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Corona und Landtagswahl

Umstrittene Unterstützer-Listen: Kleine Parteien verklagen das Land Baden-Württemberg

Kandidaten von nicht im Landtag vertretenen Parteien brauchen 150 Unterstützer. In Zeiten der Pandemie ist es jedoch nicht leicht, Unterschriften zu sammeln. Verhindern die Corona-Abstandsregeln eine demokratische Wahl?

Jagd nach Unterschriften: Wer zur Landtagswahl antreten will, braucht 150 Unterstützer. So viele Unterschriften zusammen zu bekommen, ist in Corona-Zeiten nicht einfach.
Jagd nach Unterschriften: Wer zur Landtagswahl antreten will, braucht 150 Unterstützer. So viele Unterschriften zusammen zu bekommen, ist in Corona-Zeiten nicht einfach. Foto: Rolf Zöllner/Imago

Corona und die restriktiven Wahlgesetze des Landes machen es für kleine Parteien unmöglich, zur Landtagswahl im März anzutreten. Das jedenfalls beklagen die Parteien Die Linke, Die Partei, ÖDP, die Freie-Wähler-Partei und die Piraten. Sie wollen deshalb jetzt vor dem Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg Klage erheben. Mit Mundschutz und Abstandsgebot sei es schwierig, Unterschriften zu sammeln.

Kleine Parteien brauchen mindestens 150 Unterschriften

Doch die Kandidaten der kleinen, bislang nicht im Landtag vertretenen Parteien, müssen die Unterschriften von mindestens 150 wahlberechtigten Bewohnern ihres Wahlkreises vorlegen. Andernfalls, so sieht es das Wahlrecht derzeit vor, ist ihre Bewerbung nicht ernst zu nehmen.

Mit dieser Hürde will sich das Land vor sogenannten Spaßkandidaten schützen, die die Demokratie nicht ernst nehmen und den Wahlkampf als Bühne nutzen.

Für 10.000 Unterschriften bräuchten wir ja 10.000 sterile Kugelschreiber
Jörg Lesser, Die Partei Karlsruhe

„Wie soll das gehen? Früher haben wir an Haustüren geklingelt. Aus Angst vor Corona macht doch heute keiner mehr auf”, sagt Jörg Lesser, Vorstandsmitglied von „Die Partei” in Karlsruhe. „Bei 70 Wahlkreisen brauchen wir insgesamt über 10.000 Unterschriften. Gemäß der Hygieneverordnung bräuchten Sie dann ja auch über 10.000 sterile Kugelschreiber.”

Landesinnenminister will trotz Corona an der Regelung festhalten

Die Linke, als Größte der Kleinen, hat sich in einem Brief an Landesinnenminister Thomas Strobl gewandt und um einen Gesprächstermin gebeten. Den hat sie aber nicht bekommen, stattdessen ein ernüchterndes Antwortschreiben.

„Als wichtiges Instrument, um die Ernsthaftigkeit eines Wahlvorschlages sicherzustellen, ist das Unterstützungsquorum verfassungsrechtlich gerechtfertigt”, schreibt Strobl. Die Hürde sei mit den Regelungen in anderen Bundesländern durchaus vergleichbar.

Zum Corona-Argument sagt der Minister, die Parteien hätten bis zum 14. Januar des kommenden Jahres noch genügend Zeit, ihre Wahlvorschläge samt Unterstützer-Listen einzureichen. Jörg Lesser widerspricht: „Unterschriften werden naturgemäß in der warmen Jahreszeit gesammelt, am Rande von Großveranstaltungen oder an Infoständen in der Innenstadt.”

Können die Parteien an Info-Ständen die Corona-Regeln überhaupt einhalten?

Doch Veranstaltungen finden derzeit kaum statt und werden deutlich schwächer besucht als sonst. In Nordrhein-Westfalen, so betont Bernd Barutta, Sprecher der Landespartei Freie Wähler, habe man die geforderte Anzahl von Unterschriften angesichts der Corona-Krise kurzfristig um 40 Prozent reduziert.

Info-Stände von Parteien würde das Karlsruher Ordnungsamt derzeit zwar genehmigen. „Aber wir weisen natürlich auf die Einhaltung der jeweils gültigen Corona-Verordnung hin”, erklärt das Amt auf Anfrage. Deren Einhaltung, so Lesser, sei aber praktisch nicht zu gewährleisten.

„Das hat man im Landesparlament in Stuttgart aber offenbar noch nicht wahrgenommen”, sagt Bernd Barutta. Lange habe man die Hoffnung gehabt, dass auch das Stuttgarter Parlament die Initiative ergreift. Jetzt aber wolle man sich der Klage der anderen kleinen Parteien anschließen.

Klage soll Entscheidung beschleunigen

Ute Leidig (Grüne), Karlsruher Abgeordnete und Mitglied des Innenausschusses, bestätigt, dass sich der Innenausschuss des Landtags in seiner jüngsten Sitzung kurz mit der Problematik befasst habe.

„Wir wollen nicht, dass jemand benachteiligt wird und stehen der Sache deshalb offen gegenüber.” Man sei bislang aber noch nicht dazu gekommen, tiefer in die Thematik einzusteigen.

Doch laut Lesser drängt inzwischen die Zeit: „Viele unserer Aktivisten gehören Risikogruppen an und müssen schon aus Eigeninteresse den Kontakt zu Fremden einschränken. Wie sollen wir es da schaffen, die Unterschriften zusammen zu bekommen? Und spätestens im Herbst müssten wir die Leute ja auf Veranstaltungen in Innenräumen ansprechen. Das wird noch schwieriger.”

Mit der Klage vor dem Verfassungsgerichtshof des Landes will man die Sache jetzt beschleunigen. „Ich denke, dass die Klageschrift bis Ende August fertig ist. Und dann kann alles ganz schnell gehen. Wir werden ein Eilverfahren beantragen”, so Lesser.

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