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Tödlicher „Wunderbaustoff“

IG Bau: Asbestgefahr in Wohngebäuden stark unterschätzt

Der Klimaschutz erfordert in den nächsten 20 Jahren eine umfangreiche Sanierung von bis zu neun Millionen älteren Wohnhäusern in Deutschland. In vielen stecken krebserregende Fasern.

Asbest findet sich noch in vielen alten Hausdächern.
Asbest war als Baustoff lange beliebt. Daher findet sich der Stoff auch noch in und an vielen Immobilien. Foto: Florian Schuh /dpa

Die tödliche Gefahr der Asbestfasern, die in Millionen Wohngebäuden in Deutschland verbaut sind, wird aus der Sicht der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG Bau) stark unterschätzt.

Auf einer Pressekonferenz in Berlin warnte sie vor einer möglichen Zunahme an Krebserkrankungen, die mit dem energetischen Umbau zahlreicher älterer Häuser und Wohnungen einhergehen könnte. Die Gewerkschaft fordert deswegen eine finanzielle Förderung von teuren Sicherheits- und Schutzmaßnahmen bei Asbest-Sanierungen durch den Staat – eine Art „Abwrackprämie“ im Bau.

„Asbest ist als Baustoff ein geiles Zeug mit guter Bindewirkung. Aber es ist lebensgefährlich“: So formulierte der für den Arbeitsschutz zuständige Vorstand der IG Bau, Carsten Burckhardt, das frühere Dilemma seiner Branche, die bis zum gesetzlichen Verbot der Herstellung und Verwendung von Asbestprodukten in Deutschland 1993 das beliebte „Mineral der tausend Möglichkeiten“ intensiv verbaut hat.

Tückische Gefahr von Asbest zeigt sich Jahrzehnte später

Der Naturstoff Asbest ist für Menschen extrem gefährlich wegen der winzigen Fasern, die sich in der Lunge festsetzen, wenn durch Arbeit Staub freigesetzt wird. Betroffene erkranken oft erst 30 bis 50 Jahre später an der sogenannten Asbestose, an Lungenkrebs oder Eierstockkrebs.

Jährlich sterben in Deutschland im Schnitt 1 .500 Menschen an Asbest-Leiden, die bei Berufskrankheiten die häufigste Todesursache sind. Spezielle Masken, Anzüge, Luftreiniger und Sauger bieten effizienten Schutz vor dieser Gefahr.

Das Bewusstsein dafür sei jedoch bei vielen Hobby-Handwerkern und auch Profis zu wenig ausgeprägt, warnt die IG Bau. Dies könnte angesichts der anstehenden „Sanierungsjahrzehnte“ fatale Folgen haben: Wenn aus bestehenden Gebäuden neuer Wohnraum entstehe, wenn Häuser modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut werden, drohe eine „Asbest-Welle“.

Laut der „Situationsanalyse Asbest“, die die Bau-Gewerkschaft beim Pestel-Institut in Auftrag gegeben hat, kamen Asbest-Baustoffe in Deutschland zwischen 1950 und 1989 oft zum Einsatz. In jener Zeit sind gut 9,4 Millionen Wohnhäuser neu entstanden, das ist mehr als die Hälfte aller Wohngebäude. Fachleute gehen davon aus, dass jedes dieser neu gebauten oder modernisierten Gebäude Asbest enthält.

Asbest früher fast überall im Bau verwendet

„Bis 1993 wurde es beispielsweise im Fliesenkleber, in der Spachtelmasse, im Estrich, Putz, Fensterkitt und in den Eternit-Dachplatten verwendet“, zählte Michael Kirsch auf, Vize-Hauptgeschäftsführer der Berufsgenossenschaft Bau. Nach seinen Worten entsteht daraus heute keine unmittelbare Gesundheitsgefahr. Wenn aber umgebaut werde, könnte Asbeststaub aufgewirbelt werden, der noch bis zu 24 Stunden im Schwebezustand bleibe und eingeatmet werden könne.

Die „Situationsanalyse“ sieht insbesondere ältere Mehrfamilienhäuser als belastet, weil dort in den Aufzugs- und Versorgungsschächten viel Spritzasbest verarbeitet wurde. Bundesweit gibt es mehr als 135.000 solcher Gebäude aus den Jahren 1950 bis 1989. Etwa jedes zehnte davon steht in Baden-Württemberg. Insgesamt gibt es im Südwesten noch 1,34 Millionen „Risikohäuser“ aus den vier Jahrzehnten.

Menschen, die den Wohnraum für zukünftige Generationen schaffen, dürfen nicht auf den Kosten sitzen bleiben.
Carsten Burckhardt
Bundesvorstand der IG Bau

Die IG Bau ruft angesichts der anstehenden Sanierungswelle zu einer nationalen Asbest-Informationskampagne auf. Sie schlägt vor, dass Handwerkermärkte für ihre Kunden entsprechende Sicherheitskurse anbieten. Die Gewerkschaft fordert außerdem von der Politik, eine „Abwrack-Prämie“ für Asbest-Häuser einzuführen, um „Dumping-Sanierungen“ unter Umgehung des Arbeitsschutzes und einer ordentlichen Entsorgung zu vermeiden.

Die Prämie solle von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) finanziert und sich am Umfang der Arbeiten orientieren. Nach den Vorstellungen von Carsten Burckhardt sollten Familien für Asbest-Sanierungen künftig gar nichts zahlen müssen. „Menschen, die den Wohnraum für zukünftige Generationen schaffen, dürfen nicht auf den Kosten sitzen bleiben“, erklärte der IG-Bau-Vertreter.

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