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Streit um Arbeitszeiten

Verfahren gegen Lkw-Fahrer aus Pforzheim wird eingestellt

Ein Lkw-Fahrer aus Pforzheim war beschuldigt worden, falsche Arbeitszeiten angegeben zu haben. Nun wurde das Verfahren eingestellt. Die Aussage des Fahrers wirft stattdessen ein schlechtes Licht auf den Spediteur.

Viele LKWs auf einem Parkplatz.
Der Lastwagen bleibt stehen: Aufgrund angeblicher Manipulation am Fahrtenschreiber hat ein Spediteur einen Lkw-Fahrer im Juli 2019 fristlos gekündigt. Der Angeklagte macht nun jedoch seinem Arbeitgeber Vorwürfe Foto: Erwin Wodicka/Bilderbox.com

Ein Lkw-Fahrer aus Pforzheim, der seinen Arbeitgeber um rund 1.100 Euro Lohn betrogen haben soll, indem er Phantasie-Arbeitszeiten deklariert habe, hat sich vor dem Amtsgericht Pforzheim eher als Opfer eines Spediteurs entpuppt.

Dieser könnte nicht eingehaltene Pausenzeiten auf Kosten seiner Angestellten systematisch vertuscht haben. Das Verfahren gegen den Lkw-Fahrer indes wurde eingestellt.

Die Vorschriften zu Lenk-, Ruhe-, Stand-, Pausen-, Warte- und Beladungszeiten sowie Fahrunterbrechungen sind eine Materie für Eingeweihte. Ein elektronischer Fahrtenschreiber dokumentiert die Fahrtzeiten, ist jedoch nicht gegen nachträgliche manuelle Falsch-Angaben gefeit.

Fahrer soll falsche Arbeitszeiten angegeben haben

Und genau hier soll der Angeklagte seine Arbeitszeit zwischen Januar 2018 bis zu seiner fristlosen Kündigung im Juli 2019 insgesamt 30 Mal um jeweils zwei bis drei Stunden nach oben korrigiert haben. Viel Mühe und Risiko für übersichtliche Beträge von 27,32 Euro bis zu 61,47 Euro pro angeblichen Betrugsfall, insgesamt rund 1.100 Euro.

Selbst angesichts der Tatsache, dass Berufskraftfahrer eher nicht zu den hoch dotierten Berufen gehört: Einen Strafbefehl über zehn Monate Freiheitsstrafe, die fristlose Kündigung und ein Arbeitsgerichtsprozess dürfte die angebliche Manipulation kaum wert gewesen sein.

Die Schilderungen des 39-jährigen Kraftfahrers, der Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt hatte, warfen indes ein anderes Licht auf den angeklagten Betrug, mit dem er sich laut Staatsanwältin Theresa Küppers eine laufende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen wollte.

Mein Mandant hat keine einzige Stunde zu viel abgerechnet.
Thomas Abele, Verteidiger

Er habe nur die Arbeitszeit nachgemeldet, die er während einer Tour als Pause umdeklarieren musste, damit die vorgeschriebenen Lenkpausen eingehalten werden, erläuterte der Angeklagte.

Sein Verteidiger Thomas Abele betonte: „Mein Mandant hat keine einzige Stunde zu viel abgerechnet. Dem Arbeitgeber ist überhaupt kein finanzieller Schaden entstanden.“

Davon ließ sich Richter Patrick Stemler überzeugen, nicht zuletzt dank der Fahrten-Tagebücher des Angeklagten, in denen er akribisch und über Jahre hinweg seine echten Tätigkeiten aufgeführt hatte. Das Verfahren wurde mit Einverständnis von Staatsanwaltschaft und Verteidigung eingestellt.

Nicht angeklagt waren die Verstöße gegen Ruhezeiten, die indes auch eher unter die Rubrik Ordnungswidrigkeit fallen und an denen sein Ex-Arbeitgeber aus Baden-Württemberg mit Standorten in Karlsruhe und Stuttgart möglicherweise nicht ganz unschuldig war.

Angeklagter wirft schlechtes Licht auf Spediteur

Zeitweise drehte der Angeklagte den Spieß um, als er über die Arbeit für den Gefahrgut-Spediteur, der Tankstellen in und um Pforzheim beliefert, berichtete.

So erzählte er von 500-Kilometer-Touren mit mehreren Entlade-Stopps, die selbst bei optimalen Bedingungen nicht in der erlaubten Zeit zu schaffen gewesen wären, von 13-Stunden-Schichten, von Schattenabrechnungen für Auftraggeber, die sich über nicht gemachte Pausen wunderten.

Außerdem von Druck und Drohungen unter der Hand, wenn Fahrer nicht mitspielten, und von offiziellen Rundschreiben, in denen das Unternehmen vordergründig auf Einhaltung von Pausenzeiten gepocht und jegliche Manipulationen verurteilt habe.

„Nie wieder arbeite ich in dieser Branche – nie wieder“, verabschiedete sich der Vater von zwei Kindern vom Leben als Lkw-Fahrer. Das Fass zum Überlaufen brachten demnach abgefahrene Reifen. „Ich kann doch nicht mit 38.000 Litern Diesel und schlechten Reifen fahren. Wenn da einer platzt ...“, sagt der ehemalige Fernfahrer.

Dabei gibt er gegenüber unserer Redaktion zu, dass er den eigenen Ansprüchen in punkto Sicherheit unter der Fuchtel seines Arbeitgebers nicht immer gerecht geworden ist. „Ich bin übermüdet und über die erlaubten Fahrzeiten hinaus gefahren. Zum Glück ist nie etwas passiert.“

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