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Ausgliederung: Ja oder nein

Der KSC vor einer Gretchenfrage der Fußball-Moderne

An diesem Samstag ab 11 Uhr haben die Mitglieder des Karlsruher SC eine wegweisende Entscheidung zu treffen. Stimmen Sie bei der außerordentlichen Hauptversammlung im Wildparkstadion für die Ausgliederung des Profispielbetriebs in eine Kapitalgesellschaft – oder versagt der Souverän der Empfehlung des Präsidiums mit der erforderlichen Dreiviertelmehrheit die Annahme?

KSC-Empfang
KSC-Empfang Foto: Jörg Donecker

Am kommenden Samstag ab 11 Uhr haben die Mitglieder des Karlsruher SC eine wegweisende Entscheidung zu treffen. Stimmen sie bei der außerordentlichen Hauptversammlung im Wildparkstadion für die Ausgliederung des Profispielbetriebs in eine Kapitalgesellschaft – oder versagt der Souverän der Empfehlung des Präsidiums die erforderliche Dreiviertelmehrheit und damit die Annahme? Wie an allen traditionellen Fußball-Standorten, wo der Profispielbetrieb aus der Vereinsstruktur in eine Kapitalgesellschaft überführt werden soll, wird der angestrebte Prozess auch in der organisierten Fanszene des KSC mit einer Mischung aus Neugierde, Sorge und Argwohn begleitet.

Eine offene Opposition gegen die Pläne zur Ausgliederung gibt es nicht. Marco Fuchs, der Vorsitzende des Fan-Dachverbandes, saß im 25-köpfigen Ausgliederungsausschuss. Die „Supporters“ werden ihren Mitgliedern keine Wahlempfehlung mit an die Hand geben. Fakt ist: Immer mehr Profivereine haben hierzulande ausgegliedert. Nur noch 14 der 36 Vereine aus der Ersten und Zweiten Liga firmieren als eingetragene Vereine. Der SC Freiburg und Schalke 04, prominente Beispiele im e.V.-Gewand, sind mit dem KSC nicht zu vergleichen. Unser Redaktionsmitglied René Dankert sammelte Fragen und Antworten zur Ausgliederung.

Was ist das überhaupt, eine Ausgliederung?

Im Fall des KSC ist es der Vorgang, bei dem dessen wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb mit den dazugehörigen Vermögensgegenständen, Schulden und Vertragsverhältnissen auf eine neu zu gründende Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) übertragen wird. Der eingetragene Verein bleibt dabei erhalten. In die neue Gesellschaft transferiert wird die Lizenzspielermannschaft und die U17 bis U19 sowie alle zu diesen Mannschaften gehörenden Bereiche. Laut KSC ist auch dessen Fußballschule sowie die KSC Wildpark Kids Bestandteil des Vorgangs. Im „Gegenzug“ soll der KSC e.V. die Anteile an der KGaA erhalten.

Welche Rechtsformen sind im deutschen Fußball erlaubt?

Nach den Lizenzierungsordnungen können in der Bundesliga, der Zweiten Liga und der Dritten Liga nur ein eingetragener Verein (e.V.) und Kapitalgesellschaften (AG, GmbH und GmbH & Co. KGaA) teilnehmen.

Welche Rechtsform sieht die Empfehlung des dafür eingerichteten KSC-Ausschusses vor?

Dieser 25-köpfige Ausschuss kam nach einem längeren Prüfverfahren einstimmig zu dem erwartbaren Ergebnis, dass eine GmbH & Co. KGaA die für den KSC einzig passende Rechtsform nach einer Ausgliederung wäre.

Was ist eine GmbH & Co. KGaA?

Eine Kapitalgesellschaft, an der sich Kommanditaktionäre beteiligen können, indem sie Aktien erwerben und bei der eine Komplementärin, die Management GmbH, persönlich haftet.

Wer ist Gesellschafter der Management GmbH?

100 Prozent der Gesellschaftsanteile besitzt der KSC e.V.

Wer führt die Geschäfte der GmbH & Co. KGaA?

Das Tagesgeschäft wird von den hauptamtlichen Geschäftsführern der KSC Management GmbH geführt. Geplant ist eine Person für den sportlichen und eine für den kaufmännischen Bereich.

Wer berät und überwacht die Geschäftsführung?

Der Beirat der KSC Management GmbH ist hierfür vorgsehen, der unter anderem die Geschäftsführer bestellt und abberuft. Der KSC als Verein entsendet mit den drei Präsidiumsmitgliedern – der Präsident des e.V. ist gleichzeitig Vorsitzender des Beirats – sowie dem Vorsitzenden des Verwaltungsrats und dessen Stellvertreter fünf Personen in den Beirat. Jeder Kommanditaktionär mit einer Beteiligung von mindestens 25 Prozent an der KGaA darf eine Person entsenden. Damit kann der Beirat aus bis zu neun Personen bestehen.

Welche Rolle hat der Aufsichtsrat der KSC GmbH & CO. KGaA?

Er überwacht die Tätigkeit der KSC Management GmbH. Ihm steht ein entsprechendes Informationsrecht zu, er kann aber nicht ins operative Geschäft der KSC Management GmbH eingreifen.

Wie setzt sich dieser Aufsichtsrat zusammen?

Er besteht aus neun Personen. Drei davon werden vom Verein entsandt, wobei einer immer ein Fanvertreter ist. Die anderen sechs Personen werden von der Hauptversammlung der KGaA gewählt. Der erste Aufsichtsrat der Gesellschaft wird im Rahmen der außerordentlichen Mitgliederversammlung als Block im Rahmen der Beschlussfassung mitgewählt. Die Amtszeit dauert bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung im Oktober 2019.

Welche Personen würden im ersten Aufsichtsrat sitzen?

Vom Verein entsandt werden Marco Fuchs als Fanvertreter (Vorstand der Supporters Karlsruhe 1985 e.V.), Wolfgang Grenke (Präsident der Industrie- und Handelskammer Karlsruhe) und Christiane Riedel (Geschäftsführender Vorstand ZKM). Darüber hinaus sind jeweils zwei Vertreter der Gremien Vereinsrat, Ehrenrat sowie Wahlausschuss vorgesehen.

Kann der Verein von einem „Großaktionär“ ferngesteuert werden?

Dieses Szenario verneint KSC-Präsident Ingo Wellenreuther. Die operative Geschäftsführung liege allein in der Hand der KSC Management GmbH. Das dort maßgebliche Gremium sei der Beirat, der insbesondere die Geschäftsführer bestellt und abberuft. In diesem Beirat können zwar auch Vertreter von Investoren sitzen, für eine Beschlussfassung des Beirats sei aber stets eine einfache Stimmenmehrheit der vom Verein entsandten Beiratsmitglieder erforderlich, sagt Wellenreuther.

Kann der Verein im Beirat überstimmt werden?

Nein. Für eine Beschlussfassung des Beirats ist eine einfache Mehrheit der Stimmen der vom Verein entsandten Beiratsmitglieder erforderlich, aber auch ausreichend. Damit ist gewährleistet, dass das Letztentscheidungsrecht stets bei den vom Verein entsandten Mitgliedern bleibt.

Haben die Mitglieder Einfluss darauf, wer „Großaktionär“ der KGaA wird?

Dies sei jederzeit der Fall, so Geschäftsführer Michael Becker. Die Mitgliederversammlung des e.V. müsse mit einfacher Mehrheit jeder Maßnahme zustimmen, die dazu führen würde, dass Dritte mehr als 25 Prozent der Anteile an der KGaA hielten und damit einen Vertreter in den Beirat der Management GmbH entsenden darf; bei mindestens 50 Prozent der Anteile ist sogar eine Mehrheit von zwei Dritteln notwendig.

Warum forciert der KSC die Ausgliederung rückwirkend zum 31. Dezember 2018?

Aus steuerlichen Gründen. Dies erspare dem KSC Steuern in mittlerer sechsstelliger Höhe, sagt Geschäftsführer Becker. Es handele sich um einen Einmaleffekt.

Welche zeitnahen Formalien hätte der KSC nach einer Zustimmung der Mitglieder anzugehen?

Die KGaA und die GmbH müssen gegründet und die Geschäftsführer bestellt werden. Alles muss dann noch ins Handelsregister eingetragen werden.

Behalten die Mitglieder nach einer Ausgliederung ihre Rechte?

Laut Becker seien deren Kompetenzen sogar erweitert. Die Mitglieder wählen demnach weiterhin alle Vereinsorgane, insbesondere das Präsidium und den Verwaltungsrat, aus deren Reihen dann auch fünf der bis zu neun Mitglieder des Beirats der KSC Management GmbH entsandt werden und dort auch die Mehrheit bilden. Zusätzlich sind die vom Verein in den Aufsichtsrat der KGaA zu entsendenden sowie die von der Hauptversammlung der KGaA zu wählenden Mitglieder des Aufsichtsrats der KGaA zuvor von der Mitgliederversammlung des e.V. zu wählen.

Warum ist ein nach Ansicht des Ausgliederungsausschusses der eingetragene Verein nicht die richtige Rechtsform für einen Proficlub?

Bei einem e.V. darf nach dem Gesetz (§ 21, 22 BGB) der Schwerpunkt seiner Tätigkeiten nicht auf der Erzielung von Einnahmen liegen, sonst besteht die Gefahr, dass der e.V. seine Gemeinnützigkeit verliert. Bei einem Verein wie dem KSC erfolgt die wirtschaftliche Tätigkeit im Wesentlichen dazu, die Profifußballabteilung zu finanzieren und nicht, um die ideellen Zwecke des e.V. zu fördern.

Gibt es weitere Gründe für eine Ausgliederung?

Der KSC benötigt frisches Geld, um sich wirtschaftlich wie sportlich wettbewerbsfähig aufzustellen. Mit der Ausgliederung werden nicht nur ein Rechtsformfehler beseitigt, der Verein vor einer potenziellen Insolvenz durch die Aktivitäten des Geschäftsbetriebs „Profifußball“ geschützt und die Organisationsstruktur professionalisiert, sondern es wird auch ermöglicht, benötigte finanzielle Mittel in Form von Eigenkapital durch den Verkauf von Aktien zuzuführen.

Warum und wofür benötigt der KSC frisches Kapital?

Der Wettbewerb in den Bundesligen wird immer enger. Clubchef Wellenreuther postuliert: „Nur mit einer optimalen finanziellen Ausstattung kann der KSC dauerhaft zu den besten 36 Vereinen in Deutschland gehören. Mit neuem Kapital könnten die Etats des Profi- und Nachwuchsbereichs erhöht, Altlasten beseitigt und dringend benötigte Investitionen in die Infrastruktur getätigt werden.“

Und wie sieht es mit dem negativen Eigenkapital aus, das der e.V. aus dem Profispielbetrieb erwirtschaftet hat?

Laut Becker ist die Ausgliederung dazu geeignet, die schwierige Bilanzsituation zu lösen. Sie würde das negative Eigenkapital verschwinden lassen. Eine stille Reserve würde dafür gehoben, wofür laut Becker die Marke KSC und Spielerwerte genutzt würden. Mit rund zehn Millionen Euro würde der KSC diese wohl ansetzen. So könnten aus dem negativen Eigenkapital von zuletzt drei Millionen Euro mit einem Mal sechs, sieben Millionen Euro positives Eigenkapital werden. Ohne Zufluss liquider Mittel.

Wie finanziert sich dann künftig der KSC als e.V.? Ist noch Geld da für die Abteilungen?

Die Beiträge der rund 8.300 Mitglieder liegen derzeit rund 500.000 Euro und verbleiben dem Verein. Hinzu können Einnahmen aus Sponsoring, Zuschüssen und Spenden kommen.

Was passiert mit bestehenden Schulden und Verbindlichkeiten? Bleiben die beim e.V.?

Nein. Diese gehen auf die GmbH & Co. KGaA über.

Was passiert mit Besserungsscheinen, die ein Volumen von über zehn Millionen Euro erreicht haben?

Auch diese gehen auf die neue Gesellschaft über und richten sich, falls sie wiederaufleben sollten, gegen die GmbH & Co. KGaA. Der Verein als e.V. ist auch damit nicht belastet. Durch die Ausgliederung leben die Besserungsscheine nicht auf.

Könnten die Besserungsscheine, wie sie vor allem Vizepräsident Günter Pilarsky in einer Vielzahl ausstellte, in Anteile der GmbH & Co. KGaA umgewandelt werden?

Besserungsscheine, dies betont der KSC-Präsident Wellenreuther an dieser Stelle erneut, sind derzeit noch keine bilanziellen Verbindlichkeiten. Erst bei einem positivem Eigenkapital und wenn die KGaA Gewinne macht, sind diese zu bedienen. Sollte dies der Fall sein, sei es möglich, diese in Anteile umzuwandeln.

Ist die Bewertung des Vereins bereits abgeschlossen?

Nein, sagt Wellenreuther. Nach Auskunft des KSC-Präsidenten steht noch nicht zu erwarten, dass den Mitgliedern schon am Samstag konkrete Zahlen benannt werden können. Zwischen 70 und 120 Millionen Euro liege der Rahmen, Geschäftsführer Becker nannte 100 Millionen Euro als „realistischen Wert“ für einen Zweitligisten.

Ab wann werden Aktien verkauft?

Rechtlich ausgliedern ist das eine - Anteile verkaufen das andere. Beides muss nicht gleichzeitig erfolgen. Nach einer Ausgliederung kann sich der KSC zu einem gegebenen Zeitpunkt entscheiden, auch Aktien auszugeben. Bei einem positiven Votum der Mitglieder würde hierzu der Ausgliederungsausschuss erneut zusammenkommen, so Becker.

Wer kann Aktien kaufen?

Geplant ist, dass sich unterschiedliche Kapitalgeber und damit bei der GmbH & Co. KGaA beteiligen. Der KSC denke an kleine, mittlere und große Unternehmen genauso wie an Privatpersonen, Mitglieder und Fans, versichert Wellenreuther. Es soll sich eine breite Palette an Aktionären finden.

Hat der Verein bereits die informelle Zusicherung, dass die CG Gruppe als Investor in größerem Stil einsteigen würde?

Dies sei laut Becker nicht der Fall. Der KSC habe noch keine konkreten Gespräche mit potentiellen Kapitalgebern geführt.

Wo kann man überhaupt Aktien kaufen?

Der KSC erklärt auf Nachfrage, dass die Aktien direkt über die KSC GmbH & Co. KGaA bezogen werden können. Für diesen Zweck würden Zeichnungsunterlagen vorbereitet, die ebenfalls bei der Gesellschaft erhältlich sein werden, auf denen der Interessent verbindlich erklären muss, dass er zur Übernahme einer konkreten Anzahl von Aktien gegen Zahlung des Ausgabepreises bereit ist.

Werden die Aktien auch der Börse gehandelt?

Einen Börsengang plant der KSC nicht.

Ist dem Verein jeder Zeit bekannt, wer im Besitz von Aktien ist?

Es sollen nur sogenannte vinkulierte Namensaktien ausgegeben werden, heißt es von Vereinsseite. Durch ein Aktionärsverzeichnis sei sichergestellt, dass die Besitzer der Aktien dem Verein zu jeder Zeit bekannt sind.

Kann man Aktien weiterverkaufen?

Nur wenn die Geschäftsführung der KSC GmbH & Co. KGaA zustimmt. Ab einem Erwerb von 25 Prozent der Anteile muss sogar die Mitgliederversammlung zustimmen.

Was wird eine Aktie kosten?

Der Preis der Aktie hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die endgültige Höhe des Preises wird, wie der KSC mitteilt, im Rahmen der Zuteilung festgelegt und durch die Gesellschaft kommuniziert werden.

Die BNN berichten am Samstag in Form eines Live-Tickers auf bnn.de

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