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Schottland hat ein Gesetz

Wo es in der Region kostenlose Tampons und Binden gibt

Als erstes Land der Welt bietet Schottland Menstruations-Produkte wie Tampons und Binden öffentlich und kostenlos an. Diskutiert wird auch in unserer Region.

Ein Tampon wird von einer Angestellten in einer Produktionshalle gehalten. Großbritannien erhebt künftig keine Steuern mehr auf Tampons und Binden.
Gratis in der Schule: Am Karlsruher Lessing-Gymnasium soll es künftig kostenlose Damenhygiene-Artikel auf den Toiletten geben. Foto: Sebastian Kahnert/dpa

Julis Studentinnen-Budget ist eng auf Kante genäht. Von ihren Eltern erhält die Düsseldorferin im Monat 750 Euro. Ist die Miete für ihr WG-Zimmer in der Karlsruher Innenstadt bezahlt, bleiben ihr 350 Euro für alles, was sie zum Leben braucht. Fahrkarten, Handy, Nahrung, Kleidung, Schreibwaren und natürlich Hygieneprodukte wie Zahnpasta oder Tampons.

„Ich bin wirklich keine hard-core Feministin“, sagt Juli, die ihren wirklichen Namen nicht nennen mag. Dass sie regelmäßig Geld für Tampons, Binden, Slipeinlagen und Mittel gegen Periodenschmerzen ausgeben muss, findet die 19-Jährige aber ziemlich ungerecht.

Die Wirtschaftsingenieurin am KIT hat die monatlichen Kosten für ihre Periode auf fünf Euro berechnet. Das klingt beherrschbar. „Ja schon“, räumt sie ein. „Das Problem ist nicht, dass ich mir das nicht leisten kann. Das Problem ist, dass ich mir das leisten muss.“

Weltweit menstruieren 1,8 Milliarden Frauen

Als Tochter der wohlhabenden Mittelschicht gehört die Studentin zur kleinen privilegierten Minderheit unter den 1,8 Milliarden menstruierenden Frauen auf der ganzen Welt. Obwohl sich hierzulande die allermeisten Frauen ihre Hygieneprodukte leisten können, wächst die Zahl der Initiativen, die Tampons oder Binden kostenlos zur Verfügung stellen.

Vielen geht es nicht nur ums Geld. Themen wie Gender-Gerechtigkeit und die Enttabuisierung des Themas Menstruation spielen dabei eine mindestens ebenso wichtige Rolle. Am konsequentesten hat aber bislang nur Schottland die Forderung vieler Aktivistinnen und Frauenverbände umgesetzt.

An öffentlichen Orten wie Gemeinde­zentren, Jugendklubs und Apotheken sind dort seit Mitte August Tampons gratis erhältlich. Die französische Regierung ist gerade dabei, Automaten mit kostenlosen Periodenprodukten an Universitäten und in Wohnheimen des Studierendenwerks aufstellen zu lassen.

Karlsruhe hat ein Pilotprojekt am Start

In Deutschland tut man sich mit dem Thema ein bisschen schwerer. Nach langen Verhandlungen wurde 2019 die Mehrwertsteuer auf Hygieneprodukte von 19 auf sieben Prozent gesenkt, doch von einer Gratis-Verteilung ist nicht die Rede. Auch auf Landesebene ist nichts geplant. Beim Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration in Stuttgart verweist man auf vereinzelte, kommunale Projekte.

Ein solches gibt es zum Beispiel in Karlsruhe. Am dortigen Lessing-Gymnasium startet im kommenden Schuljahr ein Pilot. Von der Schulhausmeisterin werden in allen WC-Kabinen die von ihr beschafften kostenlosen Damenhygieneartikel platziert. Im nächsten Sommer soll dann geschaut werden, ob und wie das Angebot weitergeführt wird. Die Kosten von rund 500 Euro übernimmt das Schul- und Sportamt.

Ein paar Kommunen verteilen Tampons und Binden an Schulen

Auch an mehreren der 18 Kinder- und Jugendhäuser sind nach Angaben der Stadt kostenlose Damenartikel verfügbar. Nach überwiegend positiven Erfahrungen soll das nun auf sämtliche Jugendhäuser ausgeweitet werden.

In Heidelberg startet am 1. September das Pilotprojekt „perioHDe“ zur kostenlosen Bereitstellung von Menstruationsartikeln. Während dieser Pilotphase ist es auf vier Standorte begrenzt: das Rathaus, das Bürgeramt Mitte in Bergheim, die Geschwister-Scholl-Gemeinschaftsschule in Kirchheim und das Kulturhaus Karlstorbahnhof.

Frei verfügbare Periodenartikel in Bildungseinrichtungen sollten eine Selbstverständlichkeit sein.
Lukas Hartmann, Landauer Beigeordneter

„Frei verfügbare Periodenartikel in Bildungseinrichtungen sollten eine Selbstverständlichkeit sein, wenn man(n) sich fünf Minuten mit dem Thema beschäftigt“, findet der Landauer Beigeordnete Lukas Hartmann. Die Stadt stattet ihre weiterführenden Schulen und Einrichtungen der offenen Jugendarbeit mit kostenfreien Menstruationsprodukten aus.

Die Tampons und Binden seien besonders „für den Notfall“ gedacht, also wenn die Periode überraschend früher oder später einsetzt. Oft müssen Menstruierende sich dann mit unhygienischen Alternativen wie Toilettenpapier behelfen. Weil die Menstruation in vielen Teilen der Gesellschaft weiter ein Tabu-Thema ist, trauten sich gerade jüngere Menschen häufig nicht, nach Produkten zu fragen.

Mit der Frage nach dem geschätzten Aufwand für die kreiseigenen Einrichtungen hat die Kreisrätin der Linken, Jana Schwab, das Thema kürzlich auch für die Ortenau angestoßen. In Baden-Baden ist nach Angaben einer Sprecherin der Stadtverwaltung derzeit nichts geplant.

Anschub und Rückenwind fehlt ähnlichen Initiativen auch beispielsweise in Pforzheim. Die dortige Gleichstellungsbeauftragte ist zwar gleichzeitig auch im Landesverband der Gleichstellungsbeauftragen aktiv – ausweislich deren Website spielte das Thema dort aber bislang keine Rolle.

Periodenarmut trifft arme und wohnungslose Frauen

Lissi Hohnerlein findet das schade. Sie ist Leiterin eines Tagestreffs für Frauen in der Karlsruher Innenstadt. Zu ihr kommen Frauen, die auf der Straße leben und kein Geld für Perioden-Produkte oder auch Inkontinenz-Einlagen haben. „Wir behelfen uns mit Spenden, die wir bekommen“, sagt die Sozialpädagogin.

Sie begrüßt das schottische Modell sehr. Das würde nicht nur wohnungslosen, sondern auch armen Frauen zu Gute kommen. „Es wäre toll, wenn es wenigstens an allen Essensausgabestellen der Stadt noch ein kleines Tischchen mit Monatsprodukten gäbe. Leider fehlt das“, sagt sie. Nach Angaben der Hilfsorganisation Plan International ist „Period Poverty“, oder Periodenarmut, auch in Deutschland ein ernstzunehmendes Problem. Betroffen seien vornehmlich menstruierende Personen ohne festen Wohnsitz.

Wiederverwendbare Produkte wie zum Beispiel Menstruationstassen oder Periodenunterwäsche seien zwar auf Dauer günstiger. Doch insbesondere für Menschen ohne festen Wohnsitz seien sie keine Alternative, da oftmals die Möglichkeit fehlt, sich regelmäßig die Hände zu waschen und die Menstruationsprodukte zu reinigen.

Im Extremfall kostet die Periode in einem Frauenleben 20.000 Euro

Verschiedenen Berechnungen zufolge können die Kosten für Menstruationsprodukte, Schmerzmittel und Krankheitstage wegen Periodenschmerzen über die gesamte Lebensdauer einer Frau bis zu 20.000 Euro betragen.

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