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Tipps für Nachahmer

Pendeln mit dem Fahrrad: Redakteur in Rastatt fährt jeden Tag 46 Kilometer

Das Fahrrad ist perfekt zum Pendeln. Unser Redakteur Holger Siebnich fährt jeden Tag 46 Kilometer. Aus seiner Sicht ist das gut für Körper, Geist und Geldbeutel. Er gibt Tipps, wie die tägliche Tour gelingen kann.

BT-Redakteur Holger Siebnich steht mit seinem Fahrrad vor der Redaktion in Rastatt.
Holger Siebnich arbeitet in unserer Redaktion am Martkplatz in Rastatt. Mit seinem Gravelbike fährt er jeden Tag 23 Kilometer von Bühl aus dorthin – und wieder zurück. Foto: Hans-Jürgen Collet

Viele Menschen fahren mit dem Rad zur Arbeit. Andere würden es gerne machen, aber haben Bedenken wegen Schweiß, Regen und Zeit. Ich radel täglich von Bühl nach Rastatt und zurück. Und auch wenn ich oft schwitze, mal nass werde und länger brauche als mit dem Auto: Es lohnt sich. Für das Radelglück gibt es aber ein paar Voraussetzungen.

Mein Kilometerzähler am Fahrrad steht in diesem Jahr bei knapp 5.000. Den größten Teil habe ich auf dem Arbeitsweg zurückgelegt. Von meinem Zuhause im Dorf Balzhofen bis in die Redaktion am Marktplatz in Rastatt und zurück sind es 46 Kilometer. Oft reagieren Menschen verblüfft, wenn sie davon hören. Aber ich bin kein Supersportler. Ich fahre einfach gerne Rad. Und ich habe Routine.

Das Zauberwort heißt: Routine

Ich bin schon immer viel geradelt. Als Schüler von Kuppenheim zum Tulla nach Rastatt. Als Student quer durch Karlsruhe. Und nun als Angestellter zum Arbeitsplatz. Je nach Wind und Wetter sitze ich jeden Tag in Summe zwischen anderthalb und zwei Stunden im Sattel.

Das klappt, weil ich es nicht hinterfrage. Würde ich jeden Tag nach dem Weckerklingeln aufs Neue mit mir ringen, ob ich mich aufs Rad schwingen soll, fiele die Entscheidung sicher auch mal negativ aus. Aber ich habe mir die Radtour so zur Gewohnheit gemacht, dass sie nicht zur Disposition steht. Ich habe keine Wahl, weil ich mir keine Wahl lasse. Ich steige aufs Rad, wie andere Leute morgens ins Auto. Die Routine hat den inneren Schweinehund so eingelullt, dass er nicht einmal mehr zuckt.

Auch Regen oder Kälte wecken ihn nicht. Oma hatte recht: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung. Das gilt auf dem Rad ganz besonders. Wer das ganze Jahr über radelt, braucht viele verschiedene Klamotten. Im Schrank liegen kurze Hosen auf langen Hosen, auf Trikots, Windbreaker, Regen- und Softshelljacke. Das Zeug lässt sich in verschiedenen Schichten zu unendlichen Zwiebel-Variationen kombinieren. In Summe decken sie vom Hitze-Tag bis zum Schneesturm alles ab.

Das macht aber auch deutlich: Das Material muss stimmen. Das gilt natürlich auch fürs Fahrrad. Wer sich mit einem schwergängigen alten Bock zur Arbeit quält, verliert schnell die Freude. Eine quietschende Kette bremst alle guten Vorsätze aus. Aber wenn sich ein gut geölter Antrieb in reinen Vortrieb verwandelt und die Reifen über den Asphalt schnurren, ist das der Resonanzboden für neue Pendler-Routinen.

Im Vergleich zum Auto ist der Unterhalt spottbillig

Ich selbst fahre ein Gravelbike, eine Art robustes Rennrad. Bio, also ohne Motor. Muss man heute ja dazusagen. Licht und Schutzbleche geben Abzug beim Coolness-Faktor. Aber die Vollausstattung ist unverzichtbar, um auch bei Schmuddelwetter einigermaßen sauber und vor allem lebend das Ziel zu erreichen. Am Gepäckträger hängen zwei Taschen mit Laptop und Wechsel-Klamotten fürs Büro.

Eine Kette kann an meinem Rad nicht quietschen. Es hat einen Riemenantrieb. Herzstück ist eine hochwertige Nabenschaltung. Der Vorteil dieses Systems: Es ist immer perfekt eingestellt und kann nicht rosten. Klar, günstig war dieses Rundum-Sorglospaket auf zwei Carbon-Laufrädern nicht. Aber es ist mein Hauptverkehrsmittel. Und im Vergleich zum Auto sind Unterhalt und Wartung spottbillig. Die Nabe braucht einmal im Jahr für 20 Euro einen Ölwechsel. Der abendliche Pasta-Teller ist mein Sprit.

Ich kann ohne Reue essen wie ein Scheunendrescher.
Holger Siebnich
Fahrrad-Pendler

Ich profitiere natürlich nicht nur finanziell, sondern auch gesundheitlich. Krank bin ich so gut wie nie. Die tägliche Radtour scheint nicht nur meine Kondition, sondern auch mein Immunsystem zu stärken. Es braucht niemand Angst zu haben, sich auf dem Rad zu erkälten. Das Gegenteil ist der Fall.

Für Genussliebhaber mag ein weiterer Aspekt reizvoll sein: Ich kann ohne Reue essen wie ein Scheunendrescher. Auf den 46 Kilometern verbrauche ich laut meiner Fitnessuhr jeden Tag rund 1.300 Kalorien. Das sind fünf Big Macs oder zwei bis drei Tafeln Schokolade. Wenn ich nicht vom Fleisch fallen will, muss ich die Energie wieder reinholen. Viele Büromenschen haben das Problem, dass sie zu viel essen. Ich muss genug essen.

Die tägliche Tour ist aber nicht nur gut für den Körper, sondern auch für die Seele. Auf dem Rad bin ich ganz nah dran an der Natur und den Jahreszeiten. Morgens linst die Sonne hinter den Schwarzwaldhügeln hervor und taucht das Weizenfeld in goldenes Licht. Die Luft dampft. Ein Storch stakst über eine Wiese. Im Herbst blitzen in der Dunkelheit abends die Augen eines Rehs auf. Und es gibt überraschend viele kleine Nagetieren, die in suizidaler Absicht über den Radweg spurten.

Im Büro warten Fahrradkeller und Dusche

Wenn der Wind von vorn kommt, bläst er den Kopf frei. Wenn er von hinten kommt, schiebt er mich meinem Ziel entgegen. Auf dem Rad ist man schneller als der Stress. Es ist eine gesunde Flucht. Der Mix aus körperlicher Anstrengung und Natur ist reinstes Seelenbalsam.

Natürlich bin ich länger unterwegs als mit dem Auto. Aber es ist effizient. Pendeln ist tote Zeit. Ich nutze sie für Sport, den ich ansonsten noch im Alltag unterbringen müsste. Trotzdem ist mir bewusst, dass so viel Radfahren nicht in jedermanns Alltag passt. Ich bin privilegiert. In der Redaktion gibt es einen Fahrradkeller und eine Dusche. Aber kürzere Strecken wären wohl für die meisten Menschen machbar. Es lohnt sich: für Körper, Geist und Geldbeutel.

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