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„Epochal gescheitert“

Prinz Max – der Endzeitkanzler aus Baden

Prinz Max von Baden hätte 1918 die Monarchie erhalten können und so den Weg Deutschlands nach dem zweiten Weltkrieg entscheidend verändern können. Das sagt Historiker und Biograf Lothar Machtan.

Prinz Max von Baden: Ein Mann in Uniform mit Schnurbart
Er sei „epochal gescheitert“ -sagt sein Biograf: Reichskanzler Prinz Max von Baden (1867-1929) Foto: dpa

Ein Badener trat in der Endphase des Ersten Weltkriegs an, die Monarchie zu retten. Dem Historiker Lothar Machtan zufolge ist er „epochal gescheitert“. Als sich im Oktober 1918 überall in Deutschland Unruhen ausbreiteten und der im Volk zunehmend verhasste Wilhelm II. die Abdankung verweigerte, habe Reichskanzler Prinz Max von Baden (1867 bis 1929) eine große Chance vertan: dem Reich mit seiner Person einen „volkstümlichen Ersatzkaiser mit dem erklärten Willen zur Demokratie“ zu schenken.

„Eine im Volk halbwegs beliebte Monarchie hätte den Möglichkeitsspielraum für einen charismatischen Führer vom Schlage Hitlers ganz sicher begrenzt“, zieht Machtan im Nachwort zu „Der Endzeitkanzler. Prinz Max von Baden und der Untergang des Kaiserreichs“ die Verbindung von 1918 zu 1933.

Das Buch ist eine Neuauflage der Biografie, die Machtan 2013 erstmals unter dem Titel „Prinz Max. Der letzte Kanzler des Kaisers“ veröffentlichte. Der inzwischen emeritierte Bremer Professor zeichnet darin das Genrebild einer ganzen Epoche – im Stadium des Zerfalls ihrer politischen Leitkultur.

Prinz Max – ein „Leben in notorischer Unfreiheit“

Seiner Titelfigur, dem nur fünf Wochen amtierenden „außerplanmäßigen Staatslenker“, Prinz Max von Baden, bescheinigt er ein Leben in notorischer Unfreiheit. Denn die Normen der hochadeligen Gesellschaft, in die der Prinz hineingeboren war, kollidierten laut Machtan mit seinem vitalen Drang nach Selbstverwirklichung – zumal Max homosexuell, als badischer Thronanwärter aber zum Eheleben verdammt war. 

Schonungslos schildert Machtan das daraus entstehende Martyrium – wie er überhaupt große erzählerische Kraft entwickelt, wenn er die zerrissene Persönlichkeit des „Revolutionärs wider Willen“ beschreibt.

Zugang zum schriftlichen Nachlass des Prinzen Max hatte Lothar Machtan nicht gehabt, als er 2013 seine mit vielen pikanten Details gespickte Biografie vorlegte. Die Papiere würden von den Nachkommen des Prinzen unter Verschluss gehalten, bemängelte der Historiker damals. Er griff daher auf Dokumente zurück, die sich abseits von Schloss Salem erhalten haben.

Der Nachlass im Generallandesarchiv Karlsruhe

Ein Jahr nach Erscheinen der Biografie wurden dann aber Teile des Nachlasses von Salem in das Großherzogliche Familienarchiv im Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA) überführt. Auf der Grundlage dieses Bestandes erarbeitete das GLA die Ausstellung „Der Wunschlose – Prinz Max von Baden und seine Zeit“, die 2016 in Karlsruhe und 2017 in Salem präsentiert wurde.

Die mit Steuergeldern inventarisierten Papiere aus Salem sollen der Forschung zur Verfügung stehen, so Machtan. Mit Blick auf die Neuauflage seiner Prinz-Max-Biografie habe er daher erneut einen Benutzungsantrag gestellt. 

„Fast vier Monate hat das Haus Baden gebraucht, um sich schließlich davon überzeugen zu lassen, dass es seinem öffentlichen Ansehen vielleicht unzuträglich wäre, dem ersten wissenschaftlichen Biografen seines Vorfahren weiterhin die Auswertung dieser Papiere zu verbieten“, stichelt der Historiker.

„Umgeschrieben muss nichts werden“

Neue Türen der Erkenntnis hätten sich bei seinen Nachforschungen in Karlsruhe indes nicht geöffnet: Zwar hätte er aufgrund des Materials die Biografie an einigen Stellen stofflich anreichern und einige Konturen noch schärfer zeichnen können. Aber, so Machtan, „umgeschrieben muss nichts werden“.

So liegt das Lebensbild des „Endzeitkanzlers“ 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs zwar unter einem neuen Titel, doch inhaltlich im Wesentlichen unverändert vor. Ein Nachwort freilich hat Machtan angefügt, in dem er seine Thesen zum „epochalen Scheitern“ von Prinz Max zuspitzt.

Parlamentarische Monarchie oder massendemokratisch legitimierte Republik? Die historisch-politische Situation des Deutschen Reiches sei noch im Oktober 1918 relativ offen gewesen, urteilt Machtan. Allerdings hätte Max von Baden im Interesse der Monarchie seinen Cousin, Wilhelm II., direkt bekämpfen müssen.

Prinz Max – „achtbare Symbolfigur mit royalem Nimbus“

Der Prinz selbst hätte als „achtbare Symbolfigur mit royalem Nimbus“ nach Machtans Analyse einen glaubwürdigen Ersatzkaiser in einer monarchisch gelenkten Demokratie abgeben können. 

Dem intelligenten Regierungschef habe jedoch „die innere Freiheit zur Selbstkompetenz“ gefehlt. Und sein reformpolitischer Horizont hätte letztlich nicht über das Format eines im altliberalen Sinne modernisierten Obrigkeitsstaats nach großherzoglich-badischem Muster hinausgereicht.

„Melodram mit politischem Kollateralschaden“

Unter dem Druck der Ereignisse verkündete Prinz Max am 9. November 1918 wahrheitswidrig die Abdankung des Kaisers. Das Amt des Reichskanzlers übergab er an seinen sozialdemokratischen Landsmann Friedrich Ebert. 

Dann machte sich Prinz Max auf den Heimweg nach Baden. Oder, wie Lothar Machtan es ausdrückt: Er lief davon. In den entscheidenden Momenten seien die Abgründe der privaten Biografie des Max von Baden in eine so unheilvolle Beziehung mit seinem Politikerleben getreten, dass eine bizarre, hoch emotionale Gemengelage entstand – „ein Melodram mit politischem Kollateralschaden“.

Weiteres zu Prinz Max

Lothar Machtan: Der Endzeitkanzler. Prinz Max von Baden und der Untergang des Kaiserreichs, Theiss Verlag – WBG, 686 Seiten, 29,95 Euro.

Zum deutschen Kaisersturz vor 100 Jahren dreht das ZDF dreht ein Dokudrama . Dabei wirkt der Historiker Lothar Machtan als Drehbuchautor und fachhistorischer Berater mit. Den Prinzen Max von Baden verkörpert der Schauspieler Hubertus Hartmann, Friedrich Ebert wird von Christian Redl gespielt.

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