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Ende einer Ära

Eine letzte Tour: Radsportfreunde Rastatt stehen vor 50. Fernfahrt

Vom Schnessturm in Norwegen bis zur Audienz im Vatikan: Über die Erlebnisse „könnte man ein Buch schreiben“, sagt Organisator Peter Fritz. Es ist die letzte große Tour, die er plant, danach gibt er sein Amt ab.

Die Radsportfreunde Rastatt bei ihrer ersten Tour 1976 in der Partnerstadt Orange. Links: Initiator Peter Fritz. Für ihn wird die nun anstehende 50. Tour die letzte große als Organisator sein.
Die Radsportfreunde Rastatt bei ihrer ersten Tour 1976 in der Partnerstadt Orange. Links: Initiator Peter Fritz. Für ihn wird die nun anstehende 50. Tour die letzte große als Organisator sein. Foto: Archiv Radsportfreunde Rastatt

Ihre erste Fernfahrt führte die Radsportfreunde Rastatt einst in die Partnerstadt Orange. Das war 1976. Jetzt, 46 Jahre später, steht ihre 50. große Tour an. Jubiläum und Ende einer Ära zugleich: Die Fahrt ist die letzte, die Organisator und Ideengeber Peter Fritz geplant hat. In zehn Tagen geht es in elf Etappen rund 725 Kilometer bis nach Hamburg. Was Fritz und seine Mitstreiter in bislang 49 Fahrten erlebt haben – „darüber könnte man ein Buch schreiben“, sagt der inzwischen 80-Jährige.

Ein Schneesturm im Juli in Norwegen, eine Massenaudienz im Vatikan oder eine Lichterprozession in Lourdes zählen zu den unvergessenen Tour-Momenten, ebenso die französische „Route des Grandes Alpes“ mit allein 17.000 Höhenmetern – aber auch der schwere Sturz eines Mitfahrers im Jahr 2017 bei der 49. großen Tour in den Abruzzen (Italien).

Tagelang bangten die Radsportfreunde um dessen Leben. Es geht ihm wieder gut, sagt Fritz – „und er fährt wieder Rad“. Dennoch hatte ihn als Organisator das Drama so mitgenommen, dass er zunächst offenließ, ob es überhaupt, wie immer geplant war, noch eine 50. Fernfahrt geben werde.

Letzte Tour bleibt in Deutschland

Nun gibt es sie – nach langer Pause, die auch, aber nicht nur, der Corona-Pandemie geschuldet ist. Zu gerne hätte Fritz den Kreis geschlossen und die Partnerstadt Orange, wo alles begann, und Fano wieder mit ins Boot geholt. Acht- beziehungsweise viermal hatten Radsportfreunde-Touren im Lauf der Zeit dorthin geführt.

Fritz’ Idee: Zum Abschluss zusammen mit den Freunden vom Triumphbogen in Orange zum Triumphbogen in Fano fahren – doch zweimal kamen vom Cyclo Club aus der französischen Partnerstadt Absagen. Nach 44 Fernfahrten in insgesamt 15 europäischen Ländern bleiben die Rastatter nun stattdessen also in Deutschland, wo man bislang nur fünfmal auf großer Fahrt war. Warum eigentlich?

Wegen der Erlebnisse, die man bei einer Tour de Ländle 1983 machte, sagt Fritz. Der deutsche Autofahrer habe sich als „brutaler Hund“ entpuppt, der auf sein Recht pochte, während man in Frankreich oder Italien die Radler gerne auch mal freundlich durchließ. 2009 dann die Versöhnung mit Deutschland, als man anlässlich des 60. Geburtstags der Bundesrepublik doch nochmals hierzulande auf Tour ging, im Süden war das, und prompt den Osten und Westen samt Norden folgen ließ.

„Es hat sich etwas gewandelt“, stellt Fitz fest und meint damit nicht nur, dass die Räder leichter geworden sind und im Gegensatz zu früher die Köpfe mit Helmen geschützt werden: Es gebe viel mehr Radwege, und man werde inzwischen auch in Deutschland als Partner im Straßenverkehr geachtet.

Ich will, wenn ich unterwegs bin, nicht nur das asphaltgraue Straßenband sehen.
Peter Fritz, Organisator

Nun geht es vom 7. bis zum 17. Juli auf eine „Vier-Flüsse-Tour“ entlang von Rhein, Lahn, Eder und Weser, doch wie immer hat Fritz auch Kultur ins Programm genommen – ein Markenzeichen der Radsport-Fahrten. „Ich will, wenn ich unterwegs bin, nicht nur das asphaltgraue Straßenband sehen“, hatte er einst erklärt. Das gilt.

Die beeindruckenden Dom-Gebäude in Speyer und Worms etwa will man ebensowenig links liegen lassen wie die Documenta-Stadt Kassel, das Münchhausen-Museum Bodenwerder, die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln (mit abendlicher Stadtführung), die „Willkomm Höft“ in Wedel, wenn es Richtung Nordsee geht, oder die Elbphilharmonie in Hamburg.

E-Bikes kamen für sie nicht in Frage

Was für Peter Fritz ganz wichtig ist: Die Tour erinnert auch an Sportfreund Werner Schwarzmüller, der mit 32 Touren als Radfahrer Rekordhalter der Rastatter Truppe war und 2019 gestorben ist – „wir besuchen sein Grab in Siegen“.

Am Ende dieser Fahrt werden es die Radsportfreunde auf insgesamt knapp 36.600 Kilometer in 50 Ferntouren gebracht haben – und auf 322.130 Höhenmeter. Die Altersspanne der Teilnehmer liegt diesmal bei 60 bis 78 Jahren. „Wir sind alle älter geworden“, stellt Fritz fest. Dabei wird nach wie vor mit reiner Muskelkraft gefahren. E-Bikes kamen ihnen bislang nicht unter den Sattel.

Radsportfreunde sollen auch weiter bestehen

Peter Fritz, der frühere Wintersdorfer Ortsvorsteher, ist der einzige, der bei allen Fernfahrten dabei war, bis 2006 als Radler, seither im Begleiterteam, allesamt hat er sie organisiert. Auch wenn es dafür (noch?) keinen Nachfolger gibt: Weiterleben soll der Zusammenschluss aus Radsportbegeisterten dennoch.

Adrian Zeller, der seit 1993 dabei ist und elf Touren mitfuhr, will auch künftig weiterhin die wöchentlichen Mittwochausfahrten sowie eine jährliche Wochenendtour nach Oberrimsingen leiten. Auch er hat seine besondere Geschichte mit den Radsportfreunden: Als Teilnehmer war Zeller in Italien einst so gestürzt, dass er in Pesaro ins Krankenhaus musste – 14 Tage vor seiner Hochzeit. Happy End: Er kam rechtzeitig heim – nur seine rechte Schreibhand konnte er bei der Unterschrift auf dem Standesamt nicht nutzen.

Service

Bei der Tour vom 7. bis 17. Juli – Start ist an der Festhalle Wintersdorf, Ziel ist Hamburg, zurück geht es mit der Bahn – ist wegen berufsbedingter Absagen noch Platz für „ein oder zwei“ Mitfahrer. Kontakt: Peter Fritz, Telefon (0 72 29) 21 07, E-Mail: bpfritz@t-online.de.

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