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Dritte Teil der Prolog-Ausstellung

Pforzheimer Ornamenta begibt sich auf die Spuren einer gerechten Gesellschaft

Mit Arbeiten von drei Industriedesignern beleuchtet die Schmutzige Ecke Themen, die in der Öffentlichkeit eher ein Schattendasein führen. Sie soll eine der kontroversesten Themengemeinden sein.

Basse  Stittgen (weißes Hemd) stellt bei der Eröffnung der Schmutzigen Ecke im Transferium im A.K.T. seine Produktideen für ein Schlachthof-Besucherzentrum vor.
Basse Stittgen (weißes Hemd) stellt bei der Eröffnung der Schmutzigen Ecke im Transferium im A.K.T. seine Produktideen für ein Schlachthof-Besucherzentrum vor. Foto: Birgit Metzbaur

Aller guten Dinge sind drei. Mit Arbeiten von drei aus einer neuen Generation stammenden Industriedesignern begibt sich die Ornamenta auf die Spuren einer gerechten Gesellschaft.

Am Mittwoch wurde die Themengemeinde Schmutzige Ecke im Transferium im Alfons-Kern-Turm (A.K.T.) eröffnet. Sie ist nach den Themengemeinden mit den sprechenden Namen Bad Databrunn und Zum Eros der dritte Teil der Prolog-Ausstellung und gibt einen Einblick, was die Ornamenta nächstes Jahr genau werden wird.

„Die Schmutzige Ecke hat sich bisher als eine der kontroversesten Themengemeinden herausgestellt“, erklärte Willem Schenk vom Kuratorenteam bei der Begrüßung. Er ist überzeugt: „Nur, wenn wir die Augen öffnen und in den Schmutz knien, können wir einen Wandel herbeiführen.“

Im zweiten Obergeschoss des A.K.T. haben drei Designstudios Messestände aufgebaut, an denen sie ihre Projektideen präsentieren. Die Pioniere der Schmutzigen Ecke stellten in Pitches sich und ihre Ideen den Vernissage-Besuchern vor.

Einer, der die Besucherinnen und Besucher auf überraschende Art mit unangenehmen Wahrheiten und unbequemen Themen konfrontiert, ist der in Hannover geborene Designer Basse Stittgen. Auf der Suche nach verborgenen Geschichten und seiner Faszination für Biomaterial ist er bei Schlachthöfen gelandet.

Kaum Berührungspunkte mit der Fleischindustrie

Er findet es irritierend, dass Fleisch und Leder allgegenwärtig ist, aber wenn es um Tierblut geht, kämen „so viele Gedanken“ ins Spiel bis hin zur Angst vor Blut. Stittgen arbeitet mit dem Schlachtabfall Blut. In einem selbst entwickelten Verfahren hat er das Blut getrocknet und gepresst, bis sich die Proteine verbunden haben. Aus dem Material baute er Klaviertasten, eine Schallplatte und einen Spiegel.

Nur, wenn wir die Augen öffnen und in den Schmutz knien, können wir einen Wandel herbeiführen.
Willem Schenk
Mitglied des Kuratorenteams

Über die Schallplatte ist der Herzschlag einer lebenden Kuh zu hören. Der aus dem Blut von elf Kühen produzierte Spiegel ist ein Anstoß, den eigenen Fleischkonsum zu reflektieren. Elf Kühe entspreche dem, was ein Mensch in seinem Leben an Fleisch isst. „Fleisch ist omnipräsent“, konstatiert Stittgen, aber dadurch, dass die Schlachtindustrie so unsichtbar ist, würden auch die Tiere unsichtbar.

Mit seiner Arbeit will der Designer die große Distanz der Konsumenten zum Produkt überwinden und schlägt ein Besucherzentrum am Schlachthof vor. Die nächsten Monate bis zur Ornamenta will er Designstrategien für Schlachthöfe erforschen, um eine neue Politik der Sichtbarkeit und Transparenz in ihren Betrieben zu etablieren.

Amsterdamer Designstudio beschäftigt sich mit Kupferschlacken

Mit einer anderen Art von Abfällen arbeitet das Amsterdamer Designstudio ThusThat. Es schlägt eine Brücke zwischen Design, Kunst und Materialwissenschaften. Online zugeschaltet, berichtete Paco Boeckelmann von seinen Arbeiten mit seinem Partner Kevin Rouff. Als relativ junges Designstudio habe die Schmutzige Ecke ihren Entdeckergeist motiviert.

In der Vergangenheit habe sich das Studio mit Kupferschlacken beschäftigt, einem industriellen Nebenprodukt der Kupferindustrie, das für neues Material, beispielsweise als Ersatz für Zement genutzt werden kann. Das Studio ThusThat möchte für die Ornamenta den Abfällen aus Traditionsindustrien neues Leben einhauchen, indem es Metallabfälle und „die etablierte Ästhetik mit neuen Narrativen kombiniert“ – oder anders gesagt: Metallrecycling-Unternehmen der Region dazu einlädt, neue Designs mit der Erinnerung abgenutzter Metalle zu entwerfen.

Dritte Designerin stellt ihr Wasser-Projekt vor

Die dritte Designerin ist Henriette Waal. Sie ist nicht nur Designern, sondern auch Bierbrauerin und künstlerische Forschungsleiterin des Ateliers Luma in Arles (Frankreich). Im Transferium stellt Waal das Projekt „Mining Water“ vor, das durch ein Bergbauprojekt in Belgien angeregt ist.

Minenarbeiten hatten dort zur Folge, dass jeden Tag zwölf Pools voll guten Trinkwassers aus dem Dorf weggepumpt werden und somit für die Bewohner verloren sind. Sie zeigt an ihrem Messestand Edelstahl-Wasserflaschen, die in einem Hydroformingverfahren geformt wurden. Dazu wird ein Film gezeigt, in dem Waal mit den Minenarbeitern spricht.

Vom Thema Wasser kommt Waal am Samstag zum Bierbrauen nach Calw. Die Brauerei hat eine lange Tradition in der Region. Doch der Geschmack verändere sich, die Bevölkerung werde diverser, ein wachsender Teil trinke keinen Alkohol. Von 11 bis 12 Uhr wird die Designerin mit ihrer mobilen Außenbrauerei neue Perspektiven zur Herstellung von Bier und möglicher Nebenprodukte im Nordschwarzwald aufzeigen und dafür für die Ornamenta mit einem lokalen Akteur gemeinsam experimentieren.

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