Skip to main content

Ähnlich gelagerter Fall

Schlechte Nachricht für Stadt Pforzheim: Abtreibungsgegner gewinnen Prozess

Abtreibungsgegner haben einen Prozess gegen die Stadt Frankfurt gewonnen. Der Fall ist ähnlich gelagert wie ein Pforzheimer Verfahren um Abstandsregeln vor einer Schwangerenberatungsstelle. Wurde die Versammlungsfreiheit zu Unrecht beschnitten?

Abtreibungsgegnerin Pavica Vojnovic aus Mühlacker und ihr Anwalt Tomislav Cunovic bei der Verhandlung des Verwaltungsgerichtes Karlsruhe am Mittwoch im Pforzheimer Ratssaal.
Setzen auf Berufung: Abtreibungsgegnerin Pavica Vojnovic aus Mühlacker und ihr Anwalt Tomislav Cunovic bei der Verhandlung des Verwaltungsgerichtes Karlsruhe am Mittwoch im Pforzheimer Ratssaal. Foto: Daniel Streib

Es läuft schlecht für die Beklagte. Im November hatte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg einem Berufungsantrag von Abtreibungsgegnern stattgegeben, die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit durch die Stadt Pforzheim nicht hinnehmen wollen. Nun der nächste Rückschlag: In Hessen gab ein Gericht einer Klage gegen die Stadt Frankfurt statt.

Der Pforzheimer Fall ist ähnlich: Hier verklagt die Abtreibungsgegnerin Pavica Vojnovic aus Mühlacker die Stadt, weil sie mit ihrer Abtreibungsgegner-Gruppe „40 Tage für das Leben“ während der Öffnungszeiten nicht direkt vor der Beratungsstelle von Pro Familia demonstrieren durfte.

Die Stadtverwaltung hatte Auflagen erlassen, damit Schwangere in Konfliktsituationen die Beratungsstelle unbehelligt aufsuchen können. Auch Beschäftigte von Pro Familia hatten sich von der wochenlangen Dauerpräsenz der Aktivisten belästigt gefühlt.

Zunächst lief es gut für die Verwaltung: Nach einer Eilentscheidung aus dem Jahr 2019 gab das Verwaltungsgericht Karlsruhe im Mai 2021 der Stadt auch im Hauptsacheverfahren Recht.

Allerdings: Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg mit Sitz in Mannheim sieht die Sachlage differenzierter und gab mittlerweile einem Berufungsantrag statt. Es bestünden „ernstliche Zweifel an der Richtigkeit“ des Karlsruher Urteils, so ein VGH-Sprecher. Nun soll der Fall neu aufgerollt werden.

Gericht sieht Versammlungsfreiheit verletzt

In Frankfurt entschied bereits die erste Instanz im Sinne der Abtreibungsgegner. Die angeordneten „örtlichen und zeitlichen Einschränkungen einer Versammlung“ seien rechtswidrig gewesen, teilte eine Sprecherin des dortigen Verwaltungsgerichtes mit.

Wie in Pforzheim hatte die Stadt den Aktivisten verboten, direkt vor Pro Familia zu demonstrieren. Doch die „Zusammenkunft der Teilnehmer fällt unzweifelhaft unter das die Versammlungsfreiheit schützende Grundrecht aus Artikel 8 Grundgesetz“.

Im Frankfurter Römer reagierte man fassungslos. „Solange Frauen durch den Schwangerschaftsparagrafen 219 gezwungen werden, eine Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle aufzusuchen, so lange müssen sie diese auch unbehelligt und ohne Spießrutenlauf machen können“, heißt es in einer Erklärung.

Die Dezernentin für Ordnung, Sicherheit und Brandschutz, Annette Rinn (FDP), kündigt an: „Wir wollen zunächst die Zulassung der Berufung erstreiten und dann unverzüglich die weiteren Schritte einleiten.“

Juristisch ähnlich argumentiert hatte in Pforzheim Bürgermeister Dirk Büscher (CDU), der ebenfalls einen „Spießrutenlauf“ ausmachte. Der Begriff gilt nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 2010 als entscheidend für die Zulässigkeit von entsprechenden Demonstrationseinschränkungen.

Kein Spießrutenlauf in Pforzheim?

Abtreibungsgegner-Anwalt Tomislav Cunovic sieht sich auf der Gewinnerstraße. „Wir gehen davon aus, dass der VGH Mannheim im Ergebnis entscheiden wird wie das Verwaltungsgericht Frankfurt und feststellen wird, dass die Verlegung der Versammlung in Pforzheim außer Ruf- und Sichtweite rechtswidrig war, da es meine Mandantin in der Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit verletzt.“

Die Auffassung der Stadt Pforzheim, dass ein Blickkontakt ausreiche um eine „faktische Blockade“ herbeizuführen, sei in dem analogen Fall als „nicht mit unserer Rechtsordnung vereinbar“ bewertet. Von einem Spießrutenlauf könne deshalb keine Rede sein.

In der Pforzheimer Stadtverwaltung gibt man sich zuversichtlich. Bürgermeister Büscher hatte zuletzt erklärt, man gehe davon aus, dass der VGH die Rechtsauffassung der ersten Instanz teile.

nach oben Zurück zum Seitenanfang