Es ist angerichtet, die Nacht auf Montag kann kommen. Paul Faber und einige seiner Kumpels von den KIT SC Engineers haben sich eingedeckt mit Nachos, Hot Dogs, Popcorn und Kaltgetränken.
Wie jedes Jahr treffen sich die American-Football-Spieler des Regionalligisten zur Super-Bowl-Party, doch dieses Mal eben nicht mit der gesamten Mannschaft im Vereinsheim, sondern virtuell im kleinen Kreis.
„Wir sind fünf, sechs Mann, jeder guckt bei sich zuhause das Finale. Kontakt halten wir per Skype Call“, sagt Faber, der Defensive End der Studentenmannschaft und zudem Abteilungsleiter beim KIT SC.
Jeder wird für sich gucken, in der Hoffnung, dass man nicht weg ratzt.Miro Stychlok, Abteilungsleiter Football beim ASV Grünwettersbach
Auch beim Traditionsclub 1. ASC Badener Greifs muss der Grill kalt bleiben, wenn Quarterback-Legende Tom Brady mit Gastgeber Tampa Bay Buccaneers gegen die Kansas City Chiefs eine halbe Stunde nach Mitternacht nach seinem siebten Ring greift.
Vor einem Jahr machten die Greifs noch mit 150 Personen in der Hoepfner-Burg die Nacht zum Tage, mit Steaks, Finger Food und frisch gezapftem Bier vor dem großen TV-Screen.
Ein Jahr und eine völlig veränderte Welt später ist Homewatching angesagt. „Jeder wird für sich gucken in der Hoffnung, dass man nicht weg ratzt, wenn nichts passiert“, sagt Miro Stychlok, der Abteilungsleiter Football beim ASV Grünwettersbach. Bei dem Mehrspartenverein aus dem Bergdorf hat der deutsche Vizemeister von 1987 vor fünf Jahren eine neue Heimstatt gefunden.
Individuelle Fitnessprogramme für den Tag X
Bei den Footballern der Fächerstadt passiert schon seit Monaten nichts, der Kunstrasenplatz am KIT und das naturbelassene Geläuf beim ASV liegen im Dornröschenschlaf. 2020 nahmen weder das Studententeam in der Dritten Liga noch die eine Klasse tiefer in der Oberliga einsortierten Greifs am freiwilligen Spielbetrieb teil.
Aus Infektionsbedenken verzichteten sie aufs Kräftemessen, bei dem der Körperkontakt elementar ist. Seit dem zweiten Lockdown Ende Oktober ist auch das Mannschaftstraining auf dem Platz eingestellt, die Spieler halten sich per Online-Training und individuell fit für den Tag X.
Die Einheiten in Eigenregie können die sonst monatelange Vorbereitung auf eine gewöhnlich im April beginnende Saison freilich nur ansatzweise ersetzen. Die Taktikschulung und das theoretische Einüben von Spielzügen ließen sich virtuell gut umsetzen, sagen Faber und Stychlok.
Sorge bereitet aber zum einen die für die Sportart notwendige Physis, die ohne Krafttraining in den seit Wochen geschlossenen „Muckibuden“ kaum zu erzielen ist. Zum anderen fehlt es sowohl an Spiel- wie an Matchpraxis, das Verletzungsrisiko der ohnehin unfallträchtigen Sportart ist mithin noch höher.
Über Hochschulsportkurs zu den Engineers
„Vor allem die noch unerfahreneren Spieler müssen auf den direkten Kontakt mit dem Gegner vorbereitet werden, nicht nur theoretisch, sondern auf dem Platz in Realgeschwindigkeit. Wie gehe ich ins Tackling, damit ich mich nicht verletze?
In der Dritten Liga kann es schon mal knacken“, spricht Faber auch aus schmerzhafter Erfahrung. Nicht wenige Spieler des KIT-Kaders sind Anfänger, auch Faber fand erst vor fünf Jahren über einen Hochschulsportkurs das Ei des Campus.
Weil es das Übungsangebot pandemiebedingt nicht gibt, können die Engineers, die jedes Jahr eine hohe Fluktuation im Kader haben und rund ein Viertel an abwandernden Absolventen ersetzen müssen, auch kaum neue Kräfte rekrutieren.
Bis Corona kam, hatten die 1990 als reine Uni-Sportmannschaft gegründeten Engineers neben der Männer-Mannschaft, die zu zwei Dritteln aus Studenten besteht, noch drei Jugend-Teams am Start.
Die 1982 gegründeten Greifs stellen fünf Teams, zudem haben auch die Cheerleader ihren festen Platz. Zumindest das Oberliga-Ensemble trifft nach Aussage von Stychlok die ausgefallene Sichtung nicht über die Maßen und Rookies stünden auch nicht im Kader.
Der Traditionsclub, der durch seinen Eintritt in den ASV die Zahl der Mitglieder des Dorfclubs auf einen Schlag um 200 auf rund 900 erhöhte, hatte sich intensiv auf die Saison 2020 vorbereitet. Dann kam Corona. „Wir hätten die beste Saison seit Jahren gehabt und waren uns der Meisterschaft sicher“, sagt der Abteilungsleiter.
Greifs wollen in Zweite Bundesliga
Den verpassten Aufstieg ins Revier der Engineers, die von 2009 bis 2013 mit den Greifs kooperierten, will der frühere Platzhirsch in diesem Jahr nachholen. „Wir wollen an die Leistung der letzten Spiele gerne anküpfen.“ Die Regionalliga soll aber nur eine kurze Zwischenstation sein.
„Unser Ziel ist die Rückkehr in die Zweite Bundesliga“, gibt Stychlok unumwunden zu und spricht von einem „Comeback nach 30 Jahren“. Wie zu den Glanzzeiten der Greifs, als auf dem Eggensteiner Sportplatz Football-Feste gefeiert wurden, sollen wieder 1.500 Zuschauer zu den Spielen pilgern - nicht auf dem ASV-Gelände, sondern im Beiertheimer Carl-Kaufmann-Stadion.
Stychlok: „Wir versprechen uns davon viel Trara.“ Den Segen der Stadt hatten die Greifs schon für die dann ausgefallene Saison 2020 erhalten.
Einfachrunde realistisch
Wann die Greifs angreifen, wann die ebenfalls aufstiegsambitionierten Engineers den Motor starten können, ist ungewiss. Der Verband setzt unverdrossen auf die schnelle Rückkehr ins Mannschaftstraining und hält am Saisonstart im April fest.
„Die Planungen des Verbands stehen aber auf wackeligen Füßen“, meint Maschinenbaustudent Faber vor dem Hintergrund des Infektionsgeschehens. Realistischer sei, so Stychlok, ein Auftakt im Mai oder gar erst Juni. In dem Fall sehen die Planspiele nur eine Einfachrunde vor.
Faber wünscht den Greifs, deren Verhältnis zu den Engineers seit der Ausgliederung nicht ungetrübt gewesen ist, schon mal viel Erfolg: „Derbys wären cool.“ Und cool fände Faber auch, wenn er in der langen Nacht auf Montag wach bleiben und wenn „nicht schon wieder Brady gewinnen würde.“