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Virus greift Geruchssinn an

Warum Menschen wegen Covid-19 den richtigen Riecher verlieren

Nach Schätzungen von Experten verlieren jährlich über 50.000 Menschen in Deutschland ihren Geruchs- und Geschmackssinn. Gründe dafür gibt es viele. Auslöser kann eine Virusinfektion wie Covid-19 sein.

Eine Frau riecht an violetten Blumen an einem Busch.
Gezieltes tägliches Training des Geruchssinns kann Riechstörungen lindern. Foto: Christin Klose/dpa

Ach, wie toll das riecht: das frische Brot, der gemahlene Kaffee, die aufgeblühten Hyazinthen. Welch ein Verlust an Lebensqualität, wenn wir nicht mehr riechen können.

Mit der Corona-Krise ist auch der menschliche Geruchssinn stärker ins Blickfeld geraten. Riechstörungen oder ein kompletter Verlust des Geruchssinns sind ein typisches Merkmal einer Corona-Infektion. Einer Analyse der Universität Paris-Saclay zufolge sind gerade Menschen mit mildem Covid-19 stark betroffen.

Während die meisten Erkrankten nach durchschnittlich drei Wochen wieder riechen können, berichten einige noch Monate später von gestörten Sinneswahrnehmungen.

Hilfe verspricht dann ein gezieltes Riechtraining. An Ratgebern in Buchform und Angeboten umfangreicher Riechsets mangelt es nicht. Auch diverse Hals-Nasen-Ohren-Zentren bieten Kurse an und HNO-Kliniken testen den Geruchs- und Geschmackssinn. Doch was bringen solche Lernprogramme wirklich?

Beim Riechtraining nach einer Covid-Erkrankung ist Geduld angesagt

Ein gestörtes Riechvermögen schränkt den Alltag extrem ein. „Betroffene haben mehr Unfälle, etwa Lebensmittelvergiftungen. Sie haben keine Freude mehr am Essen und weniger soziale Interaktionen, weil sich ein großer Teil unseres gesellschaftlichen Lebens rund um das Thema Essen abspielt“, sagt Thomas Hummel, Leiter des Zentrums für Riechen und Schmecken der Uniklinik in Dresden.

„Sie können ihre Kinder und ihren Partner nicht mehr riechen, wissen nicht, ob sie selbst stinken. Das sorgt für ein hohes Maß an Unsicherheit.“

Die Patienten sollen dabei jeden Morgen und jeden Abend für jeweils 30 Sekunden an vier verschiedenen Düften riechen.
Thomas Hummel, Uniklinik Dresden

Wer sich Hummel und seinem Team anvertraut, der unterzieht sich zunächst einiger Tests und Untersuchungen: einer Nasenendoskopie wie beim Hals-Nasen-Ohrenarzt, einem MRT, Riech- und Schmecktests sowie Arztgesprächen. Handelt es sich tatsächlich um einen Virusinfekt, der den bleibenden Geschmacks- und Riechverlust ausgelöst hat, schließt sich in den meisten Fällen ein Riechtraining an.

„Die Patienten sollen dabei jeden Morgen und jeden Abend für jeweils 30 Sekunden an vier verschiedenen Düften riechen. Dieses Training sollten sie konsequent über mindestens vier, teilweise aber auch bis zu neun Monate durchführen. Die Gerüche können dabei individuell gewählt werden. Wichtig ist nur, dass die Gerüche stark sind und einer der vier Düfte noch ein Gefühl wie ein Kribbeln, Stechen oder Kühlen auslöst“.

Dabei können wohlriechende Düfte wie Zitrone und Rose, aber auch Menthol und Essig zum Einsatz kommen. Hummel schränkt allerdings ein: „Asthmatiker müssen bei der Verwendung reiner ätherischer Öle vorsichtig sein, denn sie könnten einen akuten Anfall auslösen. Ich empfehle dann eher aromatisierte Massageöle oder natürliche Duftstoffe, also die ganze Palette kräftig duftender Früchte oder Blumen. Auch Gewürze kann man verwenden, sofern sie nicht zu lange gelagert wurden.“

Empfehlenswert ist es auch, beim Schnuppern eines Duftes gleichzeitig ein bestimmtes Bild in Gedanken entstehen zu lassen. Wer also an Rosenöl riecht, sollte die Blume vor dem inneren Auge visualisieren. So verbindet sich allmählich ein Duft mit einer Vorstellung, was sowohl das Gehirn, als auch die Rezeptoren in der Nase schult.

Von therapeutischen Alleingängen rät der Mediziner allerdings ab: Menschen mit Geruchs- und Geschmacksstörungen sollten immer einen HNO-Arzt aufsuchen, nur dieser könne die Ursache dafür finden und eine geeignete Therapie einleiten. Etwa ein organisiertes Riechtraining, angeleitet von erfahrenen Therapeuten. Einige Kassen übernehmen die Kosten solcher Kurse.

Langzeitstudien zur Wirksamkeit von Geruchstraining fehlen noch

Doch hilft so ein Training wirklich - oder wäre der Geruchssinn nach einer gewissen Zeit auch von alleine wieder zurückgekehrt? Da eine Spontanheilung durchaus möglich ist und bei einigen Patienten eintritt, lässt sich der Erfolg einer Riechtherapie nicht eindeutig belegen, zumal größere Studien zur Wirksamkeit bislang fehlen.

Eine kleine Untersuchung mit 144 Probanden an deutschen Unikliniken, an der auch Thomas Hummel beteiligt war, konnte allerdings einen gewissen Effekt nachweisen. Nach einem 18-wöchigen Training konnten immerhin 26 Prozent der Teilnehmer eine Verbesserung ihrer Riechleistung feststellen. In der Placebo-Gruppe, die nur extrem schwache Düfte zum Schnuppern bekam, waren es hingegen nur 15 Prozent.

Griechische Forscher der „Smell and Taste Clinic“ in Thessaloniki konnten sogar noch bessere Ergebnisse vermelden: Sie ließen Patienten ebenfalls im Rahmen ihrer Studie zweimal täglich an vier verschiedenen Düften riechen. Die Ergebnisse: In der Langzeitgruppe berichteten nach Studienende 71 Prozent der Probanden von einer Verbesserung der Riechleistung. In der Kurzzeitgruppe waren es 58 Prozent. In der Kontrollgruppe nur 37 Prozent.

Es kann aber auch durchaus passieren, dass der Geruchssinn trotzdem nicht zurückkehrt.
Jan Löhler, Deutscher Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte

„Es kann aber auch durchaus passieren, dass der Geruchssinn trotzdem nicht zurückkehrt“, sagt Jan Löhler vom Deutschen Berufsverband der Hals-Nasen-Ohrenärzte. Wie Menschen auf so einen anhaltenden Verlust reagieren, sei sehr unterschiedlich. Manche fänden sich einfach damit ab. „Wer allerdings bereits zuvor unter Depressionen gelitten hat, leidet möglicherweise stärker darunter.“ Der Geruchssinn werde meist unterschätzt, so Löhler. „Wie wichtig er ist, merkt man oft erst, wenn man ohne ihn auskommen muss.“

Nach Schätzungen von Experten verlieren jährlich über 50.000 Menschen in Deutschland ihren Geruchs- und Geschmackssinn. Gründe dafür gibt es viele. Auslöser kann eine Virusinfektion wie Covid-19 sein. Hat das Coronavirus Sars-CoV-2 Riechzellen zerstört, finden einige Duftmoleküle keinen passenden Rezeptor mehr. So gelangt nur ein unvollständiger Dufteindruck ins Gehirn - und das kann zu einer Riechverwirrung führen, sodass Betroffene zum Beispiel Kaffee-Duft nicht mehr richtig erkennen können.

Häufig kommt es bei Covid-19 zu Fehlgerüchen während der Regeneration. Die Ursache dafür liegt aber womöglich nicht nur bei den von den Viren angegriffenen Riechzellen der Nasenschleimhaut, sondern im Gehirn selbst: Tierversuche haben gezeigt, dass die Viren über die Riechzellen und die weiterleitenden Nerven ins Gehirn vordringen, wo sie die neurologische Verarbeitung der Riechimpulse stören.

Viele Ursachen neben Corona für den Verlust des Geruchssinns

Auch das Alter spielt beim Geruchssinn eine Rolle. „Im Laufe des Lebens verliert man mehr Riechzellen, als neue nachwachsen“, erklärt „Riech-Papst“ Hummel. Daher leiden vor allem ältere Menschen am Verlust des Geruchssinns (Anosmie) oder an seiner Schwächung (Hyposmie). Experten schätzen gar, dass etwa jeder Dritte der über 70-Jährigen nichts mehr riecht. Aber auch jüngere Menschen kann es treffen.

Der Verlust des Geruchsinns ist nur in den seltensten Fällen angeboren. Ganz mechanisch kann die Nase wegen schiefer Nasenscheidewände, Polypen oder durch von einer Allergie geschwollene Schleimhäute blockiert sein. Gasteilchen dringen dann nicht zu den Riechzellen vor.

Wer mit dem Rauchen aufhört, stellt schnell fest, dass der Geruchssinn sich bessert.
Thomas Hummel, Uniklinik Dresden

In anderen Fällen legt sich eine heftige Entzündung, etwa eine starke Erkältung, auf die Schleimhäute. Das schädigt und zerstört Riechzellen. Vor allem Frauen verlieren so häufig den Geruchssinn teilweise oder ganz. „Diese Form der Hyposmie bessert sich bei zwei von drei Betroffenen von alleine“, sagt Pharmakologe Hummel. Ist die Nasennebenhöhlen-Entzündung (Sinusitis) chronisch, verlieren etwa zwei Drittel der Patienten nach einigen Jahren der dauernden Entzündung an Riechvermögen.

Chemische Stoffe, etwa in einigen Medikamenten wie Antibiotika, können die Nase ebenfalls lähmen. Besonders Rauchen führt dazu, dass das Riechvermögen leicht abnimmt: Gase, Toxine und Stäube belasten die Riechzellen. „Wer mit dem Rauchen aufhört, stellt schnell fest, dass der Geruchssinn sich bessert“, sagt Hummel.

Auch im Gehirn kann eine Anosmie entstehen

Nicht nur in der Nase, sondern auch im Gehirn kann eine Anosmie entstehen, etwa durch ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem schweren Unfall. Bei einem harten Aufprall auf den Hinterkopf kann das Riechzentrum Schaden nehmen. „Durch einen Unfall können auch die Riechfasern abreißen“, sagt Hummel. „Dann werden die Signale von der Nase zum Gehirn nicht mehr weitergeleitet.“ Nur bei jedem fünften Betroffenen kommt der Geruchssinn nach einem Unfall zumindest teilweise wieder.

Anosmie kann manchmal auch ein Symptom für schwerere Erkrankungen sein. Selten beeinträchtigt ein Hirntumor das Riechzentrum. Auch für neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson kann der Verlust des Geruchsinns ein Vorbote sein. Patienten mit Parkinson können teils sogar Jahre vor dem Auftreten von Bewegungsstörungen nichts mehr riechen.

Untersuchungen haben ergeben, dass 95 Prozent der Parkinsonpatienten auch Anosmatiker sind. Der Umkehrschluss gilt freilich nicht: „Wer schlecht riechen kann, leidet keineswegs automatisch an Parkinson“, entwarnt Hummel. „Anosmie ist eine häufige Erkrankung, Parkinson dagegen sehr selten.“

Wer auf einmal Essen nicht mehr schmeckt oder nichts mehr riecht, sollte einen HNO-Arzt aufsuchen. Er führt zur Diagnose eine Nasenspiegelung (Rhinoskopie) durch. Zudem erkennt er mit dem Nasenendoskop, ob die Schleimhaut verändert ist. „Wir führen dann einen Riechtest durch und halten dem Patienten Stifte unter die Nase, die mit einem Duftstoff befüllt sind“, erläutert Hummel die Untersuchung.

Manchmal stellt sich Geruchssinn von alleine wieder her

Der Patient muss Gerüche wie Ananas, Teer oder Fisch erkennen. Ebenso wichtig ist es zu wissen, ob der Patient zum Beispiel Zwiebeln und Kaffee am Geruch unterscheiden kann. In einem dritten Test wird geprüft, welche Konzentration an Duftstoffen der Patient noch wahrnimmt.

Bringen diese Untersuchungen kein Ergebnis, kann der Arzt mit bildgebenden Verfahren arbeiten, etwa der Computertomografie oder der Magnetresonanztomografie. So kann man unter Umständen feststellen, ob die Ursache nicht in der Nase, sondern im Gehirn liegt.

In einigen Fällen stellt sich der Geruchssinn von allein wieder ein. Einigen Anosmatikern hilft auch eine Operation. Ärzte entfernen die Polypen oder rücken die Nasenscheidewände wieder gerade. Ist eine chronische Entzündung die Ursache, setzen Mediziner oft Kortikosteroide oder Antibiotika ein. Dies sollte nur eine kurzfristige Behandlung sein, da diese Medikamente langfristig Nebenwirkungen verursachen können.

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