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Nur teilweise Umsetzung

Tierschützer entsetzt: Mannheim will bei Katzenschutzverordnung nur Streuner kastrieren

Freilaufende Katzen sollen nur dann sterilisiert werden, wenn sie niemandem gehören. So will die Stadt Mannheim die Katzenschutzverordnung nur zum Teil umsetzen.

Schwarz-weiße Katze blickt in die Kamera: Auf Friedhöfen, in Industriebrachen oder Kleingärten in Mannheim kämpfen rund 6.000 verwilderte Tiere ums Überleben.
Auf Friedhöfen, in Industriebrachen oder Kleingärten in Mannheim kämpfen nach Schätzungen der Organisation „Politik für die Katz’“ rund 6.000 verwilderte Tiere ums Überleben. Foto: Paul Zinken/dpa

Das geflügelte Wort „Monnem vorne“ steht für Spitzenleistungen in der nördlichsten Kommune Baden-Württembergs. Mannheim hat in der Wirtschaft, beim Sport und in der Kultur Maßstäbe gesetzt. Tierschützer aber kritisieren schon lange: Beim Katzenschutz hinkt die Kommune hinterher.

Am Donnerstag beriet das Stadtparlament über eine Katzenschutzverordnung, die die unkontrollierte Vermehrung von Katzen eindämmt. Denn Mannheim hat ein wachsendes Problem mit Streunern. Auf Friedhöfen, in Industriebrachen oder Kleingärten kämpfen nach Schätzungen der Organisation „Politik für die Katz’“ rund 6.000 verwilderte Tiere ums Überleben. Im Frühsommer und Herbst kommen Hunderte Kätzchen im Freien zur Welt, deren Leben von Hunger, Krankheiten und frühem Tod gekennzeichnet sind.

Viele nicht kastrierte Stubentiger laufen von zu Hause weg und werden zu Vagabunden. Das Land hat den Kommunen mit der Katzenschutzverordnung ein Gesetz an die Hand gegeben, das eine Zwangskastration aller freilaufenden Samtpfoten ermöglicht, um die Population einzudämmen.

Katzenschützerin: Mannheimer Katzenschutz-Plan ist realitätsfern

Der Mannheimer Stadtrat Andreas Parmentier von der Tierschutzpartei in der Fraktion „Lipartie“ stellte bereits vor drei Jahren die Forderung nach Umsetzung an die Stadtverwaltung. Jetzt kam das Thema auf die Tagesordnung des Sicherheitsausschusses und Mannheim einigte sich. Allerdings in einer „seltsamen Variante“ wie die Landestierschutzbeauftragte Julia Stubenbord es formuliert.

Der Kernpunkt des Gesetzes, eine Sterilisierungspflicht für alle Freigänger, wird auf Wunsch des Rathauses und mit Zustimmung aller Gemeinderatsfraktionen erneut auf die lange Bank geschoben. Mit Aufklärungsaktionen und dem Modell „Einfangen.Kastrieren.Aussetzen“, das für wild lebende Tiere gilt, will der zuständige Abteilungsleiter Peer-Kai Schellenberger in Abstimmung mit dem Tierschutzverein Versäumtes in den kommenden zwei Jahren nachholen.

Dieser städtische Plan sei realitätsfern und könne nicht aufgehen, kritisiert die ehrenamtliche Katzenschützerin Kristina Stumpf. „Wer soll denn die nachtaktiven, scheuen Lebewesen fangen und wer soll sie kastrieren?“, fragt sie. In Mannheim gebe es lediglich einen von der Stadt beauftragten Tierarzt für Kastrationen auf Kosten des Stadtsäckels – „und der hat Zeit für maximal einen gefangenen Streuner im Monat“, weiß sie aus Erfahrung.

Ist Kastrationspflicht ein unerlaubter Eingriff ins Persönlichkeitsrecht des Besitzers?

Noch vor wenigen Wochen hatten sich die Ratsfraktionen auf Anfrage unserer Redaktion einhellig für eine flächendeckende Kastrations-, Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht ausgesprochen. Woher stammt nun der plötzliche Sinneswandel? Die Beschlussvorlage des Sicherheitsdezernates von CDU-Bürgermeister Christian Specht warnte vor einem Rechtsbruch, den Oberbürgermeister Peter Kurz nicht mitmachen würde.

Die Kastrationspflicht stelle einen unerlaubten Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Besitzers dar. Eine Sterilisierung wird vom Veterinär mit 300 bis 350 Euro bei weiblichen Tieren und 150 bis 200 Euro für die Kastration von männlichen Tieren berechnet.

Sowohl Julia Stubenbord als auch Tierrechtsexperte Edmund Haferbeck von PETA widersprechen der Einschätzung der Stadt. Das Tierschutzgesetz besage eindeutig, dass ein Verbot eines amputativen Eingriffs am Tier nicht gelte, wenn es „zur Verhinderung der unkontrollierten Fortpflanzung“ dient. „Klagen sind mir in ganz Deutschland nicht bekannt“, ergänzt die Landestierschutzbeauftragte.

Die tierpolitische Sprecherin der Grünen, Christina Eberle, bewertet die Entscheidung als Teilerfolg auf dem Weg zu einer Kastrationspflicht. Mit der beschlossenen Kennzeichnungs- und Registrierungspflicht werde die Unterscheidbarkeit von Halter- und wilden Katzen deutlich erleichtert. „Für aufgefundene Katzen bedeutet dies ganz praktisch eine kürzere Verweildauer im Tierheim – sowohl für Streuner als auch für entlaufene Halterkatzen – und für die ehrenamtlichen Katzenschützer vor Ort bringt es erheblich mehr Rechtssicherheit bei ihrer Arbeit“, so die Grüne.

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