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Die juristischen Konsequenzen

Einen Schuldigen wird es im PFC-Skandal wohl nie geben

Strafrechtlich ist der mutmaßliche Verursacher des PFC-Skandals, Franz Vogel, aus dem Schneider, denn die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt. Warum das so ist – und warum trotzdem noch einige Gerichtsverfahren zu erwarten sind.

Fühlt sich unschuldig: Kompostunternehmer Franz Vogel (rechts), hier mit seinem Anwalt Cedric Meyer.
Fühlt sich unschuldig: Kompostunternehmer Franz Vogel (rechts), hier mit seinem Anwalt Cedric Meyer. Foto: Kappler

Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden hat 2017 ihre Ermittlungen gegen den Kompostunternehmer Franz Vogel eingestellt. Er war als Verursacher der PFC-Belastungen im mittelbadischen Boden und im Grundwasser verdächtigt worden. Strafbares Verhalten sei aber nicht nachweisbar, heißt es in der Mitteilung der Staatsanwaltschaft.

Eine mögliche Umweltstraftat wäre bereits verjährt gewesen

Denn: Erst seit dem 21. Mai 2007 gibt es in Baden-Württemberg einen Erlass, der einen Grenzwert für PFC-Abfälle vorschreibt. Vorher habe Vogel nicht wissen müssen, dass er womöglich verseuchten Kompost ausbringe.

Kompostwerk Vogel in Bühl, PFC-Skandal
Mit der Umweltpartner Vogel AG hat er sich vor vielen Jahren selbstständig gemacht. Foto: Weller

Und erst seit dem 16. Dezember 2008 musste Kompost auf PFC untersucht werden. Zu dem Zeitpunkt hatte Vogel aber ohnehin schon die Verarbeitung von Papierfasern eingestellt – weil das Regierungspräsidium Stuttgart gegen ihn ein Verfahren wegen eines Verstoßes gegen die Düngemittelverordnung eingeleitet hatte.

Der Fall damals hatte allerdings nicht direkt mit den PFC zu tun. Vielmehr war es so, dass Vogel nach einer Änderung der Düngemittelverordnung im Jahr 2003 keine Papierfasern mehr hätte annehmen und verarbeiten dürfen. Er tat es dennoch, weswegen ihn das Regierungspräsidium Stuttgart 2008 letztlich mit einem Bußgeld von 40.000 Euro belegte.

Danach stellte er das Papier-Kompost-Gemisch nicht mehr her. Und brachte somit nach 2008 auch keine PFC mehr auf Agrarflächen auf.

Vogel hat also erwiesenermaßen Geschäfte mit verbotenen Papierfasern gemacht. Dass die auch noch mit PFC belastet waren, hat er vielleicht wirklich nicht gewusst.

Hinzu kommt: Bei Aufnahme des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens im Jahr 2014 war eine mögliche Schuld zudem bereits verjährt. Die entsprechende Frist liegt bei fünf Jahren.

Wurde unzureichend ermittelt?

Hinter vorgehaltener Hand äußern manche Beobachter des Verfahrens Kritik am Vorgehen der Staatsanwaltschaft: Sie hätte statt in einer minderschweren Umweltstraftat gegen Vogel auch in einer schweren Umweltstraftat ermitteln können. Die Verjährungsfrist hätte dann bei zehn Jahren gelegen.

Zudem habe die Staatsanwaltschaft versäumt, ihre Untersuchungen auf die Papierfabriken auszuweiten, von denen Vogel die Papierfasern bezog.

Deren Rolle bleibe damit unklar: Es sei immerhin denkbar, dass sie sich Vogels bedient hätten, um PFC-belasteten Abfall loszuwerden, heißt es. Zudem hätten die Papierfabriken Vogel möglicherweise gar nicht mit den indizierten Papierfasern beliefern dürfen.

Die Staatsanwaltschaft erklärte am Ende des Verfahrens: Weil zumindest nicht alle von Vogel beigemischten Abfallstoffe PFC enthielten, sei nicht mehr zu klären, welche Anlieferungen belastet waren und welche nicht. Daher sei in den Papierfabriken nicht ermittelt worden.

Teuer wird es für Franz Vogel dennoch

Konsequenzen hat der Skandal für Vogel dennoch: Zunächst verdonnerten ihn die Stadt Baden-Baden und das Landratsamt Rastatt zur Zahlung von 242.000 Euro.

Franz Vogel, Komposthändler aus Bühl, gilt als vermeintlicher Verursacher des PFC-Skandals in Mittelbaden.
Franz Vogel, Komposthändler aus Bühl, gilt als vermeintlicher Verursacher des PFC-Skandals in Mittelbaden. Foto: Weller

Auf diese Summe belaufen sich Kosten für Boden- und Gewässerproben, die kurz nach dem Bekanntwerden der Belastungen entnommen wurden. Vogel wehrte sich dagegen, scheiterte aber sowohl am Verwaltungsgericht Karlsruhe als auch anschließend am Verwaltungsgerichtshof in Mannheim.

Beide Gerichte argumentierten, dass es ausreichende Anhaltspunkte gäbe, um Vogel für die Verschmutzung in Haftung zu nehmen. In verwaltungsrechtlicher Hinsicht gebe es genügend Indizien, Vogel als „Störer“ zu betrachten und ihn, wie es im juristischen Jargon lautet, für die „vollständige Beseitigung der Störung in Anspruch zu nehmen.“

Stadtwerke verklagen den Komposthändler auf mehrere Millionen Euro

Die Stadtwerke Rastatt haben daraufhin im April 2019 auch den zivilrechtlichen Weg beschritten – und klagen nun auf Schadensersatz. In einer ausführlichen Klageschrift, die unserer Redaktion vorliegt, fordern sie von Vogel die Zahlung von einer Summe von insgesamt 6,5 Millionen Euro.

Olaf Kaspryk hält die Klageschrift in der Hand, mit der er gegen den mutmaßlichen Verursacher des PFC-Skandals vorgehen möchte.
Olaf Kaspryk hält die Klageschrift in der Hand, mit der er gegen den mutmaßlichen Verursacher des PFC-Skandals vorgehen möchte. Foto: Weller

Die Summe setzt sich aus sämtlichen Kosten zusammen, die bislang bei den Stadtwerken Rastatt im Zusammenhang mit der PFC-Belastung angefallen sind. Vorrangig resultieren sie aus Maßnahmen zur Sanierung von Trinkwasseranlagen.

„Letztendlich haben wir die Wasserpreise aufgrund dieser Investitionen erhöhen müssen“, erklärt Geschäftsführer Olaf Kaspryk. „Die Verbraucher in Rastatt gehen sozusagen in Vorleistung, bis alles gerichtlich geklärt ist.“ Er geht davon aus, dass sich der Rechtsstreit über mehrere Instanzen und über mehrere Jahre hinzieht .

Die Stadt Hügelsheim hat ebenfalls eine Schadensersatzklage gegen Vogel eingereicht; die Stadt Bühl prüft eine Klage. Weitere Kommunen, in denen vergleichbare PFC-Belastungen entstehen, werden die Prozesse sicher aufmerksam verfolgen.

Verwaltungsrechtlich wurde Franz Vogel verurteilt.
Verwaltungsrechtlich wurde Franz Vogel verurteilt. Foto: Weller

Auch sie könnten Vogel theoretisch auf erheblichen Schadensersatz verklagen. Unklar ist, ob der Komposthändler überhaupt in der Lage ist, entsprechende Zahlungen zu leisten.

Vogel denkt über eine Verfassungsbeschwerde nach

Die Bürgerinitiative aus Kuppenheim möchte sich als Umweltverband anerkennen lassen, damit sie ebenfalls klagen kann. Das Landratsamt spricht davon, dass noch zahlreiche verwaltungsgerichtliche Verfahren folgen könnten.

Und Franz Vogel? Der möchte, wenn nötig, Verfassungsbeschwerde einreichen.

Auf einem goldenen Hufeisen in seinem Besprechungsraum steht: „Mut ist am Anfang. Glück am Ende.“

PFC: Das Gift in uns

Die Geschichte des größten Umweltskandals Deutschlands – mit seinen Hintergründen, gesundheitlichen Risiken, juristischen Folgen und persönlichen Schicksalen – erzählt dieses multimediale BNN-Dossier.

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