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Erstaufnahmestelle

Stuttgart muss Pforzheimer Kampf gegen Asylbewerber nicht akzeptieren

Der Pforzheimer Gemeinderat diskutiert über eine Veränderungssperre, um die Ansiedlung eines Erstaufnahmezentrum für Asylbewerber zu verhindern. Aber es gibt Sonderregeln.

Platz für Asylbewerber: Im ehemaligen Logistikzentrum von Bader will die Stadt eine Erstaufnahmestelle des Landes für Geflüchtete einrichten. Der Plan wird in der Bevölkerung und in den gemeinderatlichen Gremien kontrovers diskutiert.
Kein Platz für Asylbewerber: Im Gemeinderat zeichnet sich eine Ablehnung der von Pforzheims Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) vorgeschlagenen Erstaufnahme im ehemalige Logistikzentrum von Bader ab. Foto: Torsten Ochs

Ein Pforzheimer Nein zu einer Erstaufnahmestelle des Landes im Brötzinger Tal ist nur so gut, wie das zuständige Justizministerium in Stuttgart es will. Die Gegner der von Oberbürgermeister Peter Boch (CDU) kurz vor Jahresende lancierten Idee, eine solche einzurichten, wollen es dennoch versuchen.

Sie setzen auf eine Veränderungssperre für das Bader-Areal an der Adolf-Richter-Straße. Der erste Schritt dazu ist am 15. März ab 16 Uhr eine Auseinandersetzung mit dem Thema in den zuständigen Gemeinderatsausschüssen. Zur Debatte steht eine Strategie, die den – zum Teil gemeinsamen – Anträgen von FDP und Grüner Liste folgt.

Wo Gewerbe ist, soll Gewerbe bleiben

Die Losung dazu lautet: Wo Gewerbe vorgesehen ist, soll auch Gewerbe rein. Das bezieht sich auf das zur Umnutzung angedachte ehemalige Logistikzentrum der Versandfirma Bader, zielt aber auf eine Zeichensetzung in Richtung Stuttgart.

Pforzheims Gegner des Vorhabens wollen das Land bei der viel kolportierten Aussage packen, dass gegen den Willen der Stadt – respektive des Gemeinderats – nichts umgesetzt wird in Sachen Erstaufnahme.

„Wir versuchen nichts gegen den Willen einer Kommune zu tun“, heißt es dazu in Stuttgart hinter vorgehaltener Hand. Der Satz offenbart, was auch in Pforzheim gerne mal erwähnt wird: Das Land sucht händeringend nach neuem Platz für die vielen Menschen, die Zuflucht suchen in Baden-Württemberg.

Da es dauert, bis dieser gefunden und bebaut ist, wird in Kommunen mit bestehenden Asylbewerberheimen wie Ellwangen um Vertragsverlängerungen verhandelt.

Aus Sicht des Landes ist es stets wünschenswert, das gute Miteinander mit der Standortkommune herzustellen.
Gunter Carra, Pressesprecher Justizministerium

Des Oberbürgermeisters Angebot kann vor diesem Hintergrund als Geschenk des Himmels für die Verantwortlichen in Stuttgart gesehen werden. Boch selbst sieht darin einen Ausweg aus der Verpflichtung, Monat für Monat eine erhebliche Zahl von Asylbewerbern zusätzlich zu den Flüchtlingen aus der Ukraine dauerhaft aufzunehmen. In welchem Ausmaß das gelingen kann, ist bislang nicht ausverhandelt.

Von Staatsminister Siegfried Lorek (CDU), dem das Versprechen der Rücksichtnahme auf Pforzheimer Entscheidungen zugeschrieben wird, ist am Freitag keine Bestätigung dafür zu bekommen.

Das Justizministerium teilt auf Anfrage aber mit: „Aus Sicht des Landes ist es stets wünschenswert, das gute Miteinander mit der Standortkommune herzustellen. So ist es bislang stets gelungen, gemeinsame Lösungen mit den Standortkommunen von Erstaufnahmeeinrichtungen zu finden.“

Sonderregeln gelten für Erstaufnahmezentren

Dass die angestrebte Veränderungssperre nur bedingt ein probates Mittel gegen eine Erstaufnahme ist, konnte Pforzheims FDP-Landtagsabgeordneter Hans-Ulrich Rülke bereits im Januar einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Landtag entnehmen. Darin wird darauf verwiesen, dass „unter bestimmten Voraussetzungen die Sonderregelungen der Paragraphen 37 und 246 BauGB Anwendung finden und die Veränderungssperre gegebenenfalls im Zulassungsverfahren der Aufnahmeeinrichtung überwunden werden“.

„Irritiert“ zeigt sich Rülke über das Ergebnis einer weiteren Kleinen Anfrage. Danach habe die Stadt bereits am 4. Januar gegenüber Bader auf ein Vorkaufsrecht verzichtet. Das Unternehmen hat damals die für das Erstaufnahmezentrum in Rede stehende Immobilie an die neue gegründete, familieneigene Bader-Tochter Portus GmbH &Co KG verkauft.

Rülke beklagt, dass Boch dies „verheimlichen wollte“. Der Rathauschef sei jetzt nur dem „unter Druck“ seiner parlamentarischen Initiative über die Sitzungsvorlage zur Veränderungssperre „damit rausgerückt“.

Stadt Pforzheim hat bereits über Vorkaufsrecht informiert

Die Stadt Pforzheim hat am 5. Januar per Pressemitteilung dargelegt: „Der bloße Verkauf einer Immobilie führt nicht automatisch zum Vorliegen eines gemeindlichen Vorkaufsrechts.“

Boch wird mit dem Satz zitiert: „Nach ausführlicher Prüfung ist im Fall der Bader-Immobilie überhaupt kein Tatbestand erkennbar, der auch nur im Ansatz erfüllt sein könnte.“ Dass dies dem Unternehmen bereits mitgeteilt wurde, sagt er nicht.

„Die Stadt verzichtete nicht auf ein Vorkaufsrecht, sondern es existiert keines“, präzisiert der Leiter des Rechtsamts, Detlef Wagner, den Vorgang. Dies sei dem Käufer gegenüber festgestellt worden.

Jenseits solcher Scharmützel gibt es die Frage, ob das ehemalige Logistikzentrum überhaupt für ein Asylbewerberheim taugt? Während hier laut Justizministerium noch keine abschließende Bewertung vorliegt, kann eine Nachricht aus Ludwigsburg zur aktuellen Debatte beitragen. Auch dort hat das Land eine Liegenschaft für die Erstaufnahme von Asylbewerbern ins Auge gefasst.

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