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Kaum noch Stenografen

Stenofreunde Pforzheim gehören zu den wenigen Kurzschreibern in Europa

Bis zu fünf Jahre dauert es, bis man die Redeschrift beherrscht. Die Stenofreunde in Pforzheim wissen: Wer schnell schreiben will, muss viel üben.

„Pforzheimer Kurier“: Uda Kuhn, Vorsitzende der Stenofreunde Pforzheim, schreibt den Namen fast schneller in Stenographie auf die Tafel, als man ihn aussprechen kann
Uda Kuhn, Vorsitzende der Stenofreunde Pforzheim, schreibt fast schneller in Stenografie auf die Tafel, als man sprechen kann. Foto: Stefan Friedrich

Stenografen sieht man heute nur noch selten. In Parlamenten beispielsweise setzt man noch auf die Kurzschreiber, manchmal kommen sie auch bei einem Gerichtsprozess zum Einsatz.

Moderne Technik ersetze oft die schnelle Schrift und wer sie lernen will, dem fehle oft das Durchhaltevermögen – das habe dazu geführt, dass es immer schwerer werde, Nachwuchs zu finden, weiß Uda Kuhn, Vorsitzende des Vereins Stenofreunde Pforzheim.

Zu dessen Mitgliedern zählen unter anderem zwei Parlamentsstenografen, die in Wiesbaden und den Haag arbeiten, sowie Ingenieure oder Verwaltungsangestellte.

Stenofreunden Pforzheim können so schnell schreiben, wie gesprochen wird

Im Verein sammelten sich einige der wenigen Handstenografen, die es in Europa noch gibt, erklärt Kuhn. Sie bringt ihren Schülern bei, wie man mithilfe der Stenografie genauso schnell schreiben kann, wie andere sprechen. Außerdem ist sie auch selbst noch aktiv. Bei einem Gerichtsprozess in Stuttgart etwa musste sie aushelfen, weil ein Kollege ausfiel.

Stenografie zu beherrschen bedeute vor allem eines: Üben, üben, üben – und das über Jahre hinweg, betont Kuhn. „Es ist sehr schwierig“ und man brauche noch dazu ein sehr gutes Allgemeinwissen.

Kurzschrift muss später noch übertragen werden

Entsprechend teuer sei es auch, wenn man mal auf die Dienste eines Stenografen zurückgreifen will. „Manchmal kommen Anwälte, die brauchen ein Mal im Jahr einen guten Stenografen und sind dann entsetzt, wenn sie dafür 1.000 Euro bezahlen müssen“, verrät sie.

Was viele vergessen: Es ist ja nicht das Stenografieren alleine; die Kurzschrift muss später auch noch übertragen werden und das dauert in etwa vier Mal so lange. Schreibt sie einen Tag als Stenografin am Gericht mit, dann braucht sie weitere vier Tage, um den Text wieder in volle Worte umzuwandeln.

Pforzheimerin hat an Steno-Weltmeisterschaft teilegenommen

Es ist ein anstrengender Prozess, den Kuhn allerdings beherrscht. Seit 1987 hat sie erfolgreich an allen Weltmeister- und Deutschen Meisterschaften teilgenommen, musste die Wettkämpfe vor zwei Jahren infolge eines Unfalls aber aufgeben. Seit einigen Jahren wirkt sie als Jurorin und Dozentin und hat den internationalen Wettbewerb „Protokoll“ mit aus der Taufe gehoben.

Beim Stenografieren, erklärt sie, unterscheide man zunächst nach dem Typus: Es gebe beispielsweise Stenografen, die mit Maschinen arbeiten, also mit Tastaturkürzeln, die dann in Worte übersetzt werden. Solche seien im deutschsprachigen Raum aber kaum verbreitet, sagt Kuhn. Hier seien vielmehr die handgrafischen Stenografen zuhause, wie man sie hauptsächlich noch im Osten, in Österreich und in der Schweiz finde.

Um das Stenografieren zu lernen, braucht es Geduld

Die Amerikaner wiederum hätten auf ein anderes System umgestellt: Dort seien sogenannte Speaker üblich. „Sie reden quasi in eine Maske, die mit dem Computer verbunden ist“, erklärt Kuhn. Die Stimme wird vom Rechner erkannt und in Text umgesetzt. „Eigentlich hat das nichts mit Stenografie zu tun“, räumt Kuhn ein; trotzdem gelte es als eine solche – was vor allem bei Wettbewerben zum Problem werde, weil die Speaker einen klaren Vorteil gegenüber den handschriftlich arbeitenden Kollegen hätten.

Um das Stenografieren erlernen zu können, brauche man vor allem eine schnelle Auffassungsgabe und viel Geduld. Etwa hundert Grundzeichen gibt es, quasi das Alphabet der Stenografen, die auf vier Ebenen angeordnet werden und jedes Mal eine andere Bedeutung haben. „Das gleiche Zeichen heißt in einer anderen Ebene etwas ganz anderes“, erklärt Kuhn.

Steno lebt von Kürzungen und Geschwindigkeit

Zunächst beginnt man mit der Verkehrsschrift, eine erste Form, mit der Stenografen bis zu 120 Silben in der Minute schafft. Die zweite Stufe, die Eilschrift, lebt dann von ersten Kürzungen und Verkürzungen, was die Geschwindigkeit noch einmal deutlich erhöht: bis zu 200 Silben seien pro Minute dann kein Problem.

Die dritte Stufe, die Redeschrift, sei dann zwar fantastisch schnell – „mit zwei Strichen hat man alles geschwätzt“, sagt Kuhn, es braucht aber mindestens vier oder fünf Jahre, bis man sie wirklich beherrscht. Dafür sind dann aber auch bis zu 475 Silben pro Minute möglich. „Es ist sehr mühsam, es zu erlernen“, sagt Kuhn, „aber wenn du es kannst, dann bist du der King.“

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