferleistungen, die sich, statistisch gesehen, in Arbeitsfördermaßnahmen befinden. Foto: Thomas Koehler/Photothek/imago images

Überall ist von Bürokratieabbau die Rede, doch die Kommunale Arbeitsförderung (KOA) im Ortenaukreis ist froh, gerade zusätzlichen bürokratischen Aufwand abgewehrt zu haben. Darüber berichteten der Sozialdezernent des Kreises, Heiko Faller, und die Leiterin der Kommunalen Arbeitsförderung, Silvia Kimpel, bei der Quartalspressekonferenz am Freitag im Landratsamt.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte geplant, Bürgergeldempfänger unter 25 Jahren nicht mehr von den Jobcentern, sondern von den Agenturen für Arbeit betreuen zu lassen. Allerdings nur, was die Arbeitsförderung betrifft. Die passiven Leistungen für diese Zielgruppe sollten weiterhin über die KOA abgewickelt werden.

Heiko Faller nannte als Ursache für diese Überlegung „rein fiskalische Gründe“. Kimpel befürchtet, dass es zu ähnlichen „Parallelstrukturen“ und hohem Abstimmungsbedarf führen könnte, wenn, wie derzeit geplant, „die Rehabilitation sowie die Förderung der beruflichen Weiterbildung für Bürgergeldempfänger in die Arbeitsagenturen verlagert“ werden sollte.

Die Zahl der Bedarfsgemeinschaften, die Unterstützung erhielten, ist im dritten Quartal geringfügig (0,75 Prozent) gestiegen. Vergleicht man die Zahlen mit jenen des Vorjahres, ergibt sich allerdings eine Steigerung um 4,1 Prozent. Unter den 12.113 erwerbsfähigen Leistungsberechtigten waren im September dieses Jahres 1.863 Personen aus nichteuropäischen Flüchtlingsländern (vor allem Syrien und Afghanistan) und 2312 ukrainische Geflüchtete.

Fachkräftemangel, aber auch Arbeitskräftebedarf im Ortenaukreis

Der Arbeitsmarkt sei immer noch gut, sagen Heiko Faller und Silvia Kimpel, es gebe nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern auch einen allgemeinen Arbeitskräftebedarf. Für die Integration sei die Kombination aus möglichst frühem Einstieg in Arbeit und begleitenden Sprachkursen hilfreich.

Auch Asylbewerber sollten schneller in Arbeit kommen können.
Heiko Faller
Sozialdezernent Ortenaukreis

„Auch Asylbewerber sollten schneller in Arbeit kommen können“, betonte Faller. Es fehlten allerdings Lehrkräfte für die Sprach- und Alphabetisierungskurse. Von den erwerbsfähigen Leistungsempfängern sind etwa 40 Prozent arbeitslos. Bei den unter 25-Jährigen sind es 15 Prozent. Für den Anstieg wird in beiden Fällen der Ukrainekrieg verantwortlich gemacht.

Kritik an fehlenden Zuwendungen

Dass für die von der Politik vorgegebenen gestiegenen „Qualifizierungs-, Aktivierungs- und Trainingsmaßnahmen“ keine zusätzlichen Mittel bereitgestellt werden, kritisierte Silvia Kimpel. Ebenso seien verstärkte Initiativen für die Zuwanderung von Fachkräften nötig, betonte Heiko Faller.

Um rund 34 Prozent ist innerhalb eines Jahres die Zahl jener Arbeitslosen gestiegen, die sich in Arbeitsfördermaßnahmen befinden. Grund dafür sei die Vermittlung ukrainischer Geflüchteter in Integrationssprachkurse. Um Firmen und Arbeitssuchende zusammenzubringen, plant die KOA am 10. November eine niederschwellige Jobbörse in Zusammenarbeit mit der Volkshochschule.

Kimpel und Faller bezeichneten die jetzige finanzielle Ausstattung der KOA als ausreichend, sehen aber mit Sorge geplanten Kürzungen 2025 entgegen. Da der Ortenaukreis überproportional viele Flüchtlinge aufgenommen hat und ihr Anteil an den Bedarfsgemeinschaften erheblich (um 11,3 Prozent) gestiegen ist, erhalte die KOA im kommenden Jahr 9,2 Prozent mehr Verwaltungsmittel.

Wie viel Geld kommt vom Bund?

Im Juli dieses Jahres hatte das Jobcenter etwa eine halbe Million Euro zusätzlich vom Bund bekommen, um die Mehrausgaben durch die Erhöhung der Tarifabschlüsse auszugleichen. Insgesamt steigen die Ausgaben der KOA. 2023 stehen 27,8 Millionen Euro zur Verfügung. Für den Ortenaukreis sind durch den Rechtskreiswechsel der Ukraine-Flüchtlinge die Unterkunftskosten um 2,6 Millionen Euro gestiegen.

Ein verstärkter Zuzug von ukrainischen Flüchtlingen aus anderen europäischen Ländern könne nicht festgestellt werden, sagte Heiko Faller. Die „Wirtschaftsmigration“ aus der Türkei steige jedoch an, wofür allerdings nicht unbedingt die Sozialsysteme, sondern insgesamt der gute Arbeitsmarkt und der hohe deutsche Lebensstandard ausschlaggebend seien.

Dass der Abstand zwischen Sozialleistungen und Arbeitsentgelt im Niedriglohnsektor gering ist, stimme zwar, aber das liege auch daran, dass die Regelbedarfe für das Bürgergeld den Preissteigerungen angepasst wurden, der Mindestlohn jedoch nicht im gleichen Maß gestiegen sei.

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