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Meinung

von Daniel Streib

Verlässt ukrainischer Botschafter Deutschland?

Abzug von Andrij Melnyk wäre gut für alle Beteiligten

Der streitbare ukrainische Botschafter Andriij Melnyk soll von der ukrainischen Regierung aus Deutschland abgezogen werden. Das wäre gut für alle Beteiligten.

Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hatte der Bundesregierung in den vergangenen Monaten immer wieder zu große Zurückhaltung bei der Lieferung von Waffen vorgeworfen.
Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk hatte der Bundesregierung in den vergangenen Monaten immer wieder zu große Zurückhaltung bei der Lieferung von Waffen vorgeworfen. Foto: Soeren Stache/dpa

Er ist mit Abstand der bekannteste Botschafter in Deutschland, aber auch der umstrittenste. Andrij Melnyk, seit 2015 ukrainischer Top-Diplomat in Berlin, wird Medienberichten zufolge voraussichtlich im Herbst nach Kiew zurückbeordert. Im politischen Berlin dürfte die Personalie mit Begeisterung aufgenommen werden.

Denn das Verhältnis zwischen Melnyk und einer stattlichen Reihe deutscher Spitzenpolitiker ist zerrüttet. Vorneweg das Verhältnis zu Bundeskanzler Olaf Scholz, den der Un-Diplomat eine „beleidigte Leberwurst“ nannte, weil Scholz die Ausladung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier durch die Ukraine als Grund angeführt hatte, selbst nicht nach Kiew zu reisen.

Der „Leberwurst-Eklat“ zeigt allerdings auch die Qualitäten Melnyks, der es virtuos verstand, seinen Anliegen größtmögliche Öffentlichkeit zu verschaffen.

Die Leberwurst-Äußerung, die sogar in der New York Times ein Thema war, sorgte wochenlang für Schlagzeilen, weil Melnyk zum Leidwesen des Kanzlers die Sache geschickt am Köcheln hielt, etwa mit seinem sogenannten Leberwurst-Gipfel mit einem Südpfälzer Metzger.

Andrij Melnyk legte Finger in die Wunde der deutschen Ukraine-Politik

Auch bei relevanteren Themen legte Melnyk öffentlichkeitswirksam den Finger in die Wunde der deutschen Ukraine-Politik, besonders beim Dauerstreit um die Waffenlieferungen.

Dass er sich dabei wiederholt zu Aussagen hinreißen ließ, die auch unter Nicht-Diplomaten als grenzwertig gelten, machte ihn zunehmend zum Problemfall. Schon nach dem Wirbel um die Leberwurst-Äußerung musste er seinem irritierten Dienstherrn, Außenminister Dmytro Kuleba, Bericht erstatten.

Auch jüngst sah die ukrainische Regierung Anlass, sich von ihrem Vertreter in Berlin zu distanzieren. Der hatte in einem Online-Format seine krude Verehrung für den Partisanenführer Stepan Bandera verteidigt und bestritten, dass der Nazikollaborateur Tausende Juden und Polen ermorden ließ.

Die unnötige Äußerung hatte verständlicherweise nicht nur in Berlin, sondern auch in Polen für Verärgerung gesorgt, also in jenem Nachbarland, das der Ukraine im Kampf gegen den Aggressor aus Russland besonders engagiert beisteht. Dass diese politische Dummheit Melnyks der letzte Tropfen für seine Abberufung war, ist gut möglich.

Den diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und der Ukraine würde der Schritt guttun. Dass man den streitbaren Diplomaten in Kiew dennoch hoch schätzt, zeigt die wohl künftige Aufgabe des 46-jährigen Juristen: Er soll stellvertretender Außenminister werden. Auch in dieser Funktion dürfte Melnyk unbequem bleiben.

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