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Deutscher steht im Achtelfinale

Die Darts-WM lässt den Gruppenchat von Fans aus Rastatt explodieren

Der Deutsche Gabriel Clemens hat bei der Darts-WM für Furore gesorgt. Auch in Mittelbaden fiebern die Fans mit. Die Mannschaften der Region erleben seit Jahren einen großen Zulauf. Es kommt vor allem auf mentale Stärke an. Jörg Klein vom Rastatter SC/DJK sagt: „Darts findet im Kopf statt.“ Alkohol sei da eher hinderlich.

Eine Dart-Mannschaft
Auf Erfolgskurs: Die Dart-Spieler des Rastatter SC/DJK in ihrer Trainingsstätte im Vereinsheim. Die Abteilung ist in zwei Jahren von vier auf 22 Aktive gewachsen. Foto: Jörg Klein

Bei Jörg Klein läuft der Fernseher derzeit in Dauerschleife. Der 50-Jährige fiebert bei der Darts-WM mit. Normalerweise würde er mit seinen Mannschaftskollegen vor dem Bildschirm sitzen. Vor zwei Jahren gründete Klein die Darts-Abteilung des Rastatter SC/DJK mit. Doch wegen Corona schaut jeder für sich allein, verbunden durch die gemeinsame WhatsApp-Gruppe. Die explodierte am Sonntagabend förmlich, als dem deutschen Spieler Gabriel Clemens eine Sensation gelang. Klein hofft auf einen weiteren Schub für seinen Lieblingssport.

Als Clemens am Wochenende Titelverteidiger Peter Wright aus dem Turnier schmiss und als erster Deutscher überhaupt ins Achtelfinale der WM einzog, jubelte Klein auf der Couch. Mit seiner Freude blieb er nicht allein: „Bei jedem guten Wurf ist der Gruppenchat fast durchgedreht.“

Niveau der Weltspitze fasziniert Kreisligaspieler

Klein kann gut beurteilen, welche Leistung hinter den Meisterwürfen steckt. Ihm selbst ist in diesem Jahr mehrmals das Kunststück gelungen, 180 Punkte zu treffen. Dafür muss ein Spieler alle drei Pfeile in der Triple-20 versenken, einem nur acht Millimeter breiten Feld. Klein hat Buch geführt, wie oft er das 2020 geschafft hat, sowohl im Training als auch in Wettkämpfen: insgesamt 22 Mal. Zum Vergleich: Der schottische Profi Gary Anderson kam einmal auf die gleiche Anzahl - in einem einzigen Spiel.

Dieses Niveau der Weltspitze fasziniert auch Joachim Pflüger, Darts-Spartenleiter der SG Stern bei Daimler in Gaggenau. Auch er ist im Weltmeisterschafts-Fieber. „Das ist wie bei einem Fußballspieler, der vor der WM sitzt“, sagt er. Die Gruppe besteht seit zehn Jahren. Mit neun Spielern fing alles an, mittlerweile sind es 22. In den vergangenen Jahren verfolgten sie das Turnier auch mal auf Leinwand in ihrer Trainingsstätte, dem Schützenhaus in Haueneberstein. Diesmal verlegen auch sie sich auf den Gruppenchat.

Zitat

„Es ist ein unheimlich toller Sport, bei dem jeder zeigen kann, was er drauf hat“, sagt Pflüger. Konzentration sei das A und O. Deshalb zeigten die Spieler trotz enormer Anspannung auch vergleichsweise wenig Emotionen auf der Bühne. Er selbst hat seine Wurzeln im Schießsport, wo Ähnliches gelte: „Emotionen sind eher hinderlich. Wenn man mal ins Schwarze getroffen hat und zu sehr jubelt, geht der nächste Schuss daneben.“ Auch Klein sagt: „Darts findet im Kopf statt.“

Gabriel Clemens (l) hat das erste deutsche Duell in der Geschichte der Darts-WM gegen Nico Kurz (r) mit 3:1 für sich entscheiden können.
Gabriel Clemens (links) hat bei der Weltmeisterschaft für Furore gesorgt. In der zweiten Runde besiegte er im deutsch-deutschen Duell Nico Kurz (rechts). Anschließend kegelte er Titelverteidiger Peter Wright raus. Foto: Adam Davy/PA Wire/dpa

Während sich die Spieler in der Regel im Griff haben, rasten die Fans regelmäßig aus. In diesem Jahr sind keine Zuschauer im Alexandra Palace in London zugelassen, in normalen Zeiten gleicht die Darts-WM aber einer Mischung aus Volksfest und Fastnacht. Viele Fans tragen Kostüm, sie jubeln, singen und trinken. Frank Lorenz aus Bühl-Vimbuch war vor zehn Jahren erstmals im „Ally Pally“. Mittlerweile kommt er auf fünf WM-Besuche. „Die Stimmung dort ist einfach nur genial. Alle Spieler werden gefeiert, egal welche Nationalität. Gänsehautfeeling. Und wenn es das Spiel nicht hergibt, dann feiern sich die Fans einfach selber“, sagt er.

Lorenz freut sich sehr, welche Entwicklung Darts in Deutschland genommen hat. Als er erstmals nach London flog, sei er noch belächelt worden - „und nun feiert man in Deutschland den Dartsspieler Gabriel Clemens. Wahnsinn!“

Vereine gewinnen jedes Jahr neue Mitglieder hinzu

Die Weltmeisterschaft rückt den Sport schon seit einigen Jahren in den Fokus einer breiteren Öffentlichkeit. Das merken auch die Vereine in der Region. „Zu uns kommen danach jedes Jahr neue Spieler“, sagt Pflüger. Und auch Klein berichtet von einem anhaltenden Wachstum. Begonnen haben die Rastatter Spieler vor zwei Jahren zu viert, inzwischen zählt die Abteilung mehr als 20 Aktive.

Die SG Stern hat mittlerweile drei Mannschaft gemeldet, eine in der Bezirks- und zwei in der Kreisliga. Auch der Rastatter SC/DJK tritt mit zwei Teams in der Kreisliga an. Die Spieler bestreiten ihre Wettkämpfe nach demselben Grundprinzip wie ihre Vorbilder. Sie versuchen, so schnell wie möglich exakt 501 Punkte zu erreichen, wobei der letzte Wurf zum Sieg immer in einem der kleinen Doppel-Felder landen muss. Ein Kreisligaspieler wie Klein benötigt dafür in der Regel ungefähr 30 Pfeile. Die Profis schaffen es oft mit weniger als der Hälfte. Ganz selten gelingt auch mal ein sogenannter Neun-Darter, das perfekte Spiel, bei dem jeder Pfeil optimal sitzt.

Corona bremst Ligabetrieb aus

Auch Corona konnte den Boom bislang nicht abwürgen. Doch die Pandemie hat große Auswirkungen auf den Sport. Die Wettkämpfe finden in der Regel in Kneipen statt. Als das öffentliche Leben im Frühjahr zum ersten Mal stillstand, brach der Badische Verband den Ligabetrieb ab. Im Herbst ging es wieder los. „Wir hatten aber nur drei Spiele. Seitdem pausieren wir wieder“, sagt Klein. Auch der Trainingsbetrieb ruht.

So müssen sich die Aktiven in den eigenen vier Wänden fit halten. Im Gegensatz zu anderen Sportarten ist wenigstens das möglich. Eine Dartscheibe haben alle Spieler zuhause hängen. Und im Hintergrund kann der Fernseher in Dauerschleife laufen.

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