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Baden-Württemberg

Debatte um Corona-Impfpflicht: Kretschmann beruft Krisensitzung ein

Der erste Riss in der baden-württembergischen Koalition: Grüne und CDU driften beim Thema Impfpflicht weit auseinander. Kretschmann lädt zur Krisensitzung.

Ein Mann wird gegen Corona geimpft.
Ab dem 15. März müssen demnach Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind. Foto: Christian Charisius/dpa

Dabei wollte Kretschmann doch für seine letzte Amtszeit nichts mehr als eine stabile Regierung. Das stabile, verlässliche Regieren und der Gleichschritt im Umgang mit der Pandemie seien schließlich die Gründe gewesen, warum er sich im Frühjahr 2021 erneut für die CDU als Koalitionspartner entschied und nicht für eine Ampel mit SPD und der widerborstigen FDP, das hat er immer wieder betont.

Und bislang gab die Südwest-CDU auch im Großen und Ganzen einen artigen Koalitionspartner ab. Aber nun fahren die Christdemokraten dem Ober-Grünen ordentlich in die Parade. Bei einem Thema, dass derzeit die Gemüter bundesweit erhitzt: die Impfpflicht.

Kretschmann lädt die Koalitionsspitzen gar zur Krisensitzung. Und die SPD spricht schon von einem „Vorzeichen der Regierungskrise“. Was ist da los?

CDU und Grüne streiten über Corona-Impfpflicht in der Pflege

Der Streit dreht sich um die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht, die ab Mitte März für Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken bundesweit gelten soll.

Diese ist – im Gegensatz zur allgemeinen Impfpflicht – längst von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Ab dem 15. März müssen demnach Beschäftigte in Pflegeheimen und Kliniken nachweisen, dass sie geimpft oder genesen sind – oder sie müssen ein Attest vorlegen, dass sie nicht geimpft werden können.

Die Union hat damit aber nun ein Problem. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will alle Spielräume im Freistaat nutzen, um die Umsetzung der Teil-Impfpflicht vorläufig auszusetzen. Auch CDU-Bundeschef Friedrich Merz fordert eine bundesweite Aussetzung.

Der Landkreistag und die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft (BWKG) sehen ebenfalls noch zu viele Fragen offen. Für wen etwa soll die Impfpflicht in den Heimen genau gelten – auch für den Hausmeister und den Handwerker?

Die Versorgungssicherheit müsse zudem aufrechterhalten werden, sagt der BWKG-Vorsitzende Heiner Scheffold der Deutschen Presse-Agentur. Gegen impfunwillige Beschäftigte müssten mildere Mittel als Beschäftigungsverbote möglich sein – etwa Fristverlängerungen oder Bußgelder. Das Schlimmste, so Scheffold, sei ein bundesweiter Flickenteppich. Deshalb sei Söders Vorgehen extrem kontraproduktiv.

Die Evangelische Heimstiftung, die rund 13.000 Menschen in landesweit 165 Einrichtungen betreut, fordert die grün-schwarze Regierung dazu auf, Kurs zu halten. Das Hin und Her spiele Impfgegnern in die Karten, sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider. Eine Aussetzung der von allen Ländern beschlossenen Impfpflicht sei unverantwortlich.

Winfried Kretschmann ist irritiert über Markus Söder

Kretschmann, sonst gerne auf CDU-Linie, ist jedenfalls alles andere als glücklich über die bremsenden Töne aus der Union. Am Dienstag zeigt er sich irritiert über den bayerischen Nachbarn Söder, erklärt, dass man die Risiken der Teil-Impfpflicht bereits vorher kannte – und vor allem dass man sich an Gesetze halten werde. „Wir können ein Bundesgesetz nicht aussetzen“, sagt er.

Aber dann reihen sich auch noch seine Koalitionspartner in die Riege der Aussetzungsanhänger ein. CDU-Landeschef und Vizeregierungschef Thomas Strobl und CDU-Fraktionschef Manuel Hagel finden, dass zu viele Fragen ungeklärt sind, dass man Pflegeheime, Krankenhäuser und Gesundheitsämter nicht alleine lassen dürfe. Dabei begehen sie ein rhetorisches Spagat, das auch der neuen bundespolitischen Gemengelage geschuldet sein dürfte.

Denn die CDU ist im Bund neuerdings in der Opposition, im Land nach wie vor in Regierungsverantwortung und zur Koalitionsdisziplin verpflichtet. Für Strobl und Hagel liegt die Verantwortung in erster Linie bei der Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP. Die müsse nun schleunigst nacharbeiten und eine bundeseinheitliche Lösung finden, sagen sie.

Für die Umsetzung seien aber die Länder zuständig, lässt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Mittwoch über einen Sprecher in Berlin ausrichten. Und: Die Länder hätten den Bund explizit gebeten, diese Impfpflicht als Schutz für gefährdete Gruppen einzuführen.

SPD fordert Machtwort vom baden-württembergischen Landeschef

Strobl und Hagel schimpfen auf die Ampel und vermeiden Angriffe auf den eigenen Regierungschef – und doch sind die Äußerungen ein ungewohnt deutlicher Tritt gegen Kretschmanns Schienbein.

Bei Grün-Schwarz geht es zu wie bei Hempels unterm Sofa!
Hans-Ulrich Rülke, FDP-Fraktionschef

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke formuliert es so: „Bei Grün-Schwarz geht es zu wie bei Hempels unterm Sofa!“ Kretschmann müsse sich entscheiden, ob er an der Seite der Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP stehe oder an der Seite der „irrlichternden, populistischen“ CDU, findet SPD-Fraktionschef Andreas Stoch – und fordert ein Machtwort vom Ministerpräsidenten.

Der ergreift am Mittwoch auch prompt die Initiative: Kretschmann ruft die Koalitionsspitzen zu einer Krisensitzung zusammen. Über die Umsetzung der Impfpflicht für Pflegekräfte wolle man am Donnerstag reden, kündigte ein Regierungssprecher an.

Ob Grüne und CDU ihre Differenzen ausräumen können und ob das der Beginn vom Ende des stabilen Regierens ist, bleibt offen.

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