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Premiere am Theater Pforzheim

Neuinszenierung der Oper „Idomeneo“: Ein klassischer Stoff im modernen Gewand

Nach mehr als 40 Jahren ist die Oper „Idomeneo“ in der Goldstadt auf die Bühne zurückgekehrt. Am Theater Pforzheim erlebte das Mozart-Werk, das Urs Häberli neu inszeniert hat, nun eine gefeierte Premiere.

vorne Stamatia Gerothanasi (Elettra) und Chor
Als Elettra liefert sich Stamatia Gerothanasi (vorne), begleitet von einem stimmgewaltigen Chor, mit ihrer Rivalin Ilia einen musikalischen Kampf um die Liebe Idamantes. Foto: Sabine Haymann

Wer hat die Macht und wer erreicht am Ende seine Ziele? Trotz ihrer Machenschaften sind die Figuren in Mozarts Oper „Idomeneo“ doch nur Spielbälle von Gefühlen und übermenschlichen Gewalten. Die in ihrer Bildsprache und musikalischen Ausführung beeindruckende Neuinszenierung von Urs Häberli feierte am Samstag am Theater Pforzheim eine gelungene Premiere.

Oper „Idomeneo“ war letztmals in der Spielzeit 1981/21 in Pforzheim zu sehen

Letztmals gab es das Werk in der Spielzeit 1981/82 in Pforzheim zu sehen. Überhaupt wurde die Oper nach ihrer Uraufführung 1781 in München lange Zeit kaum beachtet und war nur selten zu hören. Dabei hat „Idomeneo“ musikalisch viel zu bieten.

Musik und Handlung erschienen von Anfang an sehr komplex für die durchschnittliche Hörerschaft. Jedenfalls ermahnte Leopold Mozart seinen Sohn, auch an die Belange des unterhaltungsorientierten Opernpublikums zu denken. Mozarts ließ es sich allerdings nicht nehmen, der Oper seinen unverkennbaren Stempel aufzudrücken. Er soll sie selbst als seine Beste bezeichnet haben. Laut Carlo Mertens, der in Pforzheim als Dramaturg verantwortlich zeichnet, „hört man bei ‚Idomeneo‘ einen ganz anderen Mozart, als man ihn aus den berühmteren Da-Ponte-Opern kennt“.

Auf der Rückfahrt aus dem Trojanischen Krieg erleidet der kretische König Idomeneo Schiffbruch. Meeresgott Neptun rettet ihn. Dankbar schwört Idomeneo, ihm denjenigen zu opfern, dem er zu Hause als Erstes begegnet. Tragischerweise ist das sein eigener Sohn Idamante.

Marcel Zabas Ausstattung und Michael Borowskis Lichtdesign schufen ein paramythologisch-düsteres Szenenbild. Ein Stierkopf blickt von einer Säule auf die Menschen und ihre Umtriebe herab, als stete Erinnerung an die Anwesenheit der göttlich-religiösen Einflüsse, die ihr Dasein bestimmen.

Die kriegt Idomeneo knallhart zu spüren, als er seinen Sohn mit der mykenischen Prinzessin Elettra, die ihm als Braut versprochen wurde, in die Ferne schicken will. Neptun bemerkt den Trick und schickt einen Sturm und ein Meeresungeheuer, um sein Opfer einzufordern. Ein weiteres Problem: Idamante liebt eigentlich die trojanische Prinzessin Ilia.

Mozarts geniale Musik, mal schwelgerisch, mal feinsinnig pointiert und durch große Chormomente ergänzt, umschließt die Dramatik der Bilder mit der für ihn typischen Detailverliebtheit. Sie wurde von der großartigen Badischen Philharmonie unter der Leitung von Robin Davis zum Klingen gebracht.

Überhaupt brillierten die Besetzungen nicht nur solo in den starken, gefühlsgeladenen Szenen. Das Quartett der Vier, sowie Ilia und Idamantes Liebesduett, sind große Momente. Ilia und Elettra sind erbitterte Rivalinnen und hassen einander aufs Blut. Lou Denès als Ilia und Stamatia Gerothanasi als Elettra geben ihrem Kampf um die Liebe Idamantes stimmgewaltig Ausdruck.

Die eifersüchtige Elettra rammt bei ihrer Rachearie vor Wut ein Beil in eine Bootsplanke und droht mit der Pistole. Große Emotionen sind im Spiel, als Idomeneo (Santiago Bürgi) seinen Sohn Idamante (Jina Cho) zum Opferaltar führt. Selbst das Schweigen hat hier eine monumentale Tiefe.

Antiker Stoff wird mit modernen Bezügen angereichert

Häberli und Mertens reicherten den antiken Stoff mit einigen modernen Bezügen an. Die Säcke über den Köpfen trojanischer Kriegsgefangener erinnern auf bedrückende Weise an Häftlinge in US-Terrorgefängnissen. Fast postapokalyptisch wirkt die Szene, in der die kretischen Krieger nach zehn Jahren auf die heimatliche Insel zurückkehren. Sich in zerschlissenen Uniformen an Land schleppend, wirken sie wie Überlebende eines Atomkriegs.

Die Pforzheimer Inszenierung ist auch eine Parabel auf moderne Machtspiele. Hier wirkt Kreta wie eine mal düster drohende, mal hoffnungsvoll strahlende Sagenwelt, in der das Machtvakuum viele Begehrlichkeiten weckt. Darin streben die Figuren nach dem Erreichen ihrer Ziele. Getrieben von ihren ureigenen Emotionen wie Liebe und Hass.

Letztlich ist es aber die göttliche Macht, die allen ihre menschlichen Grenzen aufzeigt. Als Ilia sich als Menschenopfer anbietet, findet Idomeneo schließlich einen Ausweg ohne Blutvergießen. Mit Idamante und Ilia als neues Herrscherpaar wird Neptuns Zorn besänftigt.

Der komplexe Handlungsstrang forderte vom Publikum ein ums andere Mal gesteigerte Aufmerksamkeit. Das zeigte sich trotzdem von der visuell und musikalisch beeindruckenden Inszenierung begeistert. Im nicht ganz ausverkauften Saal gab es zum Schluss stehende Ovationen.

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