Für die Narren läuft es in letzter Zeit nicht rund: 2021 machte Corona die meisten Faschingsveranstaltungen unmöglich. Dieses Jahr ließ Russlands Präsident Wladimir Putin die Armee das Nachbarland Ukraine überfallen. Wieder überschattet ein Krieg das närrische Treiben.
Doch die Faschingsvereine und Narrengilden in der Stadt wollen sich das Feiern dadurch nicht verbieten lassen. Im Gegenteil. „Wir wollen die Bilder nicht den Kriegstreibern überlassen“, sagt Belrem-Gildemeister Jörg Müller fast schon trotzig. Die Menschen, vor allem die Kinder, hätten in den vergangenen zwei Jahren sehr unter den Einschränkungen der Pandemie gelitten, jetzt wolle man ihnen mit dem Umzug im Miniformat ein Lächeln ins Gesicht zaubern.
Öffentlich geworben wurde für die Veranstaltung nicht. „Wir haben den Rundgang aber bei den Behörden angemeldet“, sagt Müller.
Ortsrundgang in Dillweißenstein
Aber auch ohne große Werbung im Vorfeld scheint der Plan der Narren aufzugehen, zumindest in Dillweißenstein: Menschen stehen winkend auf dem Balkon und vor den Häusern, als der 50-köpfige Narrenzug durch die Hirsauer Straße zieht. Menschen winken, die Autofahrer, die im Schritttempo hinter den Narren herfahren müssen und regelmäßig vorbeigelotst werden, nehmen es gelassen, einige Hupen oder rufen gar den Dillweißensteiner Narrengruß „Dill-Wei-Ho“ aus der offenen Seitenscheibe. Manchmal bleibt die Gruppe stehen: Wie am Haus von Dietlinde Hess, die den Narren einen Schnaps anbietet.
Vor dem Zug rollt traditionell die „grausame Barbara II“ – die Kanone der Belrem-Gilde. Während anderswo in Europa ein Krieg tobt, ist es eine Gratwanderung mit einer Kanone durch die Straßen zu ziehen. Das sei auch den Narren klar gewesen, sagt Müller. Man habe das Thema diskutiert. Denn das Aushängeschild der Belrem-Gilde gehört eigentlich genauso zum Dillweißensteiner Fasching, wie der Schneemann. Dieses Jahr schweigt die Kanone jedoch. „Wir haben beschlossen aus Respekt vor den Betroffenen des Krieges die Kanone nicht abzufeuern“, sagt Gildemeister Müller.
Das traditionelle Verbrennen des Schneemanns am frühen Abend wollten sich die Narren allerdings nicht nehmen lassen. „Wir wünschen allen eine glückselige Fasnet in Frieden und Freiheit“, sagte Müller. Bevor die beiden Schneemann-Näherinnen Carmen Sancho und Veronika Joos ihn zu den Klängen von „Winter Ade“ in Brand steckten.
Wir wünschen allen eine glückselige Fasnet in Frieden und FreiheitJörg Müller, Belrem-Gildemeister
Doch auch hier wolle man dieses Jahr ein Zeichen setzen, betont Daniel Ast, der Präsident des Dillweißensteiner Umzugsrats. Normalerweise nehmen an der Veranstaltung im Pforzheimer Ortsteil über 50 Gruppen teil, sagt Ast. Weil der Umzug dieses Jahr erneut ausfällt, habe man einen inoffiziellen Ausklang vor der Nagoldhalle geplant, zu dem allerdings Delegationen anderer Vereine kamen. „Wir haben beschlossen, die Einnahmen aus dieser Veranstaltung für die Kriegsopfer in der Ukraine zu spenden“, sagt Ast.
Vor einer besonderen Herausforderung stand in diesem Jahr die Pforzheimer Faschingsgesellschaft (PFG). Weil lange nicht klar war, ob Faschingsveranstaltungen überhaupt stattfinden können, hatten sich die PFG-Vertreter ein neues Konzept überlegt: Statt in einer Halle zu feiern, wollten sie zum Kinderfasching und zum „Partyfieber“ als Livestream einladen.
Das Ganze sollte über die Internetplattform „Twitch“ gestreamt werden. Eigentlich ein Portal für Computerspiel-Fans. Doch dann sagte die PFG kurzfristig ab: „Es war angesichts des Kriegs in der Ukraine einfach nicht mehr angemessen, eine lustige Faschingsparty zu veranstalten“, sagt PFG-Präsident Steffen Henne im Gespräch mit unserer Redaktion. Deshalb habe der gesamte Vorstand beschlossen, die Übertragung kurzfristig abzusagen.