Ist denn alles paletti mit der deutschen Wirtschaft? Spätestens seit dem Corona-Ausbruch natürlich nicht mehr. „Die Palettenproduktion ist ein 1:1-Indikator für die Wirtschaft“, sagt Marcus Kirschner, Geschäftsführer des Bundesverbandes Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackungen (HPE/Bad Honnef).
Zumindest so viel lässt sich nach einer kleinen Umfrage bei Palettenherstellern in der Region sagen: Der Absatzrückgang bei Paletten hält sich derzeit zu ihrer Überraschung noch in Grenzen.
Qualität der Europalette wird weltweit überwacht
Lebensmittel, Chemikalienbehälter, Maschinen, Getränke, Autoteile, Toilettenpapier – auf Holzpaletten wird so ziemlich alles transportiert, was in der globalen Welt hergestellt wird. Am bekanntesten ist in Deutschland die Europalette. Der Klassiker unter ihnen misst 1,20 mal 0,80 Meter, besteht aus 11 Brettern, 9 Klötzen und 78 Nägeln. Gewicht: 25 Kilogramm. 600 Millionen Europaletten sind weltweit im Umlauf. Der Verein European Pallet Association (Epal) wacht weltweit, dass die Qualität konstant bleibt – dass eben alles paletti mit den Paletten ist.
In Deutschland produzieren 440 Hersteller Paletten und Exportverpackungen. Im vergangenen Jahr wurden hierzulande laut HPE 110,6 Millionen Paletten hergestellt.
Zum Vergleich: 110,9 Millionen waren es im Rekordjahr 2018. Damals wurden Sonderschichten geschoben. Der Paletten-Markt war leergefegt. Industriebetriebe in Transportnöten boten Phantasiepreise für Paletten an. Kein Wunder auch, die Wirtschaft boomte schließlich.
Die meisten Paletten „made in Germany” werden mit Holz aus deutschen Wäldern hergestellt
Deutschland ist ein Paletten-Importland: 140,6 Millionen Exemplare wurden laut HPE 2019 benötigt. Allein in der Bundesrepublik verarbeiteten die Hersteller von Holzpackmitteln und Paletten etwa sechs Millionen Kubikmeter Holz. „Das meiste stammt aus unseren Wäldern“, versichert HPE-Chef Kirschner.
Aufgrund ihres hohen Gerbsäuregehalts hätten Holzarten wie Ahorn, Buche, Fichte und Kiefer eine antibakterielle Wirkung. Deshalb würde hier besonders häufig zugegriffen.
Das seltsame ist, dass der Palettenvertrieb nach wie vor gut läuft.Harald Weinacht, Chef der Paletten Logistics GmbH
Ein Zentrum der deutschen Palettenindustrie ist der 4.500-Einwohner-Ort Rot an der Rot im Landkreis Biberach mit gleich drei Herstellern. Doch auch im Verbreitungsgebiet dieser Zeitung ist die Branche präsent.
Trend geht zur Reparatur von Paletten
Die Paletten Logistics GmbH in Karlsruhe repariert auch Paletten, „um die 60.000 im Jahr“, wie Geschäftsführender Gesellschafter Harald Weinacht sagt. Der Trend zur reparierten Palette sei da, weil diese günstiger zu haben sind. „Paletten sind ein Gradmesser für die Konjunktur“, sagt auch Weinacht und fügt im Corona-Jahr erstaunt hinzu: „Das seltsame ist, dass der Palettenvertrieb nach wie vor gut läuft.“
Es sind schon weniger Paletten als zuvor, aber es ist kein extremer Einbruch.Cemal Durmus, Geschäftsführer Kisten Woll, Keltern
Er liefere querbeet in verschiedene Branchen. Der Konkurrenzdruck ist nach Weinachts Angaben übrigens groß. Sein Unternehmen hebe sich durch Qualität ab. „Jede Palette wird begutachtet, bevor sie wieder zum Kunden geht.“
„Es sind schon weniger Paletten als zuvor, aber es ist kein extremer Einbruch“, zeigt sich Cemal Durmus, Geschäftsführer der Firma Kisten Woll in Keltern, überrascht. Dies, zumal er auch Maschinenbauer beliefert.
Differenzierter sieht es Lutz Müller, Chef von Ullu Paletten in Muggensturm. „Es ist sehr branchenspezifisch“, stellt er fest. Der Palettenabsatz für die Automobilindustrie sei kräftig nach unten gegangen. „Bau läuft immer noch, Chemie auch, aber auch da zeigen sich Bremsspuren bei den Firmen, die Vorprodukte herstellen.“ Müller stellt Sonderpaletten her. Er biete bis zu 900 verschiedene Typen an. Der größte Kunde habe im Rekordjahr 2018 allein 1,2 Millionen Stück abgenommen. Damals hieß es für ihn noch: alles paletti.