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Fachtagung in Karlsruhe

Öko-Bilanzen zeigen: Auch die Kunst soll was fürs Klima tun

Kunst macht Freude, Kunst macht Arbeit - und Kunst macht Schmutz. Unter dem Motto „Green Culture“ will die Landesregierung die Klimabilanz von Kultureinrichtungen verbessern. Doch Studien zeigen: Das ist gar nicht so einfach.

Spezialisten für Kunsttransporte verpacken am 14.03.2016 in den Museen Böttcherstraße von Bremen das Gemälde "Mädchen im Birkenwald mit Katze, 1904" von Paula Modersohn-Becker. Insgesamt zwölf Modersohn-Werke werden für ihren Transport nach Paris nacheinander in weisse Klimakisten verpackt. Die Museen Böttcherstraße leihen die wertvollen Bilder zu einer ersten Retrospektive zu Paula Modersohn-Becker (07.04.-21.08.2016) in der französischen Hauptstadt aus. Foto: Ingo Wagner/dpa (Zu dpa-KORR "Kunsttransport von Bremen nach Paris" vom 15.03.2016) ++ +++ dpa-Bildfunk +++
Wertvolle Gemälde wie hier ein Werk von Paula Modersohn-Becker in den Bremer Museen Böttcherstraße werden als Leihgaben für Ausstellungen oft über weite Strecken verschickt. Foto: Ingo Wagner / dpa

Ein viel zitiertes Bonmot von Karl Valentin lautet: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit.“ Sie macht aber auch Schmutz. So wie alles, das produziert wird, hinterlässt Kunst einen ökologischen Fußabdruck.

Ein Aspekt, der lange nicht beachtet wurde, denn schließlich befasst sich Kunst mit dem Schönen, Guten, Wahren. Zumindest gibt sie sich gern diesen Ruf. Doch als die Einschränkungen der Corona-Pandemie die eingespielten Rituale des Betriebs lahmlegten, fiel plötzlich ins Auge, dass der florierende internationale Kulturaustausch ganz schön viele Flugmeilen angehäuft hatte.

Die Flugmeilen sind nicht das Hauptproblem

Dennoch sollte man nicht vorschnell schlussfolgern, dass um die Welt jettende Kuratoren, tourende Ensembles oder international verschickte Ausstellungs-Leihgaben hier den größten Emissionsfaktor bilden.

An der Staatsgalerie Stuttgart beispielsweise entstanden während einer Ausstellung zu Peter Paul Rubens, die von Oktober 2021 bis 2022 lief, insgesamt Emissionen, die 220 Tonnen CO2-Ausstoß entsprächen. Die konkrete Durchführung der Ausstellung selbst war daran aber mit nur knapp 33 Tonnen beteiligt, also etwa einem Siebtel.

Bekannt ist das, weil die Staatsgalerie diese Ausstellung als Grundlage für eine hauseigene Klimabilanz genutzt hat. Zu solchen Projekten sind Kultureinrichtungen von der Politik ausdrücklich angehalten. In Baden-Württemberg brachte Petra Olschowski, die seit September 2022 amtierende Kunstministerin, bereits zu ihrer Zeit als Kunststaatssekretärin die Initiative „Green Culture“ auf den Weg.

Das Ziel ist klar, der Weg kompliziert

Über das Ziel des Klimaschutzes dürfte Einigkeit herrschen. Dass der Weg dorthin kompliziert ist, zeigt die Auswertung der Stuttgarter Studie. Konstantin Lom, Beauftragter für Umweltmanagement an der Staatsgalerie, stellte sie bei einer regionalen Netzwerkveranstaltung zum Thema „Nachhaltigkeit trifft Kultur“ im Tollhaus Karlsruhe vor.

Ein Ergebnis der Untersuchung: Auf den größten Emissionsfaktor hat das Museum kaum Einfluss. Mehr als zwei Drittel, nämlich 68 Prozent, werden verursacht durch die Anreise der Besucher. Das ist kein Einzelfall: In Hamburg haben elf Museen und Ausstellungshäuser in einer gemeinsamen Initiative unter dem Motto „Elf zu Null“ ihre Klimabilanz untersucht. Das Ergebnis: Alle elf Häuser zusammen kamen im Referenzjahr 2019 auf knapp 40.000 Tonnen CO2-Ausstoß – mehr als 31.000 Tonnen davon entstanden durch „Besuchermobilität“.

Es kann nicht das Ziel einer Ausstellung sein, auf das Publikum zu verzichten.
Konstantin Lom, Staatsgalerie Stuttgart

Was tun? „Es kann nicht das Ziel einer Ausstellung sein, auf das Publikum zu verzichten“, sagt Konstantin Lom. Da dürfte kaum jemand widersprechen. Die Öko-Bilanz von Kultur ist also kaum abzutrennen von der Öko-Bilanz im Verkehr. Immerhin kann die Kultur hier versuchen, Anreize zu setzen. Schon seit etlichen Jahren gelten vielerorts Eintrittskarten zu Veranstaltungen auch als Ticket für den öffentlichen Nahverkehr.

Mitunter ist aber auch dies eine große Herausforderung. „Wir liegen an der Grenze von zwei Verkehrsverbünden“, sagt Jürgen Vogel, Gründer und Veranstalter des Festivals „Zucker, Wag und Häusel“ in Waghäusel. Bei der kommenden Ausgabe (17. bis 21. Mai) ist im Vorverkaufs-Ticket die ÖPNV-Anfahrt inbegriffen, was durch die Einbindung beider Verbünde entsprechende Kosten für den Veranstalter bedeute. „Wir machen das trotzdem, weil wir überzeugt sind, dass es notwendig ist“, sagt Vogel.

Festival sieht Nachhaltigkeit nicht nur in Öko-Bilanz

Vogel verweist auch auf weitere Aspekte der Nachhaltigkeit, etwa den Verzicht auf Einweg-Geschirr oder die Nutzung von selbst erzeugtem Solarstrom. Nachhaltigkeit geht für ihn aber über die reine Öko-Bilanz hinaus: „Wir organisieren dieses Festival, weil Kultur auch außerhalb der großen Städte stattfinden muss.“ Durch die Einbindung regionaler Vereine erreiche man auch Multiplikatoren in die Gesellschaft für die Nachhaltigkeits-Prinzipien des Festivals.

Ein Aspekt, den auch Petra Olschowski benennt. Im Vorwort des Leitfadens „Green Culture“, den das Ministerium im Juli 2022 veröffentlichte, schrieb sie: „Auch wenn die Kultur in der Regel nicht zu den großen CO2-Emittenten zählt, kann sie durch viele kleine richtige Entscheidungen und Maßnahmen Vorbild sein und vor allem dazu beitragen, ein nachhaltiges Leben als neue Normalität in der Gesellschaft zu verankern.“

Initiativen wie jene des Festivals dürfte sie wohl begrüßen, forderte sie doch von den staatlichen Kultureinrichtungen bis Sommer 2023 konkrete Umsetzungspläne.

Kompensation: Bei Initiativen

Eine Option ist die Zahlung von Kompensationsbeträgen, wie sie etwa im Flugverkehr schon länger üblich ist. Auch dies wurde in der Studie der Staatsgalerie Stuttgart berücksichtigt: Um alle Emissionen inklusive der Besucheranreise zu kompensieren, würden bei einem Aufforstungsprojekt wie PrimaKlima knapp 6.000 Euro anfallen, bei einem Projekt für den Ausbau erneuerbarer Energien wie atmosfair gut 5.000 Euro.

Noch sinnvoller wäre nach Ansicht mancher Kulturschaffender eine Kompensation direkt vor Ort. So verweist Volker Doberstein, künstlerischer Projektentwickler des Festivals „Enjoy Jazz“ Heidelberg/Mannheim/Ludwigshafen, auf einen alternativen Ansatz des Öko-Instituts Freiburg.

Dieser sieht vor, Kompensationszahlungen nicht in weit entfernte Projekte zu investieren, sondern in die Verbesserung der eigenen Klimabilanz – aber nicht als Querfinanzierung von ohnehin geplanten Projekten, sondern für Maßnahmen, die nachgewiesenermaßen erst durch diese Kompensationszahlung möglich werden.

Klimaschutz hilft auch dem Arbeitsklima

Klimaschutz innerhalb der Kulturstätte selbst wirke sich auch positiv aufs Arbeitsklima aus, sagt Britta Velhagen, Geschäftsführerin des Karlsruher Kulturzentrums Tollhaus: „Wer sich für Nachhaltigkeit engagiert, hat es leichter bei der Suche nach neuen Fachkräften, weil dieses Thema viele junge Menschen umtreibt.“ Das Tollhaus habe bereits 2010 beim Bau seines großen Saals das Dach mit Solarelementen bestückt. „Wir würden den hier erzeugten Strom gerne selber nutzen, leider erlaubt dies das Einspeisegesetz nicht“, bedauert Velhagen.

In jüngerer Zeit habe man im gesamten Haus die Beleuchtung von Halogen auf LED umgestellt und smarte Heizthermostate eingeführt. Nach einem großen „Wumms“ fürs Klima klingt das noch nicht. Aber können den einzelne Kräfte überhaupt leisten? Auch in Hamburg, wo sich „Elf zu Null“ als „bundesweit einzigartige Initiative“ rühmt, stehen Thermostate, LED-Beleuchtung und die Planung von Solarbedachung ganz oben auf der Liste der Lösungsansätze.

„Vielfältige Maßnahmen“ als Ziel

„Maßnahmen, die an einigen der kleinen Emissionsquellen ansetzen, wirken angesichts der globalen Dimension des Problems oft trivial“, kommentiert Ministerin Olschowski in ihrem Leitfaden-Vorwort die Situation. Doch gerade wegen der unüberschaubaren Vielzahl an Emissionsquellen könne der Klimawandel „nur durch vielfältige Maßnahmen zur Begrenzung dieser Emissionen gebremst werden“.

Bei Nachhaltigkeit gibt es keine Konkurrenz
Britta Velhagen, Tollhaus Karlsruhe

Um hierüber ins Gespräch zu kommen, hatten das Kulturbüro der Metropolregion Rhein-Neckar und die KulturRegion Karlsruhe diese Netzwerkveranstaltung konzipiert. Ein großer Aufschlag zu diesem Thema ist für den Sommer geplant: Am 28. und 29. Juni soll es bei der Bundesgartenschau in Mannheim ein „Denkfest“ zur Nachhaltigkeit in Kunst und Kultur geben.

Den Sinn solcher Veranstaltungen fasst Britta Velhagen so zusammen: „Bei Nachhaltigkeit gibt es keine Konkurrenz. Man nimmt sich beim Austausch nichts weg, sondern es ist immer eine Bereicherung für alle.“

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