Etwas mehr als ein halbes Jahr ist es her, dass der Muggensturmer Gemeinderat sich dazu entschloss, die Smartphone-App Hilver in der Gemeinde umzusetzen. Anders als in anderen Kommunen wie Ötigheim, Bietigheim oder Elchesheim-Illingen war die Einführung in Muggensturm allerdings nicht unumstritten. Bedenken, ob es ein solches Netzwerk in Muggensturm überhaupt brauche, wurden damals laut. Immerhin sei die Seniorenarbeit im Ort ja hervorragend organisiert.
Thomas Walter, dem Entwickler der App, blies also im Oktober mächtiger Gegenwind entgegen. Am Montag nun war der Ötigheimer Softwareexperte wieder Gast in der Muggensturmer Ratssitzung. Dieses Mal ging es um eine Zwischenbilanz.
Und die fiel gar nicht so schlecht aus. Immerhin gibt es in der Gemeinde inzwischen 55 Personen, die Hilver nutzen sowie 52, die sich als Helfer gemeldet haben. „Das ist ungewöhnlich. Die Erfahrung zeigt, dass sich eigentlich mehr Helfer melden als Hilfesuchende“, sagt Walter.
72 Anfragen sind seit Februar eingegangen
Das Kuriosum hat, wie im Rahmen der Sitzung zu erfahren war, in Muggensturm wohl vor allem damit zu tun, dass der Seniorenbeirat seinen ehrenamtlichen Fahrdienst inzwischen über Hilver organisiert.
Daher auch die große Zahl der Anfragen nach Hilfeleistungen: 72 gingen seit Februar sein, so Walters Bilanz. Die meisten davon seien im Juni erfolgt: 20 Anfragen, vornehmlich nach Fahrdienstleistungen, habe es da gegeben.
Über 90 Prozent dieser Anfragen seien allerdings nicht über die App via Smartphone, sondern telefonisch über das Rathaus eingegangen. Hilver bietet diesen Service an, allerdings nur als zusätzliche Unterstützung.
Geplant ist eigentlich, dass die Senioren, die dringend jemanden brauchen, der sie zum Arzt bringt oder der ihnen den Grünschnitt aus dem Garten zum Reisigplatz fährt, ihre Anfragen selbst via Smartphone übermitteln.
Bereits im Oktober hatte Tanja Sölter, für die MBV im Muggensturmer Gemeinderat, Zweifel daran geäußert, ob eine App wirklich das richtige Hilfsmittel für die Generation 70 plus ist. „In diesem Bereich müssen wir in der Tat nachbessern. Eigentlich wollen wir digital unterwegs sein“, sagte Walter am Montag.
Man habe inzwischen zwei Sozialpädagoginnen mit im Team, die nicht nur die Helfer coachen, sondern auch die Nutzer und Nutzerinnen betreuen sollen. „Sie sollen sie bei der App-Bedienung unterstützen, aber auch herausfinden, wo genau ihr Bedarf liegt.“ Außerdem habe man eine Studie in Auftrag gegeben, um herauszufinden, was die Menschen bezüglich Hilver genau brauchen.
„Ich glaube, wir haben einen guten Start hingelegt. Aber wenn wir nachhaltig werden wollen, haben wir noch viel zu tun. Dazu müssten wir unsere Zahlen verdoppeln“, so Walter.
Die Ratsmitglieder sahen dies ähnlich. „Das Konzept wirkt überzeugend für mich. Hilver hat sich etabliert. Wir müssen allerdings herausfinden, wie wir die Nutzer besser erreichen können“, sagte beispielsweise Harald Unser (MBV).
Ohne Seniorenrat sähe es nicht so rosig aus.Dieter Eisele
Muggensturmer SPD-Gemeinderat
Dieter Eisele (SPD), im Oktober noch einer der schärfsten Kritiker des Projekts, zeigte sich am Montag zufrieden: „Wir können der Fortführung von Hilver zustimmen, auch wenn wir etwas Wasser in den Wein gießen müssen.
Hätte der Seniorenrat sich nicht entschlossen, die App zu nutzen, sähe das Ergebnis sicher nicht so rosig aus. Wir müssen uns jedes Jahr aufs Neue Gedanken machen und dann gegensteuern, wenn etwas schiefläuft.“
Projekt wird für ein Jahr weiter geführt
Letztlich stimmte das Gremium der Fortführung des Projekts in Muggensturm zu. 340 Euro im Monat soll es die Gemeinde kosten. Man hoffe, so Thomas Walter, dass man bis Juli 2024 genug neue Kommunen dazu gewinne, sodass diejenigen, die es an den Start gebracht haben, keine Finanzierung mehr leisten müssen.
Immerhin: Dieses Ziel könnte Hilver erreichen. In den vergangenen Monaten kamen weitere Kommunen in der Region hinzu, die die Nachbarschaftshilfe-App fortan ihren Bürgern zur Verfügung stellen. So soll sie laut Beschluss des Rastatter Gemeinderats vom 10. Juli beispielsweise auch in der Barockstadt umgesetzt werden.