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Hitzeschäden

Blow-ups auf Autobahnen: Wie sicher ist das Straßennetz in Baden-Württemberg?

Bei andauernd hohen Temperaturen steigt die Gefahr von sogenannten Blow-ups auf Autobahnen. Dabei platzen Betonplatten auf. Vor einigen Jahren waren auch die Straßen in Baden-Württemberg stark betroffen, inzwischen hat sich da aber viel getan.

Schwere Schäden auf der Autobahn: Bestimmte Fahrbahnoberflächen können bei Hitze aufplatzen, das erhöht stark die Unfallgefahr.
Schwere Schäden auf der Autobahn: Bestimmte Fahrbahnoberflächen können bei Hitze aufplatzen, das erhöht stark die Unfallgefahr. Foto: René Priebe/dpa

Die extreme Sommerhitze macht nicht nur Menschen, Tieren und Pflanzen schwer zu schaffen. Sie bringt auch eine erhöhte Belastung für Straßen mit sich, deren Belag durch hohe Temperaturen beschädigt werden kann.

Besonders berüchtigt sind die Blow-ups, also Aufwölbungen von geplatzten Betonplatten: Vor allem auf Autobahnen mit ihren hohen Geschwindigkeiten sind sie für Fahrer gefährlich. Wie groß ist diese Gefahr in Baden-Württemberg? Und was müssen Verkehrsteilnehmer in diesen heißen Tagen beachten, wenn der Ferien-Reiseverkehr losrollt?

Unser Redaktionsmitglied Alexei Makartsev beantwortet die wichtigsten Fragen.

In heißen Sommern wie jetzt hört man oft von Hitzeschäden auf Autobahnen und Landstraßen, was ist damit gemeint?

Typisch sind drei Arten von Schäden: Auf asphaltierten Straßen und Autobahnen kann der Belag an sehr heißen Tagen auf über 60 Grad aufheizen. Dann wird er weich, und es können sich Spurrillen bilden, die bei Regen die Gefahr von Aquaplaning erhöhen.

Auf Landstraßen können sich bei großer Hitze die mit Bitumen (aus Erdöl hergestelltes Bindemittel) geflickten Risse verformen. Und schließlich gibt es die sogenannten Blow-ups, wenn sich die Fahrbahndecken aus Beton wölben und aufplatzen, was für die Verkehrsteilnehmer gefährlich werden kann.

Was genau passiert bei solchen Blow-ups?

Das Problem kann bei einer über mehrere Tage anhaltenden Hitze von über 30 Grad auftreten. Die verbauten Betonplatten reagieren auf die hohen Temperaturen durch Ausdehnung. Wird diese zu groß, drücken sich die Platten aneinander nach oben, und die Bahn platzt auf – vor allem an Fugen und Nahtstellen. Fahrbahnteile können dann spitz in die Höhe ragen. In Extremfällen können wegen verhärteter Dehnungsfugen auch ganze Platten aus der Verankerung springen und zum tödlichen Hindernis werden.

Wie oft kommen derlei Schäden vor?

Hin und wieder. So sind durch die Hitze vor einigen Tagen auf der A9 zwischen Coswig und Vockerode in Sachsen-Anhalt gefährliche Risse entstanden. Im Sommer 2021 gab es mehrere Blow-ups in Norddeutschland, in einem Fall hatten sich die Platten im Laufe eines Tages um ganze 20 Zentimeter nach oben gewölbt. Es gab Jahre, in denen die Bundesländer mehr als ein Dutzend Blow-ups gemeldet haben, 2013 gab es bundesweit sogar 30 solcher Hitzeschäden.

War auch Baden-Württemberg schon betroffen?

Ja, im generell wärmeren Süden Deutschlands traten diese Schäden in der Vergangenheit häufiger auf. Vor sieben Jahren platzte auf der A5 bei Karlsruhe in Richtung Basel die Fahrbahndecke auf. Im Juni 2018 hob sich auf der A5 nahe der Anschlussstelle Heidelberg/Schwetzingen der Belag um 30 Zentimeter an. Zwei Fahrzeuge wurden deswegen bei einem Unfall beschädigt. Im Jahr davor platzte die A6 bei Hockenheim auf. Immer wieder kamen die Blow-ups auch in Bayern vor.

Wie gehen die Behörden in solchen Fällen vor?

Meist gibt es Autobahn-Vollsperrungen. Bei den Reparaturarbeiten werden dann die schadhaften Beton-Abschnitte herausgeschnitten, die entstandenen Lücken werden mit heißem Asphalt verfüllt. Steigt an heißen Tagen die Gefahr von Blow-ups, wird an den kritischen Stellen oft vorsorglich die Geschwindigkeit auf 80 Stundenkilometer begrenzt. Solche Tempolimits können tage- oder sogar wochenlang gelten, bis die Temperaturen nachlassen.

Wie sollten sich Autofahrer angesichts dieser Gefahr verhalten?

Die Blow-ups lassen sich nicht vorhersagen. Man muss aber wissen, dass sie an älteren Autobahnabschnitten auftreten, die man an den aneinandergereihten Betonplatten mit quer verlaufenden Fugen erkennen kann. Zu hören sind sie an dem rhythmischen Geräusch beim Überfahren der Plattenkanten.

„Wichtig für Autofahrer ist, das sie an solchen Strecken die Warnschilder beachten und die Tempolimits einhalten“, erklärt eine Sprecherin des ADAC Nordbaden. „Man sollte ausreichend Abstand zum Vordermann lassen, um die Fahrbahn im Blick zu haben“. Auch den Verkehrsfunk lässt man besser an. Besonders achtsam sollten wegen der erhöhten Gefahr Motorradfahrer sein, am besten meiden sie die gefährdeten Strecken.

Und falls sich doch einen Unfall ereignet: Wer kommt für die Kosten auf?

Schäden am eigenen Auto oder Motorrad durch einen Blow-up oder einen dadurch verursachten Unfall sind nur durch eine Vollkaskoversicherung abgedeckt. Schäden an anderen Fahrzeugen übernimmt die Auto-Haftpflichtversicherung. Zwar kann unter Umständen auch eine Haftung der Autobahn- oder Straßenmeisterei infrage kommen. Dafür müssten ihr aber Versäumnisse bei der Verkehrssicherungspflicht nachgewiesen werden, was schwierig ist.

Wie groß ist der Anteil der Autobahnen, an denen die Betonplatten verlegt wurden?

Der ADAC schätzt ihn auf etwa 30 Prozent, meist sind es 30 bis 40 Jahre alte Strecken mit einer dünnen Fahrbahndecke von 22 Zentimetern Stärke. Laut Verkehrsexperten kann eine Autobahn nur eine gewisse Zahl an „Überrollungen“ hinnehmen, bevor es zu einer Abnutzung kommt. Für einige Fahrbahnen waren zudem geringere Schwerbelastungen durch den LKW-Verkehr prognostiziert worden als später eingetreten sind.

In Baden-Württemberg galten im Jahr 2015 etwa 270 Kilometer Autobahnen als gefährdet. Auf den Regierungsbezirk Stuttgart entfielen etwa 172 Kilometer, auf den Regierungsbezirk Karlsruhe 98 Kilometer.

Hat sich die Lage seitdem verbessert?

Ja. Nach der Häufung von Blow-ups 2015 hatte hat die Landesregierung ein Sanierungsprogramm aufgelegt. Das Ziel war, binnen zehn Jahren alle für Hitzeschäden anfälligen Abschnitte auszutauschen. Dafür wurden etwa 300 Millionen Euro veranschlagt.

Die Gefahr von Blow-ups ist nach Einschätzung aller Experten weitestgehend beseitigt“, teilt der ADAC Nordbaden mit. Laut der seit 2021 für den Südwesten zuständigen Niederlassung der bundeseigenen Autobahn GmbH „gibt es keine Streckenzüge, die durchgehend als blow-up-gefährdet zu bezeichnen wären“. Alte Betonfahrbahnen seien mit Entlastungsschnitten versehen oder erneuert worden.

Wie funktionieren solche Entlastungsschnitte?

Dabei wird pro Fahrtrichtung alle 400 Meter über die gesamte Fahrbahnbreite jeweils eine Reihe Betonplatten ausgebaut und durch Asphalt ersetzt. Da es ein weicheres Material ist, kann sich die Betonfahrbahn bei hitzebedingter Ausdehnung bewegen. Spannungsbedingte Schäden werden dadurch vermieden. Bei neuen Betonfahrbahnen besteht das Problem übrigens nicht mehr, da sie mindestens drei Zentimeter dicker sind und die Temperaturschwankungen aushalten können.

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