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Künstler sauer

Pforzheimer Bertha-Benz-Skulptur verschwindet im Weihnachtswald

Der Weihnachtswald auf dem Pforzheimer Waisenhausplatz nimmt keine Rücksicht auf die Skulptur, die an die Pioniertat der weltweit bekannte Pforzheimerin erinnert. Was der Künstler davon hält.

Bertha Benz neben ihrem Gatten Carl Benz in einem Benz- Viktoria Kraftwagen, Modell 1894.
Bertha Benz neben ihrem Gatten Carl Benz in einem Benz- Viktoria Kraftwagen, Modell 1894. Die Pforzheimerin wurde 1849 geboren, im nächsten Jahr steht ihr 175. Geburtstag an. Foto: Picasa Mercedes-Benz AG/Repro Oliver Linde/Mercedes-Benz Media

Die riesigen, leuchtenden Hirsche und die Tannen, die auf der Nordseite des Pforzheimer Waisenhausplatzes für ein einladendes Ambiente zum Winterzauber mit Eislaufbahn und Hüttengastronomie sorgen sollen, haben die von René Dantes geschaffene Skulptur, die an die erste Autofahrt der Welt erinnert, im Tannendickicht verschwinden lassen.

Vom Patentmotorwagen von Carl Benz, mit dem seine Frau Bertha Benz im August 1888 von Mannheim in ihre Geburtsstadt Pforzheim gefahren war, ist derzeit nur etwas silberfarbenes Metall im Weihnachtswald zu erkennen.

Verständlich, dass Dantes wenig erfreut ist, dass seine Bertha-Benz-Skulptur „bewaldet“ worden ist. „Wie man in Pforzheim zum Teil mit Kunst- und Kulturgütern umgeht, ist oftmals sehr unsensibel“, merkt der Pforzheimer Künstler an. Im Kulturamt wundert man sich ebenfalls, denn es war nicht darüber informiert worden, dass die Skulptur in einem Wald verschwinden soll.

Eine leuchtende Rentierfigur steht neben Tannenbäumen.
Im Dickicht des Winterwalds auf dem Waisenhausplatz hat sich Bertha Benz offensichtlich verfahren. Die von René Dantes geschaffene Skulptur des Motorwagens ihres Mannes Carl, der an die erste Fernfahrt der Welt im Jahr 1888 erinnert, ist nur noch zu erahnen. Foto: Oliver Linde

So wie im Mai 2021 ohne vorherige Ankündigung die farbenfrohe Plastik von Wolfgang Thiel (Stuttgart) abgebaut worden ist, die nach dem Umbau der Leopoldstraße Mitte der 1990er-Jahre am früheren Sinn-Leffers-Gebäude installiert worden war. Über zwei Jahre blieb hier eine Baustelle. Erst vor Kurzem wurde auch der ovale Sockel mit den aufgeklebten Fliesen entfernt.

Der stilisierte Patentmotorwagen von Carl Benz auf dem Pforzheimer Waisenhausplatz sollte ursprünglich nicht zugestellt werden

Da geht es Bertha Benz immerhin besser, denn der symbolisierte Patentmotorwagen wird in ein paar Wochen wieder sichtbar sein. Er sollte ursprünglich nicht zugestellt werden, teilte dazu die städtische Pressestelle auf Anfrage mit. Doch habe der Winterwald aufgrund der hier kurzfristig entstandenen Baustelle „in Richtung Osten und damit leider um die Skulptur herum gelegt werden … Der Winterwald wird selbstverständlich zum Ende der Winterwelt wieder zurückgebaut.“

Wobei der Direktor des städtischen Eigenbetriebs Wirtschaft und Stadtmarketing Pforzheim (WSP), Oliver Reitz, dazu bemerkt, dass WSP nichts mit dieser „temporären innerstädtischen Grünfläche“ zu tun habe, nur im südlichen Bereich des Waisenhausplatzes mit der Winterwelt involviert sei.

Doch wie steht es mit dem Jubiläum, das im kommenden Jahr gefeiert werden kann? Dann steht der 175. Geburtstag von Bertha Benz an, die am 3. Mai 1849 als dritte Tochter des Zimmermanns und Bauunternehmers Karl Friedrich Ringer und seiner Frau Auguste Friederike das Licht der Welt in Pforzheim erblickte.

Das Geburtshaus von Bertha Benz stand in der heutigen Berliner Straße 13 in Pforzheim

Ihr Geburtshaus stand in der heutigen Berliner Straße 13 (damals Untere Ispringer Straße 11). Wie ihre beiden Schwestern besuchte Cäcilie Bertha, wie sie mit vollem Namen hieß, die Höhere Töchterschule (Hilda-Gymnasium).

Anfang 1869 war Carl Benz (1844–1929) nach Pforzheim gekommen. Schon mit 15 Jahren hatte er sein Studium an der Polytechnischen Hochschule in Karlsruhe begonnen. Nun wollte sich der Maschinenbau-Ingenieur bei den Gebrüdern Benckiser Eisenwerke und Maschinenfabrik als Zeichner und Konstrukteur im Brückenbau weiterbilden. Mitte 1870 lernte er Bertha kennen, zwei Jahre später fand die Hochzeit statt.

Das junge Paar zog nach Mannheim, wo es die „Carl Benz Eisengießerei und mechanische Werkstätte“ eröffnete. Die Geschäfte liefen nicht besonders. Auch als Carl einen Motorwagen erfand und 1886 zum Patent anmeldete, blieb der finanzielle Erfolg aus.

Erst nachdem sich Bertha mit ihren beiden Söhnen Richard und Eugen Anfang August 1888 heimlich von Mannheim in ihre Geburtsstadt aufgemacht hatte, stellte sich nach dieser ersten Fernfahrt der Welt der wirtschaftliche Erfolg ein. Bertha Benz starb am 5. Mai 1944 hochbetagt im Alter von 95 Jahren.

Die Bertha-Benz-Gedächtnisfahrt lockte immer Tausende Besucher an die Strecke

Es war stets ein Spektakel, wenn die Bertha-Benz-Gedächtnisfahrt auf der historischen Strecke von Mannheim nach Pforzheim stattfand, und stets Tausende Besucher die Oldtimer bei ihrer Ankunft in der Goldstadt bestaunten.

Im vergangenen Jahr fand die vom Allgemeinen Schnauferl-Club (ASC) organisierte Veranstaltung dann erstmals nur im Kraichgau rund um das Technikmuseum in Sinsheim statt. Pforzheim war ausgebremst worden und befand sich im Abseits.

WSP-Direktor Oliver Reitz erklärte damals dazu, dass man sich zusammensetzen und sondieren werde, ob es noch ein Potenzial für die Bertha-Benz-Fahrt gebe, zumal es auch immer weniger Liebhaber mit Fahrzeugen bis Baujahr 1930 gebe.

Ihm wäre es am liebsten, einen Rundkurs im Raum Pforzheim als zeitgemäße Alternative vorzusehen. Wobei man beachten müsse, dass die Stadt Pforzheim nie der Ausrichter, sondern letztlich nur Unterstützer gewesen sei.

2024 feiert die berühmte Auto-Pionierin ihren 175. Geburtstag

In fünf Monaten steht das Jubiläum von Bertha Benz an, der wohl weltweit bekanntesten Tochter der Stadt Pforzheim. Danach gefragt, was dazu geplant sei, verweist Reitz darauf, „dass wir zum 175. Geburtstag von Bertha Benz weniger eine Veranstaltung für die spezifische Zielgruppe der sehr historischen Fahrzeuge möchten, sondern etwas ins Auge fassen, was die gebürtige Pforzheimerin dauerhaft und tagtäglich ins Bewusstsein rückt“.

Was, das lässt der WSP-Direktor noch offen, verweist nur darauf, „dass wir dazu voraussichtlich rund um den Geburtstag im Frühjahr etwas verkünden“. Eindeutig dagegen ist der Hinweis der städtischen Pressestelle: „Vonseiten des Kulturamts sind keine Aktivitäten geplant.“

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