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Versammlungsverbot am Gedenktag?

Corona-Pandemie könnte rechte Fackelshow am 23. Februar vereiteln

Vielleicht sorgt die Pandemie dafür, dass der rechtsextreme Freundeskreis „Ein Herz für Deutschland“ auf seine Fackelmahnwache an diesem 23. Februar verzichten muss. Die Stadt Pforzheim will alle Demonstrationen am Gedenktag der Zerstörung verbieten.

Demo
Unterwegs zum Wartberg. Demonstrationsteilnehmer machen sich auf den Weg, um den Fackelaufmarsch der Rechtsextremisten auf dem Wartberg zu stören. Foto: Dominik Schneider

Was im vergangenen Jahr im Kontext tödlicher rechtsextremistischer Terroranschläge in Hanau und Halle nicht gelungen war, könnte am 23. Februar 2021 die Pandemie bewirken: Dass nämlich der rechtsextremistische Freundeskreis „Ein Herz für Deutschland“ am Pforzheimer Gedenktag nicht anreisen darf, um seine „Fackelmahnwache“ auf dem Wartberg abzuhalten.

Die Stadt Pforzheim will nun ein generelles Versammlungsverbot verhängen, teilt die städtische Pressestelle mit. „Wegen des aktuellen Infektionsgeschehens streben wir für den diesjährigen 23. Februar ein allgemeines Demonstrationsverbot an“, wird Oberbürgermeister Peter Boch in einer Mitteilung zitiert.

Boch begründet den Vorstoß auch mit den als besonders ansteckenden Mutanten des Virus, die zuletzt in der Region vermehrt aufgetreten sind. Dies bereite ihm allergrößte Sorge für ein erneutes Aufflammen der Infektionszahlen, auch wenn in Pforzheim analog zum bundesweiten Schnitt die Zahl der Neuinfektionen mittlerweile deutlich gesunken sind.

Mindestabstände können nicht immer gewährleistet werden

Auf dem Wartberg veranstalten traditionell Jahr für Jahr am Pforzheimer Gedenktag die Rechtsextremen ihren Fackelaufzug. Dies führt zu Gegendemonstrationen von mehreren hundert Menschen im Bereich des Wartbergs und in der Innenstadt, die gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit Zeichen setzen und für Frieden in der Stadt Stellung beziehen. Ein Teil der Gegendemonstranten, darunter auch Vertreter der Antifa, zieht am 23. Februar traditionell ebenfalls auf den Wartberg, um die Aktion der Rechten zu stören. Um zu verhindern, dass beide Lager aufeinandertreffen, setzt die Polizei ein Großaufgebot ein. Ein Demonstrationsverbot diene dem Schutz der Teilnehmer, aber auch der eingesetzten Polizei, erklärte Boch.

„Selbst bei bestem Willen aller Veranstalter kann niemand sicherstellen, dass bei dem auch in diesem Jahr erwarteten Großgeschehen die erforderlichen Mindestabstände jederzeit eingehalten werden“, so OB Boch weiter. Vergangene Woche habe er sowohl den Arbeitskreis 23. Februar, bestehend aus gesellschaftlichen, religiösen, kulturellen und politischen Akteuren, als auch Mitglieder des Gemeinderats über die Planungen vorab informiert.

Seit längerem ist bekannt, dass die Stadt ihr eigenes Programm zum Gedenktag wegen der Pandemie größtenteils in den virtuellen Raum verlegt.

Bündnis will nur reagieren, wenn die Rechtsextremisten kommen

Die Initiative gegen Rechts (IgR) und das Bündnis Pforzheim nazifrei hatten bereits zuvor deutlich gemacht, wegen der Ansteckungsgefahr mit Sars Cov2 auf Demonstrationen in der Stadt verzichten zu wollen – sollte es gelingen, den Aufmarsch von Rechts zu unterbinden. Nur in dem Fall, dass der „Freundeskreis“ trotz Pandemie auf dem Wartberg zusammen kommt, wollte man in überschaubarer Menge eine Kundgebung veranstalten, die aber größtenteils ebenfalls im Netz gestreamt werden soll. „Wir sehen uns in der demokratischen Pflicht dann Position zu beziehen“, hatte IgR-Sprecher Christof Grosse kürzlich betont und kein Hehl daraus gemacht, dass es allen Beteiligten lieber wäre, sie bräuchten auf die Rechten erst gar nicht reagieren. Grosse sagte nun, die Vertreter der Bündnisse seien froh über das Verbot aus gesundheitlichen Gründen. „Wir wünschen uns aber, dass es ein Verbot auf Dauer sein wird.“ Er erklärte am Montag auch: „Wir werden wachsam bleiben, um ad hoc reagieren zu können.“ Für den Fall, dass das Verbot aus rechtlichen Gründen nicht standhalten wird und die Rechten doch nach Pforzheim kommen.

Wir wünschen uns, dass es ein Verbot auf Dauer sein wird.
Christof Grosse, Sprecher der IgR

Pforzheims Oberbürgermeister verweist in seiner Begründung auch auf eine wissenschaftliche Studie, die zwei Groß-Demonstrationen in Leipzig und Berlin als „Super-spreading-Events“ ausgemacht hat, die dafür verantwortlich gemacht werden, dass im Anschluss daran die Infektionszahlen stark gestiegen waren.

Dies sei zwar mit Pforzheim nicht vergleichbar, doch auch hier kommen aus den verschiedenen Regionen Baden-Württembergs Hunderte von Menschen zusammen, erklärte Boch. Auch diese reisen meist in größeren Gruppen mit dem öffentlichen Nahverkehr an.

Verbot der Rechten wurde vergangenes Jahr gekippt

Im vergangenen Jahr hatte die Stadt Pforzheim den Rechtsextremisten den Aufmarsch in der Stadt verboten. Doch am Tag vor dem Gedenktag hatte das Verwaltungsgericht in Karlsruhe das Verbot gekippt mit Hinweis auf das hohe Gut des Versammlungsrechts. Die Stadt scheiterte dann abermals bei der nächst höheren Instanz.

Aktuelle Coronabeschränkungen lassen zwar ausdrücklich Versammlungen zu. Die Stadt verweist aber auf den Gesundheitsschutz und will das Verbot in die Allgemeinverfügung schreiben. „Die Allgemeinverfügung dazu muss aber der Enzkreis erlassen, weil das Gesundheitsamt beim Enzkreis angesiedelt ist“, erklärt Detlef Wagner, Leiter des Rechtsamts auf Anfrage. Ein Verbot wäre auf den 23. Februar im Zeitraum von 15 bis 20 Uhr beschränkt. Ob es dazu kommt, hängt auch von der weiteren Infektionsentwicklung ab. Aktuell gilt Pforzheim noch als Hotspot aufgrund der sieben-Tage-Inzidenz von über 70 Infizierten.

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