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Mann schwer verletzt

Urteil im Prozess um umgestürzte Linde in Rastatt: Land muss kein Schmerzensgeld zahlen

Bei einem Sturm stürzte ein Baum auf der Terrasse des Parkrestaurants in Rastatt auf einen Mann, der seither aufgrund der Verletzungen arbeitsunfähig ist. Er sah die Schuld dafür beim Eigentümer, dem Land Baden-Württemberg, und klagte.

Die Linde auf der Terrasse des Park-Restaurants richtete dagegen am 26. Juli 2021 Unheil an.
Nach dem Sturm: Die Linde auf der Terrasse des Park-Restaurants richtete am 26. Juli 2021 Unheil an. Foto: Archiv/Frank Vetter

Weil er durch einen umstürzenden Baum auf dem Areal des Parkrestaurants in Rastatt schwer verletzt wurde, hat ein Mann den Eigentümer, das Land Baden-Württemberg, auf Schmerzensgeld und Schadenersatz verklagt. Das Landgericht-Baden-Baden hat nun ein Urteil gefällt: Die Klage wurde abgewiesen.

Der Geschädigte, Torsten G. aus Nordrhein-Westfalen, hatte am 26. Juli 2021 auf der Restaurant-Terrasse Platz genommen – bei strahlendem Sonnenschein und ohne Ahnung davon, dass sich kurz darauf alles ändern würde: Plötzlich kam ein Sturm auf, eine alte Linde auf der Terrasse brach entzwei, stürzte und verletzte den 48-Jährigen schwer.

Kläger forderte mindestens 60.000 Euro Schmerzensgeld

Seitdem ist er arbeitsunfähig. Wenn das Land als Eigentümer des Geländes seiner Verkehrssicherungspflicht nachgekommen wäre, wäre all das nicht passiert, sagt er – und klagte daher auf mindestens 60.000 Euro Schmerzensgeld sowie 12.000 Euro Entschädigung für Verdienstausfall.

Im April 2022 bereits begann der Prozess, seither gab es weitere Verhandlungsrunden. War es ein tragisches Unglück oder hätte das Land – in dem Fall die Verwaltung des Schlosses, zu dem das Lokal gehört – tatsächlich die Gefahr erkennen müssen? Welche Sorgfaltspflichten genau sind zu erfüllen? Fragen, die das Gericht zu klären hatte.

Baumstumpf
Die Überbleibsel des Unglücks auf der Terrasse des Park-Restaurants in Rastatt: Ungewöhnlich an der Linde war, dass die Fäule erst in mehreren Metern Höhe einsetzte. Foto: Egbert Mauderer

Letztmals hatte eine Experten-Begutachtung der Linde offenbar im August 2020 stattgefunden. Dabei seien Schädigungen festgestellt worden, wie sie wohl bei Straßenbäumen eher üblich seien, unter anderem Totholz in der Krone, hieß es vor Gericht. Entsprechende Pflegemaßnahmen seien dann im Oktober 2020 erfolgt.

Zur nächsten Kontrolle durch einen Sachverständigen, die für das zweite Quartal 2021 angesagt war, kam es bis zu dem Baumsturz-Unglück aber nicht. Termin-Abweichungen um bis zu zwei Monate seien noch in Ordnung, so die Argumentation des Landes.

Sturm reißt Linde in Rastatt auf einer Höhe von etwa 4,70 Metern vom Rumpf

Am Abend des 26. Juli 2021 aber riss der plötzliche Sturm die um das Jahr 1850 gesetzte Linde – 24 Meter hoch, mit einem Stammdurchmesser von rund einem Meter – auf einer Höhe von etwa 4,70 Metern vom Rumpf. Der Ober-Polier aus Nordrhein-Westfalen, der damals gerade von Berufs wegen in Rastatt weilte, wollte gerade Schutz suchen und stand unter einem Sonnenschirm, als es passierte.

Lokalbetreiber Jere Gruja sagte anschließend, dass er so etwas noch nie erlebt habe: „Alles passierte innerhalb von Sekunden. Gewitter, Regen, Blitz, es schüttete wie aus Eimern.“ Vier Gäste wurden verletzt, berichtete die Polizei, einer davon schwer: Torsten G.

Opfer muss sich mehrfach operieren lassen

Die Folgen, die er später schilderte: unter anderem Klinik-Aufenthalte und vier Operationen. Drei Rückenwirbel gebrochen – zwei wurden versteift –, das Bein unterhalb des Knies mehrfach gebrochen, eine Gelenksprengung an der Schulter, Prellungen und Stauchungen: So habe die Diagnose gelautet.

Gleichwohl habe es, so die Argumentation des Anwalts des Landes, angesichts der Erkenntnisse durch den Baumkontrolleur zuvor schlicht keinen Anlass gegeben, an eine Fällung der Linde zu denken, weil es keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der Standsicherheit gegeben habe.

Auf Klägerseite sah man das anders: 80 Prozent des Baum-Inneren seien morsch gewesen, Fotos dokumentierten, wie ausgehöhlt der Stamm war. Das passiere nicht innerhalb eines Jahres, bei einer intensiveren Kontrolle hätte man das festgestellt und die Fällung angeordnet.

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts unter Vorsitz von Richterin Annette Zeller folgte indes der Argumentation des Klägers nicht. Begründung: Das Land habe seiner Verkehrssicherungspflicht Genüge getan. Sowohl die Zeugenaussagen als auch der Sachverständige hätten das Gericht insoweit überzeugt, als dass die allgemeine Überprüfungshäufigkeit und -dichte erfüllt worden sei.

Im Oktober 2022 hatte das Gericht drei Zeugen zu den Kontroll- und Pflegemaßnahmen im und am Schlosspark angehört, zuletzt gab es beim Kölner Baumpflegesachverständigen Hermann Reinartz ein Gutachten darüber in Auftrag, ob die staatliche Schlösser- und Gartenverwaltung (SSG) einen korrekten Job gemacht habe.

Besonderheit der Linde erschwert Beweiserhebung

Reinartz musste sich bei seiner Einschätzung auf Fotos sowie ein Parteigutachten der SSG stützen. „Ich habe den Baum nie gesehen.“ Im Grundsatz attestierte er dem SSG-Baumprüfer aber, bei der letzten Untersuchung vor dem Unglück, im August 2020, nach den anerkannten Regeln der Branche vorgegangen zu sein.

Erschwert wurde die Beweiserhebung von der Besonderheit der Linde. „Das ist ein ganz spezieller Fall, eine absolute Ausnahme“, kommentierte Reinartz die Tatsache, dass der Baum im unteren Bereich intakt aussah und erst in vier Metern Höhe erkennbare Fäule aufwies.

Normalerweise wachse die Fäule von unten. Hätte der Kontrolleur aufgrund des Pilzbefalls aktiv werden müssen? Der Sachverständige konnte nicht mit letzter Gewissheit bestätigen, ob der Prüfer überhaupt den Befall damals hätte erkennen können.

Das Urteil, das den Beteiligten nun erst noch schriftlich zugeht, ist noch nicht rechtskräftig. Der Kläger kann beim Oberlandesgericht Berufung einlegen.

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