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Hotelbau im Schwarzwald

Architektur-Professor Hans Klumpp: Neubau der „Traube Tonbach“ ist eine große Chance

Der Brand des Stammhauses des Hotels „Traube“ in Tonbach mit dem berühmten Drei-Sterne-Restaurant „Schwarzwaldstube“ hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Architektur-Professor Hans Klumpp spricht im Interview über den Altbau der „Traube“ und Hotelarchitektur im Schwarzwald.

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Hans Klumpp ist emeritierter Architektur-Professor in Stuttgart und Vorsitzender des Gestaltungsbeirates der Gemeinde Baiersbronn. Er kritisiert den zeitgenössichen Hotelbau im Schwarzwald mit seiner oft rustikalen Innenarchitektur. Foto: Ulrich Coenen

Hans Klumpp, emeritierter Professor für Entwerfen, Baukonstruktion und Gebäudelehre an der Hochschule für Technik in Stuttgart und Vorsitzender des Gestaltungsbeirates seiner Heimatgemeinde Baiersbronn, stammt aus Tonbach und hat mit Hotelier Heiner Finkbeiner die Schulbank gedrückt. Unser Redaktionsmitglied Ulrich Coenen hat sich mit Klumpp über den Altbau der „Traube“ und Hotelarchitektur im Schwarzwald unterhalten.

War das Stammhaus der „Traube“ ein gutes Beispiel für historische Gasthausarchitektur im Schwarzwald?

Klumpp: In Teilen war es das sicher. Allerdings ist das vor rund 230 Jahren erstmals urkundlich erwähnte Stammhaus durch seine vielen Umbauten und Erweiterungen zu einem unübersichtlichen Konglomerat von Formen und Gestaltungen geworden, das eine grundsätzliche architektonische Haltung vermissen ließ. Ein großer baulicher Verlust ist sicher die Bauernstube als Urzelle der „Traube“, die alle Umbauten und „Verschönerungsmaßnahmen“ schadlos überstanden hat. Sie war der Raum, mit dem sich die langjährigen Gäste identifiziert haben.

Ist der Wiederaufbau des Stammhauses möglich und würde er überhaupt Sinn machen?

Klumpp: Möglich ist vieles, aber er ist nicht sinnvoll. Das Stammhaus ist vor allem ein ideeller Verlust, weil es sozusagen die „Keimzelle“ der Erfolgsgeschichte „Hotel Traube Tonbach“ war. Jetzt bietet sich die große Chance für einen Neubau, der eine architektonische Herausforderung darstellt, weil er Rücksicht auf die dörflich geprägte Nachbarschaft nehmen und sich dem steilen Hanggrundstück direkt an der Straße anpassen muss. Der Neubau muss einerseits funktional sein, anderseits auch für eine architektonische Idee mit Atmosphäre und Aufenthaltsqualität stehen. Den meisten Gaststätten- und Hotelbauten fehlt aber genau eine solche Idee, die sie unverwechselbar machen würde.

Warum sind die Hotel- und Gaststättenbauten im Schwarzwald häufig banal?

Klumpp: Seit den 1960-er Jahren hat sich im süddeutschen Raum ein Hoteltypus herausgebildet, der sich an zwei Vorbildern orientiert. Das waren das Hotel Sonnenalp in Sonthofen und das Bachmair in Rottach-Egern. Die zahlreichen Hotels in ihrer Nachfolge, zu denen auch das neue Gästehaus der „Traube“ zählt, standen für ein Erfolgsrezept, das als solches bis in unsere Zeit hinein noch funktioniert. Das Erscheinungsbild dieser Häuser ist im Laufe von vier Jahrzehnten immer aufwendiger und pompöser geworden. Diese Gebäude wurden vor allem im Inneren mit Accessoires überladen, die überflüssig sind und die räumliche Wirkung unnötig strapazieren.

In jüngerer Vergangenheit sind Gebäude wie das Hotel Mummelsee an der Schwarzwaldhochstraße und die Geroldsauer Mühle in Baden-Baden entstanden, die sich mehr oder weniger geschickt an vermeintlichen historischen Vorbildern orientieren.

Klumpp: Seit einigen Jahren beschäftigen sich Hotelarchitekten wieder verstärkt mit regionalen historischen Vorbildern. Beispiele aus dem alpinen Raum haben gezeigt, dass es im Zuge der Globalisierung den Fremdenverkehrsgemeinden nutzt, nach baulicher Authentizität zu suchen. Im Schwarzwald wird im Bereich der Gastronomie leider oft auf den Typus des traditionellen Bauernhauses zurückgriffen, obwohl die Aufgabenstellung und die Nutzung eine gänzlich andere sind. Deshalb wirken die Ergebnisse oft ziemlich befremdlich. Man darf historische Architektur nicht einfach imitieren. Die Zeit, die Materialien, die Techniken und das Klientel haben sich geändert. Die Geroldsauer Mühle ist doch um einiges gelungener als das Hotel Mummelsee. Man sollte Holz nicht nur als Kleid für einen Mauerwerks- oder Stahlbetonbau einsetzen, sondern auch konstruktiv damit arbeiten.

Architektur ist spätestens seit dem berühmten Bilbao-Effekt ein Tourismusfaktor. Das Weingut von DFB-Präsident Fritz Keller am Kaiserstuhl hat kürzlich den badischen Architekturpreis erhalten.

Klumpp: Im Tourismus ist Architektur längst ein Marketinginstrument. Das haben die Winzer, vor allem im europäischen Ausland, schon länger erkannt. Auch viele Städte wünschen in der Nachfolge des Guggenheim-Museums von Frank O. Gehry in Bilbao einen Bilbao-Effekt. Ich denke beispielsweise an die Elbphilharmonie in Hamburg. Hinter diesen Projekten stehen aber herausragende Kollegen und Kolleginnen und Bauherren mit einem starken und qualitätsbewussten Bauwillen. Wir brauchen ein Bewusstsein, dass gute Architektur nicht nur Geld kostet, sondern einen spürbaren Mehrwert in vielerlei Hinsicht darstellt und wichtig ist für die Baukultur.

Heinrich Klotz, der Gründungsdirektor des ZKM in Karlsruhe, hat 1977 seinen großartigen Essay „Die röhrenden Hirsche der Architektur“ veröffentlicht. Selbst in Hotels- und Gaststätten, die reine Zweckbauten darstellen, finden sich rustikale Bauerstuben oder Säulen im Sinne der italienischen Renaissance.

Klumpp: Die Innenarchitektur hat sich leider in den meisten Hotels verselbstständigt. Oft sind die Architekten daran gar nicht beteiligt, sondern die Bauherren beauftragen spezielle Designer. Die Gäste sollen dem Alltag entfliehen und in eine andere Welt eintauchen. Gerade die Bauernstuben gaukeln dem Publikum vor, sie seien eine Weiterentwicklung der historischen Vorbilder. Solche Innenräume erfüllen eine Sehnsucht, sie sind ein Stück weit Disneyland.

Neubauten in historischen Formen liegen allgemein im Trend. Prominente Beispiele sind das Berliner Stadtschloss und die Neue Frankfurter Altstadt, die Stephan Trüby, Professor für Architekturtheorie an der Universität Stuttgart, sogar in Zusammenhang mit der Neuen Rechten gebracht hat.

Klumpp: Wir müssen, abgesehen von wenigen herausragenden Einzelbauwerken, in der Masse eine generelle Bankrotterklärung der zeitgenössischen Architektur eingestehen, weil sie ein Grundbedürfnis der Menschen nach Vielfalt, Haptik und Atmosphäre nicht befriedigt. Viele Menschen sehnen sich nach optischen Reizen, die sie in der Vergangenheit finden. Eine reine Imitation der historischen Architektur halte ich aber für keine Lösung. Das ist schwach.

Während banale Neubauten entstehen, sterben die alten Höhenhotels an der Schwarzwaldhochstraße.

Klumpp: Die Besonderheit waren ja nicht nur die Kurhotels, sondern dass es sich um ein zusammenhängendes Tourismuskonzept entlang der Schwarzwaldhochstraße inklusive der Zielorte Baden-Baden und Freudenstadt handelte. Jetzt müssen wir über die Weiterentwicklung einer der schönsten Straßen in Deutschland nachdenken. Früher kamen die Gäste wegen der guten Luft wochenlang zur Kur. Das Publikum, das drei Wochen bleibt, hat aber auch die „Traube“ längst nicht mehr. Die Verweildauer hat sich dramatisch verkürzt. Daran müssen die Inhalte der Häuser angepasst werden. Für die Schwarzwaldhochstraße wünsche ich mir eine Abfolge von Einrichtungen, die den veränderten Ansprüchen der Touristen etwas bietet. Über so ein übergeordnetes Konzept müsste man vielleicht sogar in Stuttgart nachdenken.

Wie könnte das aussehen?

Klumpp: Ein Ansatz ist vielleicht die vergangene Landesgartenschau um Remstal oder die 2025 gemeinsam geplante Landesgartenschau der beiden Kommunen Baiersbronn und Freudenstadt. Zwei Städte kooperieren, um ihre Zwischenräume landschaftlich neu zu gestalten. Das könnte ich mir im Bereich der Schwarzwaldhochstraße auch für Baden-Baden und Freudenstadt vorstellen. Mit dem Nationalpark-Zentrum am Ruhestein entsteht aktuell ein zeitgemäßes Element für ein solches Konzept. Es müssen nicht immer Hotels sein. Wünschenswert ist eine Abfolge von attraktiven Punkten, oft kombiniert mit Gastronomie. Dann könnte die Schwarzwaldhochstraße eine ganz andere Rolle spielen, als sie es aktuell tut.

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