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Trauer um „deutschen Papst“

Erste Reaktionen aus Karlsruhe und der Region zum Tod von Benedikt XVI.

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist gestorben. Der gebürtige Bayer wurde 95 Jahre alt. Sein Tod hat auch in der Region zu ersten Reaktionen geführt.

Kirche St. Stephan in Karlsruhe.
Kirchen tragen Trauer: Vor St. Stephan in Karlsruhe zeugt ein schwarzes Trauerband vom Tode Papst Benedikt XVI. Im Inneren des Gotteshauses liegt ein Kondolenzbuch aus. Foto: Jörg Donecker

Joseph Ratzinger war am 19. April 2005 als Nachfolger von Johannes Paul II. zum Papst gewählt worden. Knapp acht Jahre später trat er in einem spektakulären Schritt als erster Papst seit mehr als 700 Jahren freiwillig zurück. Auf ihn folgte der Argentinier Jorge Bergoglio als Papst Franziskus. Benedikt lebte seitdem zurückgezogen im Kloster Mater Ecclesiae in den Vatikanischen Gärten.

Benedikt war der erste deutsche Papst seit etwa 480 Jahren. In seinem Pontifikat führte er den konservativen Kurs seines Vorgängers fort. Er stemmte sich gegen eine Modernisierung der Kirche, was ihm viel Kritik einbrachte. Seine Amtszeit wurde aber vor allem von dem Missbrauchsskandal überschattet, der die katholische Kirche in eine tiefe Krise stürzte. Sein Tod hat auch in der Region zu ersten Reaktionen geführt.

Dekan Streckert erinnert am brillanten Gelehrten

Hubert Streckert, katholischer Dekan in Karlsruhe, erinnert sich an die Weihe von Joseph Aloisius Ratzinger im April 2005: „Es war ein historisches Ereignis für die Kirche in Deutschland. Seine Ernennung zum Papst hat Rom und den Vatikan ein großes Stück näher an die katholische Kirche hier im Land gebracht.“ Streckert würdigt die Rolle von Benedikt XVI. als Theologe auf dem Heiligen Stuhl. „Er war ein brillanter Gelehrter seines Faches“, betont der Dekan.

Die Hinwendung des Kirchenoberhaupts zu einem mehr theologisch geprägtem Bild des Glaubens und der Kirche habe in den Anfangstagen des Pontifikats zu einem Aufbruch in der Glaubensgemeinschaft geführt. „Viele junge Menschen haben sich nach seiner Ernennung dem Studium der Theologie zugewandt – der Impuls dazu ging von Benedikt XVI. aus.“ Gleichermaßen habe man sich in der deutschen Kirche auch Hoffnungen gemacht, das neue Kirchenoberhaupt werde dem ökumenischen Gedanken zu mehr Gewicht verhelfen. Auf neue Ansätze in dieser Richtung habe man dann jedoch vergeblich gewartet.

Dass Benedikt XVI. Ende Februar 2013 auf sein Amt verzichtete und damit erst der zweite Papst wurde, der aus eigener Entscheidung zurücktrat, bewertet Streckert als großen, wichtigen Schritt. „Ich denke, es war sehr mutig von ihm. Gleichzeitig drückte es auch seinen großen Respekt vor dem Amt selber aus.“

Er unterscheide sich damit von seinem Vorgänger, Papst Johannes Paul II., der sich bewusst zum Ende seines Pontifikats als gebrechlicher Mensch in der Öffentlichkeit zeigte. „Benedikt XVI. war ein Übergangspapst, der die deutsche Kirche näher an den Vatikan geführt hat.“

Evangelischer Dekan Schalla: Abgrenzung vorangetrieben

Der evangelische Dekan Thomas Schalla spricht den katholischen Christen in der Region und darüber hinaus sein Beileid zum Verlust aus. „Mit Benedikt XVI. haben die Katholiken einen wichtige und prägende Figur verloren. Er war ein großer Theologe, der sich als Lehrer in der Kirche gesehen hat.“

In seiner Auslegung der christlichen Lehre habe sich der Papst als konsequenter Vertreter theologischer Perspektiven gezeigt. Damit habe Benedikt ein Vorbild gegeben, auch in der evangelischen Kirche eine Diskussion zur Auslegung christlicher Glaubensgrundsätze anzustoßen.

Einen Beitrag zur Stärkung der Ökumene habe der deutsche Papst jedoch nicht geliefert. „Unter seinem Pontifikat hat er die Abgrenzung der katholischen Kirche vorangetrieben, sie als einzig wahre Form des christlichen Glaubens bewertet.“ Den Absolutheitsanspruch in Rom habe Benedikt XVI. gestärkt.

Dekan Stoffers: Prägender Einfluss auf katholische Kirche

Ulrich Stoffers, Dekan des Dekanats Rastatt, äußert sich wie folgt: „Zweifellos hatte Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. prägenden Einfluss auf die Entwicklung der katholischen Kirche vom 2. Vatikanischen Konzil in den Sechzigerjahren bis zu seinem spektakulären Rücktritt 2013, mit dem er Geschichte schrieb. Er besaß die unter Gelehrten seltene Fähigkeit, auch komplexe Glaubensinhalte in gediegene Sprache zu fassen.

Auf ganz eigene Weise verband er hohe Gelehrsamkeit mit tiefer Verwurzelung in der Volksfrömmigkeit aus Kindertagen. Seine intellektuelle Brillanz hat über Generationen hinweg Theologen inspiriert, seine authentische Spiritualität Menschen im Glauben gestärkt. Zugleich steht er als Person geradezu exemplarisch für eine Weltkirche, die aus Angst vor Verrat an ihrer Gott gegebenen Lehre und ehrwürdigen Tradition wie erstarrt auf den Pluralismus der modernen Welt blickt.

Mutige Schritte in der Ökumene oder die Bereitschaft, innerkirchliche Vielfalt zuzulassen, waren seine Sache nicht. Als Papst irritierte er nicht wenige durch die Rückkehr zu teilweise vorkonziliarem Habitus. Sein erfolgloser Versuch, mit Gesten guten Willens traditionalistischen Kreisen die Hand auszustrecken, erscheint im Nachhinein als fataler Fehler.

Dekan Glocker: Respekt für den Rückzug im Jahr 2013

Mit einer sehr differenzierten Beurteilung über Papst Benedikt wartet Lukas Glocker, der Leiter des Dekanats Bruchsal, auf. Er hat in den 13 Kirchengemeinden des Dekanats die Totenglocke für den verstorbenen Pontifex läuten lassen. In den Gottesdiensten am Wochenende werde sein Bild aufgestellt, eine Kerze entzündet und auch seiner im Gebet gedacht.

„Als Studenten haben wir den Dogmatikprofessor Josef Ratzinger sehr gerne gehört, weil er komplexe Zusammenhänge in einer einfachen, verständlichen Sprache zusammenfassen konnte“, berichtet Glocker. Und das alles mit einer weite und Tiefe und Klarheit, das habe ihn sehr fasziniert. Diese Klarheit habe er dann als Chef der Glaubenskongregation gut weitergeführt. Da habe er sich wohl wie früher die Dominikaner als „Hund des Papstes“ gefühlt. „Er brachte klare Linien, aber manchmal wirkte das auf mich auch ein wenig kalt“, räumt der Seelsorger ein. Den Schatz des Glaubens habe Ratzinger akribisch verteidigt, die Neugierde auf Innovation und der Blick auf eine sich verändernde Welt habe er dagegen eher im Rückzug gesucht.

Als Papst habe Benedikt dann einen Rollenwechsel vollzogen: vom Hüter des Glaubens zum Vater der Kirche. Doch diese Rolle habe er nicht so ganz in diesem väterlichen Sinne ausfüllen können, wie viele es sich gewünscht hätten. Denn Benedikt sei doch ein Papst des alten Schlages gewesen, die alten Riten, die alten Traditionen habe er wieder hervorgeholt. „Die Konfrontation mit der Welt, die er als Theologieprofessor klasse angenommen hatte, hat er dann aber eher im Rückzug wahrgenommen und die alten Sicherheiten hervorgeholt. Obwohl er ein brillanter Denker war, sei er nicht neugierig in den Dialog mit der Welt gegangen, sondern habe sich eher auf alte Wahrheiten zurückgezogen.

„Als Papst war er konservativ im positiven Sinne des Wortes“, meint Glocker und hatte dabei immer die ganze Weltkirche in ihrer großen Vielfalt im Blick. „Als er in Deutschland war, hätte ich mir schon gewünscht, dass er positivere Signale im Blick auf die Ökumene sendet, um das Miteinander voranzubringen, doch dazu konnte er sich leider nicht durchringen“, bedauert der Dekan.

Im Hintergrund habe er dann aber doch viele Grundlagen dafür geschaffen, dass die Ökumene weitergehen kann.

Dass Benedikt 2013 als Papst zurückgetreten war, weil er gemerkt habe, dass seine Kräfte für das Amt nicht mehr reichen, dafür zollt Glocker ihm einen Riesenrespekt. Das gleiche gelte aber auch für Papst Johannes Paul II, der gleichsam öffentlich gestorben sei.

Evangelischer Pfarrer aus Bretten über Rückschritte in der Ökumene enttäuscht

Dietrich Becker-Hinrichs, Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde Bretten, würdigt Papst Benedikt als guten Theologen. „Als Schüler haben wir im Religionsunterricht die Einführung ins Christentum von Josef Ratzingen gelesen“, erzählt der Stadtpfarrer. Das sei damals wichtig für ihn gewesen. Als Papst habe Benedik ihn dann aber enttäuscht, weil er die Ökumene nicht einen Schritt nach vorne gebracht habe. Im Gegenteil: Er habe sogar nach der Jahrtausendwende noch einmal betont, dass die evangelische Kirche keine richtigen Kirchen sind, sondern nur Glaubensgemeinschaften.

„Damit hatte er die Tür zur Ökumene noch einmal deutlich verriegelt, und seitdem hat sich ja nichts mehr bewegt – auch unter dem neuen Papst nicht“, so Becker-Hinrichs. Den Anspruch, dass die Katholische Kirche die einzig wahre Kirche sei, habe er noch einmal zementiert. Als mutig und richtig bewertet der evangelische Pfarrer allerdings den Schritt Benedikts, als Papst zurückzutreten und den Weg freizumachen für einen Nachfolger, der mehr Kräfte hat.

Katholischer Pfarrer aus Bretten erinnert an Verdienste als Theologe und Wissenschaftler

„Es ist natürlich traurig, wenn ein Mensch stirbt, aber nach so einem langen, angefüllten und reichen Leben darf man auch gehen“, erklärt Pfarrer Harald-Mathias Maiba von der katholischen Kirchengemeinde Bretten. Er sei ja bis zuletzt immer noch geistig rege gewesen und habe zuletzt auch noch Gottesdienst gefeiert. Schön, wenn man so Abschied nehmen könne. „An Benedikt habe ich immer seine Klarheit und seine Liebe zur Heimat und den Menschen geschätzt“, sagt Maiba. Als Theologe und Wissenschaftler habe sich Josef Ratzinger große Verdienste erworben. „Ich hätte ihn mir aber mehr als Seelsorger gewünscht“, räumt der Stadtpfarrer ein. In lebendiger Erinnerung hat er noch den Auftritt des Papstes beim Weltjugendtag in Spanien, wo Benedikt noch mitten im Gewitter bei den jungen Leuten geblieben sei und gezeigt habe, ich bin da.

Erzbischof Stephan Burger betont große Dankbarkeit

Der Erzbischof Stephan Burger vom Erzbischöflichen Ordinariat in Freiburg schriebt in einer ersten Stellungnahme: „Wir trauern um Papst emeritus Benedikt XVI. und erinnern uns in dieser Stunde der Trauer mit großer Dankbarkeit an das Wirken des „deutschen“ Papstes. Sein Pontifikat war für mich geprägt durch die beiden Seiten, die Benedikt XVI. stets zeigte: Die geistige Brillanz und fordernde Klarheit des Theologieprofessors sowie die Warmherzigkeit und fromme Tiefe eines geistlichen Ratgebers und Begleiters.

Wir in Freiburg erinnern uns besonders an seinen Besuch bei uns im September 2011. In seiner viel beachteten und durchaus auch kontrovers diskutierten Rede im Freiburger Konzerthaus hat Benedikt XVI. uns, gerade die Kirche in Deutschland, gemahnt, stets von neuem um die richtige Balance zu ringen: Als Kirche in der Welt und Teil dieser Welt zu sein und zugleich in reflektierter Zeitgenossenschaft entschieden und klar Zeugnis zu geben.

Ereignisse im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen nicht ausblenden

Bei aller Trauer dürfen wir die schmerzlichen Ereignisse im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen und -tätern nicht ausblenden, die Joseph Ratzinger als Erzbischof von München und Freising betreffen. Auch dürfen wir uns daran erinnern, dass er als Präfekt der Glaubenskongregation und als Papst klare Maßstäbe in der Aufarbeitung gesetzt hat.“

Evangelische Landesbischöfin Heike Springhart drückt Beileid aus

Auch die evangelische Landesbischöfin Heike Springhart äußert sich: „Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, war zeit seines Lebens ein scharfsinniger Theologe und hat vielen Menschen der weltweiten Christenheit Orientierung gegeben. Zu diesem Scharfsinn gehörte auch die Erkenntnis, dass die Kräfte für das verantwortungsvolle Amt nicht mehr ausreichen. Sein Rückzug hat gezeigt, dass auch das Amt des Papstes nicht über das Menschenmögliche hinausgeht.“

Die Frage nach der Einheit der Kirche habe sein Leben als Theologe und als Geistlicher geprägt. „Für uns in Baden ist die jahrzehntelange enge ökumenische Verbundenheit tragend und prägend. Aus dieser Verbundenheit heraus spreche ich Erzbischof Burger und unseren katholischen Geschwistern unser Beileid aus. In dieser Verbundenheit teilen wir auch den Schmerz der Frauen und Männer in der katholischen Kirche über das, was im Pontifikat Benedikts offen geblieben ist“, so die Landesbischöfin.

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