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Geschlafen wird im Gotteshaus

Kuriose Freizeit: Jugendliche aus Kieselbronn und Dürrn verbringen eine Woche in der Kirche

Normalerweise finden Freizeiten für Jugendliche in Ferienheimen statt, in Jugendherbergen oder auf Zeltplätzen. Aber nicht in Dürrn: Dort verbringen derzeit 18 junge Leute im Alter von 13 bis 16 Jahren eine ganze Woche in der Kirche.

Ein Nachmittag in der Dürrner Kirche: Vor der Kanzel und der Orgel haben die Jugendlichen mehrere Tische aufgestellt, an denen sie ihre Hausaufgaben erledigen oder Spiele machen.
Ein Nachmittag in der Dürrner Kirche: Vor der Kanzel und der Orgel haben die Jugendlichen mehrere Tische aufgestellt, an denen sie ihre Hausaufgaben erledigen oder Spiele machen. Foto: Nico Roller

Von den evangelischen Kirchengemeinden Dürrn und Kieselbronn zusammen mit dem Christlichen Verein junger Menschen (CVJM) auf die Beine gestellt, findet die ungewöhnliche Freizeit nicht in den Ferien statt, sondern in einer ganz normalen Alltagswoche, in der die Jugendlichen auch die Schule besuchen müssen, ihren Vereinsaktivitäten und sonstigen Verpflichtungen nachgehen.

„Das Spannende ist, dass man den Alltag der anderen kennenlernt“, sagt Diakon Raphael Beil und erklärt, die Jugendlichen würden auf diese Weise viel voneinander erfahren: Wer hat welche Verpflichtungen? Wer kommt wann von der Schule? Wer engagiert sich in welchen Vereinen? „Das ist teilweise sehr unterschiedlich“, sagt Beil, der noch etwas anderes beobachtet hat: „Die Jugendlichen stellen fest, dass man erstaunlich viel Freizeit hat, wenn man nicht am Handy hängt.“

Betreut werden die 18 Jugendlichen aus Kieselbronn und Dürrn von sechs Mitarbeitern. „Das ist eine sehr gute Gruppengröße“, sagt Beil und berichtet von einer entspannten, lockeren Stimmung.

Die Jugendlichen sind sehr hilfsbereit und haben Spaß, das Miteinander zu gestalten.
Raphael Beil, Diakon

„Die Jugendlichen sind sehr hilfsbereit und haben Spaß, das Miteinander zu gestalten.“ Geschlafen wird in der Kirche, wo auch Platz zum Erledigen der Hausaufgaben ist.

Gegessen wird im Keller des Pfarrhauses, der auch als Wohnzimmer dient. Wobei das mit dem Essen so eine Sache ist: Denn die einzige Zeit, zu der alle gemeinsam essen können, ist das Frühstück. Zu den anderen Mahlzeiten sind nie alle gleichzeitig da.

Jeder Morgen beginnt mit einem geistlichen Tagesimpuls, bevor die anstehenden Arbeiten besprochen werden. Anschließend machen sich alle auf den Weg zur Schule, von der sie mittags zu unterschiedlichen Zeiten zurückkehren.

Während die Jugendlichen ihre Freizeit tagsüber mit selbstgewählten Aktivitäten verbringen können, gibt es abends ein Programm. Es beinhaltet Musik und Filme, besteht aus Spielen, aus Wellness oder Fitness.

Jugendliche planen ihre Tage eigenverantwortlich

Zwar wissen Beil und die übrigen Mitarbeiter durch entsprechende Listen genau, wann die Jugendlichen welche Verpflichtungen haben und welche Klassenarbeiten für sie anstehen.

Aber ihre Tage müssen die jungen Leute eigenverantwortlich planen. Was auch bedeutet, dass sie sich selbst zum Erledigen ihrer Schulaufgaben und zum Lernen für Prüfungen bringen müssen.

Doch das klappt laut Beil auch deshalb einwandfrei, weil sich die Jugendlichen gegenseitig unterstützen und motivieren können. „Jeder hat Fähigkeiten, von denen der andere profitiert“, so Beil.

Um die Haushaltsführung kümmern sich zwar in erster Linie die Mitarbeiter. Was aber nicht bedeutet, dass die Jugendlichen die Füße hochlegen können: Sie müssen mithelfen, etwa beim Spülen, beim Putzen oder beim Kochen. Stört die Jugendlichen das nicht? „Wir helfen freiwillig mit“, sagt einer und meint: „Wir machen hier mehr als zu Hause.“

Gemeinschaftsgefühl unter den Jugendlichen

Fragt man die Teilnehmer, ob es ihnen gefällt, dann ist die Antwort ein klares Ja. „Man hat hier immer etwas zu tun“, sagt einer und erklärt: „Es hat sich eine schöne Gemeinschaft in der Gruppe gebildet.“ Eine andere Teilnehmerin meint: „Ich finde es gut, dass man sich gegenseitig unterstützen kann.“

Langweilig werde es ihnen nie: Wenn sie nachmittags keine Hausaufgaben zu erledigen hätten, würden sie Musik hören, Spiele machen oder auf den Bolzplatz gehen. Alle würden immer gut miteinander auskommen. Fast immer: „Streit gibt es nur, wenn es darum geht, wer welchen Fußballclub gut findet.“

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