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Innenministerium korrigiert sich

Polizeiaffäre: Irritationen um ein Jobangebot für den Inspekteur

Mit dem neuen Wertebeauftragten Jörg Krauss wollte Innenminister Strobl der Ausstieg aus der Polizeiaffäre gelingen, dies ging aber gründlich in die Hose.

Thomas Strobl (CDU, r-l), Innenminister von Baden-Württemberg, Stefanie Hinz, Landespolizeipräsidentin Baden-Württemberg und Jörg Krauss, ehemaliger Amtschef des Finanzministeriums Baden-Württemberg, kommen zu einer Pressekonferenz des baden-württembergischen Innenministeriums.
Für Jörg Krauss, den jüngst vorgestellten neuen Wertebeauftragten des Innenministeriums, gibt es ausdrücklich Rückendeckung von Innenminister Thomas Strobl (CDU, rechts im Bild) Foto: Marijan Murat /dpa

Viele Vorschusslorbeeren gab es für den neuen Wertebeauftragten Jörg Krauss, mit dem Innenminister Thomas Strobl (CDU) auf die anhaltende Kritik an der Personalpolitik an der Polizeispitze reagierte.

Krauss sollte alles auf den Prüfstand stellen

Der vor Kurzem in Ruhestand getretene einstige Amtschef des Finanzministeriums, Mitglied der Grünen und einst auch ranghoher Polizist, sollte mit Blick auf die Polizeiaffäre alle Abläufe speziell bei der Auswahl von Führungskräften auf den Prüfstand stellen.

Doch kurz danach brach aber eine Debatte über die Glaubwürdigkeit von Krauss los. Wir beantworten die zentralen Fragen zum Thema. 

Was löste die Debatte um Jörg Krauss aus? 
Ausgelöst wurde sie durch einen Bericht des Journalisten Franz Feyder in den „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter Zeitung“. Jener hatte über eine Whatsapp-Nachricht des vom Amt suspendierten Inspekteurs Andreas R. an den einstigen Polizeipräsidenten von Offenburg berichtet. Darin betonte R. am 20. Dezember 2021 gegenüber dem damals noch amtierenden Präsidenten und Vertrauten sein Interesse an einer „Verhandlungslösung“. Der Bericht spitzte zu, dass R. damit praktisch über „Mittelsmänner“ agieren wollte. Daraufhin sahen die Oppositionsparteien FDP und AfD Aufklärungsbedarf. Auch in unserer Redaktion meldeten sich Polizisten, die sich irritiert zeigten. Das Innenministerium wiederum geißelte in einer Pressemitteilung am 26. Juli eine „wiederholte Falschberichterstattung“ des Journalisten und sah in „zentralen Punkten eine falsche Berichterstattung“. Daraufhin gab es hinter den Kulissen heftiges juristisches Tauziehen zwischen Innenministerium und den Zeitungen. Am Mittwoch, 2. August, teilte das Ministerium in einer „Klarstellung“ mit, dass man nicht beabsichtigt habe, diesen eine unwahre Berichterstattung vorzuwerfen. Man habe nur dem Eindruck entgegen treten wollen, dass Krauss Einfluss in einem Gespräch mit der Landespolizeipräsidentin habe nehmen wollen auf das damals laufende Disziplinar- und Ermittlungsverfahren.
Was genau steht in der besagten Whatsapp-Nachricht des suspendierten Inspekteurs über Jörg Krauss?
Diese Nachricht liegt unserer Redaktion vor. Sie stammt vom 20. Dezember 2021, am Tag danach wurde das Handy von R. durch Ermittler der Polizei beschlagnahmt. Es war sein neues Handy, das alte Mobiltelefon, über das bis zur Suspendierung sowohl private wie dienstliche Kommunikation lief, hatte er offenbar vernichtet. Sinngemäß schreibt der suspendierte Inspekteur, dass er von Landeskriminaldirektor Klaus Ziwey erfahren habe, dass sich Jörg Krauss bei Landespolizeipräsidentin Stefanie Hinz für ihn eingesetzt habe.
Wie wird diese Nachricht im Innenministerium eingeordnet?
Der Inhalt der Nachricht sei im Ministerium nicht bekannt, heißt es in der „Klarstellung“. Dies hat natürlich mit juristischen Sachzwängen zu tun. Aber: Im Innenministerium wird nach unserer Kenntnis intern auf die damaligen Zeitumstände der Polizeiaffäre hingewiesen. Der Kern des Tatvorwurfs der sexuellen Nötigung, sprich das Geschehen beim nächtlichen Kneipenbesuch im November 2021 und das Videotelefonat mit der jungen Polizistin wenige Tage danach waren bekannt. Aber eben nicht die ganzen anderen Dinge, die während der Ermittlungen und des Strafprozesses zu Tage traten. Am 22. November 2021 wurden dem Inspekteur Waffe, Schlüssel und Diensthandy abgenommen und das Verbot der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Intern gab es Stimmen, die warnten, dass R. suizidgefährdet sein könnte. Daraufhin wurde Landeskriminaldirektor Klaus Ziwey von Stefanie Hinz beauftragt, aus Gründen der Fürsorgepflicht Kontakt mit R. zu halten. Der inzwischen pensionierte einstige Offenburger Polizeipräsident hielt ebenfalls Kontakt. Dies schildert auch der interne Regierungsbericht über die Polizeiaffäre. Es gibt nun gegenüber unserer Redaktion von mehreren Seiten bestätigte Informationen, dass es in diesem Zeitraum auch ein Angebot von Jörg Krauss gab. Jener habe ebenfalls befürchtet, dass Suizidgefahr bestehen könnte und gegenüber Hinz angeboten, den Inspekteur eventuell ins Finanzministerium zu übernehmen, sollte es die Situation erfordern.
Was sagt Thomas Strobl zu den Vorwürfen gegen seinen frisch ernannten Wertebeauftragten?
In einem Interview mit dem Sender Regio-TV hat Strobl dies jüngst als „Schmutzkampagne“ bezeichnet. „Ich kenne Jörg Krauss als absolut untadelige Persönlichkeit. Er ist jemand, der ein Koordinatensystem hat.“ Krauss stehe für Wertekultur, er sei dankbar, dass dieser die Aufgabe übernommen habe. Es gehe offenbar darum, Krauss als Person zu diskreditieren.
Wie sehen die Reaktionen der Politik auf die „Klarstellung“ aus dem Innenministerium aus?
Von SPD und FDP sowie der Deutschen Polizeigewerkschaft gab es scharfe Reaktionen. SPD-Innenexperte Sascha Binder sagt: „Das schlägt dem Fass den Boden aus“. Der Innenminister sei mehr damit beschäftigt, seinen eigenen Kragen zu retten, als sich um die Sicherheit des Landes zu kümmern. „Wieder einmal hat das Innenministerium versucht, kritische Stimmen einzuschüchtern und mundtot zu machen. Neben Mutigen aus der Landespolizei trifft es nun auch die Presse. Es ist ein Skandal, dass der Minister dabei wiederholt die Fakten verdrehen lässt.“ Ralf Kusterer, Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft und eine Art Intimgegner von Strobl, bezieht sich auf die Weitergabe eines Anwaltsschreibens durch Strobl und sagte: „Der Minister hat nichts gelernt aus seiner Gerichtsauflage von 15.000 Euro. Der Politikskandal um den Minister schadet dem Ansehen der Polizei und dem Innenministerium.“ Es sei allerhöchste Zeit, dass der Innenminister seinen Kurs ändere. Die FDP-Innenexperten Julia Goll und Nico Weinmann teilten mit: „Es ist nicht das erste Mal, dass unüberlegtes Handeln Strobl und sein Haus in rechtliche Schwierigkeiten bringt.“
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