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Nächtliche Ausgangssperre

Pforzheimer Politik übt scharfe Kritik an Ministerium wegen Beschränkungen

Die geplanten Ausgangssperren in Pforzheim und anderen Corona-Hotspots in Baden-Württemberg führen zu Ungemach in der Goldstadt. Insbesondere die FDP kritisiert die Maßnahmen als zu spät und falsch. Doch auch der Oberbürgermeister Peter Boch ist in Aufruhr – und kündigt mögliche eigene Maßnahmen an.

Eine Statue mit Mundschutz steht in der Fußgängerzone
Pforzheimer Symbol: Obwohl selbst „der Dicke“ in der Fußgängerzone Maske trägt, bleibt die Lage angespannt. Die angekündigte Ausgangssperre reicht einigen nicht. Foto: Sebastian Kapp

Die Ankündigung der Landesregierung über weitere Ausgangsbeschränkungen für Corona-Hotspots treffen in Pforzheim teilweise auf Unverständnis. Geplant ist laut Sozialministerium eine Ausgangssperre mit teilweise Ausnahmen von 22 bis 5 Uhr, womöglich schon beginnend am Samstag. Das Problem ist: Nichts genaues weiß man noch nicht, denn der konkrete Erlass des Ministeriums lässt noch auf sich warten.

Das bringt entsprechend Oberbürgermeister Peter Boch in Rage. Er betont, „dass wir immer noch nicht wissen, wie das Land Baden-Württemberg die nächtlichen Ausgangsbeschränkungen im Detail ausgestalten möchte und welche Regeln es zusätzlich geben wird. Nach wie vor liegt uns der bereits seit Tagen angekündigte Erlass des Landes noch nicht vor“. Im Zweifel, so Boch weiter, werde man in Pforzheim und im Enzkreis eigenmächtig handeln, wenn weiter aus Stuttgart keine klaren Ansagen kämen. „Wir sind für diesen Fall vorbereitet.“

Pforzheim und Enzkreis werden getrennt behandelt

Boch betonte noch einmal die angespannte Situation in Pforzheim, das weiterhin weit über dem Inzidenz-Grenzwert von 200 Neuinfektionen in sieben Tagen pro 100.000 Einwohner liegt. Immerhin wurde aber eine Frage nun geklärt: Pforzheim und Enzkreis werden im Sozialministerium getrennt voneinander behandelt. Das teilte das Ministerium auf Nachfrage mit. „Aus Sicht unserer Experten sind für die Frage des Überschreitens einer bestimmten Inzidenzschwelle Stadtkreis und Landkreise immer getrennt zu betrachten – egal, ob der Stadtkreis ein eigenes Gesundheitsamt hat oder nicht“, so ein Sprecher.

Allein von Mittwoch auf Donnerstag waren es wieder 92 neue Fälle. Zudem teilte das Gesundheitsamt mit, dass eine Über-90-Jährige ihrer Erkrankung erlegen und gestorben ist. Es ist der 22. Todesfall in Pforzheim. „Es kommt auf jede einzelne und jeden einzelnen von uns an. Jede und jeder von uns sollte sich fragen, ob er noch mehr tun kann, um die eigenen Kontakte zu reduzieren“, appelliert Boch.

Scharfe Kritik kommt auch von den beiden FDP-Landtagsabgeordneten Hans-Ulrich Rülke und Erik Schweickert aus Pforzheim und Niefern-Öschelbronn. Die Maßnahmen kommen demnach nicht nur „zu spät“, sondern bringen „in der vorgelegten Version vor allem zu wenig zielgerichtete Mittel zur Eindämmung der Pandemie“. Zudem wurde kritisiert, dass die Entscheidung ohne Einbeziehung des Parlaments gefallen sei.

Die Landesregierung schießt hier wieder einmal wild um sich.
Hans-Ulrich Rülke, FDP-Landtags-Fraktionsvorsitzender

Rülke kritisiert die Maßnahmen zudem auch inhaltlich: „Ich stelle mir die Frage, wie viele Menschen sich des Nachts derzeit tatsächlich treffen und vor allem wo? Was bringt eine nächtliche Ausgangssperre, wenn alle Orte, an denen Menschen auch zu später Stunde zusammenkommen, doch ohnehin schon geschlossen sind? Mir sind keine Orte bekannt, an denen es bei Minusgraden zu Menschenansammlungen kommt. Für mich ist klar: Die Landesregierung schießt hier wieder einmal wild um sich, in der vagen Hoffnung doch einmal einen Treffer zu landen“, so Rülke.

Einen tieferen Sinn hinter diesen Maßnahmen sieht auch Wolfgang Scheidtweiler nicht, Geschäftsführer des Brauhauses und des Parkhotels in Pforzheim: „Wenn die meinen, dass es etwas bringt. Die Gastronomie jedenfalls ist sowieso schon zu. Vielleicht will man damit ja private Treffen verhindern“, kommentiert er.

Mast fordert zum Zusammenhalt auf

Verständnis für die Ausgangssperre hat die SPD-Bundestagsabgeordnete Katja Mast: „Angesichts dieser neuen harten Regelungen für Hotspots ist es normal, dass man erstmal schwer schlucken muss. Es gilt weiterhin: Abstand halten, Hygiene beachten, Alltagsmaske tragen, lüften und Corona-Warn-App nutzen.“ Weiter sagt sie: „Wir müssen in diesen schweren Zeiten zusammenhalten, um Leben zu schützen. Das ist mir das Wichtigste. Unter dem Motto Zusammenhalten steht Pforzheim auch am Samstag. Um 11 Uhr geht dieses starke Zeichen vom unserem Marktplatz ins ganze Land.“

Ihr CDU-Kollege Gunther Krichbaum erklärt dazu: „Trotz Lockdown light sind die Zahlen stabil auf einem sehr hohen Niveau. Hier kann nicht tatenlos zugesehen werden. Oberstes Ziel ist auch weiterhin, die Schulen offenzuhalten und die Wirtschaft weiterlaufen zu lassen. Deshalb führt an einer weiteren Einschränkung der privaten Kontakte kein Weg vorbei und eine nächtliche Ausgangsbeschränkung kann im derzeitigen Stadium der Pandemie dabei sicher helfen.“

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