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Ettlinger Schloss

Beim Ettlinger Nachtcafé geht es um Esel, Eulen und ein Raumschiff

„Jung und intensiv“ heißt das Nachtcafé im Ettlinger Schloss und bietet Humorvolles, aber auch Nachdenkliches. Und am Ende kommt der „Vergangenheitsmän“.

Frau liest auf Bühne
Was die Oma oder überhaupt was die Familie sagt, spielt in den Texten von Sandra da Vina häufig eine Rolle. Foto: Jens Wehn

Eigentlich war es beim aktuellen Nachtcafé „Jung und intensiv“ im Ettlinger Schloss ja wie beim Poetry-Slam, nur ohne Slam: Drei Künstler unterhalten im fliegenden Wechsel ihr Publikum mit Selbstgemachtem.

Es wird gesungen, es wird erzählt, es wird skandiert, gereimt und Spaß gemacht. Selbst der Moderator wäre beinahe derselbe gewesen, wie bei den beliebten Poetry-Slams.

Aber eben nur beinahe, denn der angekündigte Stefan Unser war verhindert, weswegen dessen Aufgabe in die Hände von Laura Gommel gelegt wurde, die das Publikum durchs Programm führte.

Musik und Texte im Ettlinger Schloss

Und die Künstler? Nun, die waren auch allesamt slamgestählt. Die einzige Dame in der Runde, Sandra da Vina, war sogar die erste Frau, welche die nordrhein-westfälische Landesmeisterschaft im Poetry-Slam gewann, eine Poeta laureata gewissermaßen.

Die anderen beiden, Sinu und Thomas Franz, sind zwar eher der Liedermacherszene zuzurechnen. Aber Sinu zum Beispiel sorgte in der Ettlinger Stadthalle bereits für solide musikalische Auflockerung von mindestens einem Poetry-Slam. Auch Sinus’ Kollege Thomas Franz nennt sich Liedermacher, trotzdem sind beide sehr unterschiedlich.

Die echten Sorgen eines Deutsch-Türken

Doch der Reihe nach: Den sehr gut besuchten Abend eröffnete Sinu. „Ich bin auf dem Weg“, ein Lied vom Suchen, vom Finden und der Ahnung, dass das Gefundene nur vermeintlich das Gesuchte war. Klingt kompliziert? Ist es aber gar nicht, wenn, wie Sinu erzählt, Menschen wie er sich jetzt wieder Gedanken – ach was, Gedanken: Sorgen! – darüber machen müssen, ob sie Gefahr laufen, ihre Heimat in Deutschland verlieren.

Sinu ist türkischer Abstammung, die Mutter eine Deutsche, der Vater aus Istanbul. Im Saarland ist er geboren, in der Türkei hat er die Kindheit verbracht, zur Schule ging er wieder in Deutschland. Seine Lieder teilen sich die Mutter- und Vatersprache. Er begleitet sich selbst an der Gitarre, spannt lange Melodiebögen, die er mit Einwürfen im Falsettgesang ausziert. Singt von Salzwasser, das einen trägt und vom Arkadasim Esek, dem „Freund, der Esel“. Schön klingt das, sein Publikum hat er rasch gepackt.

Und plötzlich liebt man Eulen

Es liegt an Sandra da Vina, nun mit ihren Texten die kontemplative Stimmung komödiantisch zu wenden. Sie macht das zum Beispiel mit einem Text, der sich damit auseinandersetzt, dass einen das Umfeld eine Eigenschaft zuschreibt, die man eigentlich gar nicht hat. Eine Vorliebe für Eulen zum Beispiel, was soll man also machen mit all den euligen Dingen, Spielsachen, Plüschtieren und so weiter, die man so geschenkt bekommt.

Doch ihrer Oma – in da Vinas Texten geht es häufiger familiär zu – gebührt die Punchline: „Bis du zehn Jahre alt warst, glaubtest du auch, ich würde mich über Selbstgebasteltes freuen.“ Texte mit Hang zum Stand-Up, allemal ein ordentlich Kurzweil.

Bissig wurde es mit Thomas Franz, dessen Lieder jede Liedermacherseligkeit unterliefen. Der von „Vergangenheitsmän“ durch die Zeit transportiert wird und an den Verhältnissen der 70er scheitert. Der die Unordnung, den Schmutz und Unrat in einem Raumschiff besingt, in dem niemand sich fürs Putzen zuständig fühlt – „In unserm Raumschiff sieht es scheiße aus“ – und das doch eine Parabel auf die Zustände und den Zustand der Welt ist. Es ist verdammt komisch, was Franz mit ungerührter Mine anrichtet, ein musikalischer Buster Keaton. Fein war’s, das Nachtcafé.

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