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Moldaus Präsidentin

Moldaus Staatschefin Maia Sandu: „Hochseiltänzerin“ mit großen Visionen

Die prowestliche Präsidentin treibt die EU-Annäherung trotz der russischen Truppenpräsenz im separatistischen Gebiet Transnistrien an. Dabei muss sie sich gegen Deepfakes und Umsturzversuche wehren.

Präsidentin Moldaus, Maia Sandu.
Die Präsidentin Moldaus, Maia Sandu, möchte ihr Land in die Europäische Union führen. Der Widerstand Russlands dagegen, das eigene Truppen im separatistischen Gebiet Transnistrien hält, ist sehr groß. Foto: Michal Cizek / AFP

Im ärmsten Land Europas, wo der mittlere Monatslohn 200 Euro beträgt, sind Einkommen von Amtsträgern ein sensibles Thema. Als die Präsidentin Moldaus, Maia Sandu, Ende 2023 in Rumänien den mit 30.000 Euro dotierten „Preis für Europäische Werte“ erhielt, fragten manche in ihrem Heimatland verärgert: Ist das denn erlaubt?

Lange wurde in Moldau über die Vorwürfe gegen die Staatschefin diskutiert, bis das Antikorruptionskomitee bekannt gab: Das Gesetz erlaube die Annahme des Preisgeldes. Doch die 49-jährige Sandu ist erfahren genug, um die Brisanz der Spekulationen um ihre Integrität nicht zu unterschätzen. Selbstverständlich werde sie das Geld spenden, gab die Politikerin bekannt, die Medien zufolge mit Billigfluglinien reist und an Bord Sandwiches für drei Dollar bestellt, bloß um nicht elitär und verwöhnt zu wirken.

Russische Truppen stehen unweit von Chisinau

Das Jahr 2024 dürfte für Sandu spannend und schwierig werden. Unter ihrer Führung strebt das kleine Land zwischen der Ukraine und Rumänien gen Westen, raus aus der Einflusszone Russlands, das in einem Teil Moldaus – der abtrünnigen Separatistenrepublik Transnistrien – große Munitionsvorräte lagert und seit Jahrzehnten eigene Truppen stationiert hält.

Die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen mit der EU stärkt das Ansehen der russlandkritischen Präsidentin, die im Herbst zur Wiederwahl antritt. „Wir spüren die warme Umarmung Europas“, freute sich Sandu im sozialen Netzwerk X beim Startschuss zum Beitrittsmarathon im Dezember. Der prowestliche Kurs, den in Moldau viele unterstützen, wird ein starkes Argument im Wahlkampf sein und Sandu helfen, den prorussischen Ex-Präsidenten (und möglichen Mitbewerber) Igor Dodon auf Abstand zu halten.

Die Präsidentin schrieb auch: „Wir sind entschlossen zu all der harten Arbeit, die nötig ist, um EU-Mitglied zu werden.“ In dem Punkt dürften viele der 2,6 Millionen Moldauer skeptisch sein. Ihr Land hat noch einen weiten Weg bis zur Aufnahme zu gehen, zu den größten Problemen zählen Korruption und Vetternwirtschaft. Sandu hat im Kampf dagegen nicht viele Erfolge vorzuweisen.

Der außenpolitische Kampf gegen Russland fordert der früheren Mitarbeiterin der Weltbank und Absolventin der US-Eliteuni Harvard viel Zeit und Kraft ab. Als Ministerpräsidentin (seit 2019) und Staatsoberhaupt (seit 2020) hat sich Sandu energisch gegen Moskaus Einfluss auf den politischen Kurs ihres Landes gestemmt. Dazu gehören regelmäßige Drohungen aus dem Kreml.

Gefälschtes Video stellt Präsidentin bloß

Sie hat das russische Botschaftspersonal in der Hauptstadt Chisinau halbiert. Im Herbst 2023 stellte sie die angeblichen Pläne der russischen Wagner-Söldner bloß, die einen Staatsstreich in Moldau vorbereitet haben. Daraufhin erschien ein gegen sie gerichtetes „Deepfake“, ein mit Künstlicher Intelligenz erzeugtes Falschvideo, in dem sich Sandu scheinbar über den niedrigen Lebensstandard ihrer Landsleute lustig macht.

Maia Sandu muss vorsichtig sein, wenn sie solche Angriffe kontert: Wenn sie Russlands Führung in die Schranken weist, gilt es mit Blick auf die bewaffneten, prorussischen Separatisten in Transnistrien, den Kreml nicht zu sehr zu provozieren. Die Zeitschrift Politico nannte die unverheiratete Politikerin deswegen eine „Seiltänzerin“.

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