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Erfolgreiches Marketing

Wie die Pfalz den Wein von der Massenware zum Lifestyle-Produkt ausgebaut hat

Die Zeiten, in denen Pfälzer Wein für wenig Geld in grünen Literflaschen verkauft wurde, sind lange vorbei. Inzwischen werden schicke Bouteillen mit Designer-Etiketten international erfolgreich vermarktet.

Wein als Lifestyle: Die Pfälzer Winzer setzen in der Vermarktung voll und ganz auf das Thema Lifestyle und Lebensart. Im Bild die Weinbar Dietrich in Frankenthal.
Wein als Lifestyle: Die Pfälzer Winzer setzen in der Vermarktung voll und ganz auf das Thema Lifestyle und Lebensart. Im Bild die Weinbar Dietrich in Frankenthal. Foto: Robert Kwiatek

Pumps oder Gummistiefel? Wenn Tina Pfaffmann sich ein für alle Mal entscheiden müsste, hätte sie ein Problem. „Ich bin beides“, sagt die Winzerin aus dem südpfälzischen Frankweiler bei Landau. Auf Glamour-Events in München, Hamburg oder Sylt fühlt sich die Promi-Queen unter den Pfälzer Weinbauern genauso wohl wie in den matschgefüllten Spurrillen ihrer Weinberge.

Tina Pfaffmann könnte symbolhaft für das neue Image des Pfälzer Weins stehen. Bodenständig in der Machart mit Freude am großen Auftritt. Die Zeiten, in denen der Rebensaft aus Deutschlands zweitgrößtem Weinanbaugebiet in dicken grünen Ein-Liter-Flaschen über die Theken muffiger Probierstuben ging, sind vorbei.

Tina Pfaffmann in ihrer Vinothek
Tina Pfaffmann in ihrer Vinothek Foto: Christian Bullinger

Pfälzer Wein hat inzwischen Glamour-Faktor. Sortenreine Weine und Cuvées kommen heute in edlen Bouteillen mit künstlerisch gestalteten Etiketten daher. Verkostet wird der Wein in stylishen Vinotheken, die von Architekten geplant und mit Hilfe von namhaften Designern ausgestattet wurden.

Vinotheken vom Architekten und Designer

Auch Tina Pfaffmann lädt zum Verkosten nicht in irgendeinen Keller. 2018 ließ sie sich ihre eigene Vinothek bauen. Durch die offene Glasfront haben die Gäste nun einen großartigen Blick auf die Reben ringsum. Über der Probiertheke und den Tischen mit teuren Sitzmöbeln pendeln extravagante Designerleuchten.

Das Markenzeichen der Tina-Pfaffmann-Weine – ein T in einem Kreis – prangt golden an der schwarz gestrichenen Rückwand. Das Produktionsgebäude des Weinbaubetriebs liegt gleich nebenan, aber auch wenn draußen der Traktor vorbeirollt, wähnt sich der Gast doch wie in der mondänen Weinbar einer angesagten Großstadt.

Wein ist Trend.
Tina Pfaffmann, Winzerin

Der Mix aus Landluft und Lifestyle kommt bei den Gästen gut an. „Wein ist Trend“, sagt Tina Pfaffmann. Die Erfolgswinzerin reitet die Welle gekonnt. Durch gewinnbringende Partnerschaften mit Promi-Köchin Cornelia Poletto zum Beispiel und eine klare Fokussierung auf das, was sie kann und was die Kundschaft möchte: Weißweine und Rosé.

Für besondere Kreationen beschallt sie den Weintank schon mal oder malt einen roten Lippenstiftmund darauf. Auch bei der Namenswahl hat sie mit „schick und schön“ oder „Herzglück Riesling“ ganz klar eine bestimmte Klientel im Blick.

Der Bio-Winzer lädt zur Verkostung in einen schicken Lehmbau

Ein paar Kilometer von Tina Pfaffmann entfernt hat sich Heiner Sauter vom gleichnamigen Weingut in Landau-Nußdorf ebenfalls eine neue Vinothek gebaut. Mit Glamour hat er nichts am Hut. Im Gegenteil: Der Chef des Hauses ist zutiefst naturverbunden und war einer der ersten Pfälzer Winzer, die auf biologischen Weinanbau gesetzt haben.

Das sollte auch seine Vinothek zum Ausdruck bringen. Für das Gebäude, von dessen Terrasse es zu Bio-Wein und Tapas einen imposanten Blick auf die Rheinebene gibt, wurden vorrangig natürliche Baumaterialien wie Holz und Lehm verwendet.

„Individualität und Wiedererkennung haben im Weinanbau der neuen Pfälzer Winzergeneration absolute Priorität“, sagt Uwe Ittensohn. Der ehemaliger Banker lebt heute vom Bücherschreiben. Der Vinotheken-Kultur entlang der Pfälzer Weinstraße hat er jüngst ein ganzes Buch gewidmet.

Warum? „Die Entwicklung von einem konturlosen Weinproduktionsgebiet, in dem es eher um Masse ging, hin zu einem Weinrevier, das nun in den oberen Rängen der populären in- und ausländischen Weinbauregionen mitspielt, finde ich faszinierend“, sagt er. Ittensohn erkennt darin den neuen Pfälzer Zeitgeist, der auch international viel Beachtung findet.

Neidvolle Blicke aus Baden

Im benachbarten Baden blickt man mitunter noch etwas neidvoll auf die vor allem am Wochenende proppenvollen Parkplätze vor den Vinotheken auf der anderen Rheinseite. „Bei uns kommt das auch langsam ins Rollen“, sagt Claus Burrmeister. Er ist als Winzer beim Traditionsweingut Heitlinger und der Burg Ravensburg im Kraichgau tätig.

Mit den „Heitlinger Genusswelten“ ist im Örtchen Tiefenbach bei Östringen ebenfalls der Versuch unternommen worden, einen Anziehungspunkt für Weinliebhaber zu schaffen. Dafür mussten ein Golfplatz angelegt und ein Hotel mit zwei Restaurants gebaut werden.

In der Pfalz gibt es viele Orte, die nur vom Wein leben.
Claus Burrmeister, Winzer

Die Pfalz und Baden seien nicht wirklich vergleichbar, meint Burrmeister. „In der Pfalz gibt es viele Orte, die nur vom Wein leben. Ganze Gegenden sind vom Weinbau geprägt. Bei uns sind die Weinorte kleiner und liegen viel weiter auseinander.“ Das kann keine Massen anziehen.

Die Konkurrenz der Selbstvermarkter belebt das Geschäft

Die Wandlung des Pfälzer Weins in Richtung Lifestyle hat für Joseph Greilinger, den Geschäftsführer für Marketing und Kommunikation beim Verein Pfalz Wein, auch damit zu tun, dass die Pfälzer Weinbauern sich zum größten Teil selbst vermarkten. „Baden ist sehr stark von Genossenschaften geprägt“, sagt er. In der Pfalz, wo die Betriebe teilweise dicht an dicht lägen, sei eine ganz andere Dynamik bei der Vermarktung entstanden.

Den Generationenwechsel und den starken Wettbewerb sieht er als Hauptmotoren für die Veränderung, die links des Rheins vor gut 20 Jahren begann. Die Voraussetzungen waren von jeher günstig. „Die Pfalz profitiert von ihrem guten Ruf als gastfreundliche Region mit einer rustikalen und ehrlichen Küche“, sagt Greilinger. Die Generation der jungen Winzer verstünde es nun, darauf immer noch einen draufzusetzen.

Uwe Ittensohn
Pfalzkenner Uwe Ittensohn Foto: PicturePeople

Die Pfalz ist cool geworden. Sommeliers sind die Stars, die die Szene rocken. Aber es geht nicht nur um Marketing allein. Auch die Qualität und die Preise spielen im Vergleich Baden/Pfalz eine wichtige Rolle. „Für die jungen Pfälzer Winzer hat Qualität inzwischen Vorrang vor Quantität“, meint Buchautor Uwe Ittensohn.

„Wo man einst möglichst viel Ertrag pro Flasche herausholen wollte, ist es heute genau umgekehrt.“ Für Tina Pfaffmann machen aber auch die Preise die Musik. In der Pfalz seien gute Weine auch noch gut bezahlbar.

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