Skip to main content

„Tropfen auf den heißen Stein“

Frust im Landkreis Rastatt nach Flüchtlingsgipfel des Bundesinnenministeriums

Die Kommunen in Mittelbaden sehen die Belastungsgrenze durch die Aufnahme von Flüchtlingen erreicht. Hoffnung setzten sie auf einen Flüchtlingsgipfel mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Doch vom Ergebnis zeigen sie sich enttäuscht.

Ein Pflegeheim.
Zufluchtsort: Im Martha-Jäger-Haus in Rastatt leben rund 350 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. Insgesamt hat der Landkreis 2022 bislang rund 2.000 Flüchtlinge aufgenommen. Foto: Hans-Jürgen Collet

Der Hilferuf war lautstark: Alle 23 Oberbürgermeister, Bürgermeister und der Landrat des Landkreises Rastatt wandten sich Ende September mit einem offenen Brief an die Öffentlichkeit und forderten Unterstützung von höherer Ebene bei der Unterbringung von Flüchtlingen.

Am Dienstag kam Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) mit Vertretern von Ländern, Städten und Gemeinden zum Flüchtlingsgipfel zusammen. Die Ergebnisse bewerten die die Verantwortlichen in Mittelbaden als enttäuschend.

Bereits Ende August hatte Landrat Christian Dusch (CDU) Alarm geschlagen. „Bei den Gemeinden droht die Erreichung der Belastungsgrenze“, sagte er bei einem Termin im Martha-Jäger-Haus in Rastatt, wo rund 350 Flüchtlinge aus der Ukraine leben. Bis zum Jahresende werde der Landkreis Rastatt mehr Menschen aufgenommen haben als während der Fluchtbewegung 2015/16.

Landkreis Rastatt hat bislang rund 2.000 Flüchtlinge aufgenommen

Einen knappen Monat später machte er gemeinsam mit den Landkreiskommunen seinen Standpunkt noch einmal in dem offenen Brief deutlich. Dieser richtete sich unter anderem an Bundes- und Landesminister, Bundestagsabgeordnete und den Städtetag.

Rund 2.000 Flüchtlinge hat der Landkreis im Jahr 2022 bislang aufgenommen, rund 1.600 davon aus der Ukraine. In dem Schreiben hieß es unter anderem: „Es gibt keinen Wohnraum mehr, keine Kita-Plätze, Deutschkurse sind Mangelware, die Tafeln sind an ihre Kapazitätsgrenzen gelangt und die Förderprogramme greifen nicht oder nicht so schnell wie sie greifen sollten.“

Eine Hauptforderung lautete, dass das Land seine Erstaufnahmekapazitäten hochfahren müsse. Darüber hinaus forderten der Landrat und die Bürgermeister: „Auf Bundesebene müssen die Pull-Effekte abgestellt und insbesondere der Rechtskreiswechsel für die ukrainischen Flüchtlinge vom Asylbewerberleistungsgesetz zu Hartz IV (und künftig dem Bürgergeld) zurückgenommen werden, weil dadurch falsche Signale ausgesendet werden.“

Offensichtlich ist unser Weckruf nicht wirklich angekommen.
Jürgen Pfetzer, Bürgermeister von Ottersweier

Dass sich diese Punkte nicht in dem Ergebnis des Flüchtlingsgipfels wiederfinden, sorgt für Unmut. In einer Pressemitteilung, die das Landratsamt am Dienstagnachmittag herausgab, wird der Ottersweierer Bürgermeister Jürgen Pfetzer (CDU) mit den Worten zitiert: „Offensichtlich ist unser Weckruf nicht wirklich angekommen.“ Landrat Dusch ergänzt: „Unsere Maßnahmenvorschläge finden wir nicht wieder und die stattdessen angebotenen Lösungen sind für unsere Situation unzutreffend.“

Bundesregierung will 4.000 weitere Plätze zur Verfügung stellen

Die Bundesregierung will den Ländern weitere 56 Immobilien zur Unterbringung von Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Über die zusätzlichen Immobilien würden 4.000 Plätze zur Verfügung gestellt. Laut Bundesinnenministerin Faeser handelt sich um dauerhafte Unterbringungsmöglichkeiten.

Dusch bewertet diese Zahl als „Tropfen auf den heißen Stein“. Darüber hinaus würden davon kleinere Gemeinden nicht profitieren. Gebäude, die dafür infrage kämen wie etwa Kasernen, stünden hauptsächlich in größeren Städten zur Verfügung.

Finanzielle Zusagen machte Faeser nicht. Wie sich der Bund finanziell an den Flüchtlingskosten beteiligen will, soll in einer Bund-Länder-Runde Anfang November geklärt werden. Dusch und Pfetzer reicht das nicht: „Dass die Anpassung der finanziellen Unterstützung durch den Bund erst im November geklärt werden soll, halten wir für zu spät.“

nach oben Zurück zum Seitenanfang