Gestern bestellt, spätestens morgen da – das Konzept Expressversand boomt besonders in Pandemiezeiten. Malscher müssen allerdings auch mal neun Monate auf ihre Bestellung warten – zumindest, wenn sie diese am sogenannten „Kindlesbrunnen“ getätigt haben.
Der Klapperstorch, das „bürgerliche“ Wappentier von Malsch und zugleich der Spitzname für seine Bewohner, sorgt dann für die Auslieferung. Meistens jedenfalls. So beschreibt es Wilhelm Wildemann in seinem Buch „Malscher Leben“. Bis heute findet sich der Storch in verschiedensten Erscheinungsformen wieder. Sei es der Storchenplatz (Kirchplatz), der Storchenbrunnen oder das Wappen der Fastnachter Storchengarde (GroKaGe).
In dem Leitspruch aus der „Pflugschar“ der GroKaGe steht unter anderem: „An Fasnacht, do sin mir halt alle Narren“ und einigt damit die sogenannten „Altmalscher“ und Heimatvertriebene aus dem Osten sowie Zugezogene. Aber auch in natura wird sich um die Störche gekümmert: Seit einem Brand im Jahr 1909, bei dem das Storchennest auf dem Malscher Rathausdach zerstört worden war, wurde versucht, die Störche wieder im Dorf anzusiedeln.
Im Frühjahr 2018 und nach dem Bau dreier verschiedener Storchennester an unterschiedlichen Standorten zog dann endlich ein Storchenpaar zwei Junge groß. Jedoch nicht auf dem wiederaufgebauten Nest auf dem Rathaus, sondern im Federbachbruch, der sich ganz in der Nähe des Kindlesbrunnen befindet.
Rainer Walter von den Heimatfreunden Malsch erzählt, dass es natürlich auch individuelle Spitznamen unter den Malschern gab: „Wenn dann einer gestorben ist, stand der bürgerliche Namen in der Todesanzeige, und da wusste dann im ersten Moment niemand, wer gemeint war, weil man sich eben mit den Spitznamen angeredet hatte.“
Beispiele für solche wären etwa „dä Affesepp“, „dä Grummhals“ oder „d’Ölpeter“. Spitznamen haben also eine Art Zusammengehörigkeit ausgedrückt. So wird zum Beispiel die Existenz von Übernamen für Juden sowie Nicht-Juden als Beweis für ein gutes Miteinander angeführt. Beispiele hierfür: „Maier Abraham“ wurde „Keppler“ genannt oder „Maier Maier“ trug den Übernamen „Kanonen Maier“, während „Schlemmer-Bäck“ für „Löb Friedrich“ zu den ausgefalleneren Spitznamen zählte.
Hieraus lässt sich ablesen, dass nicht nur Zusammengehörigkeit, sondern auch eine gewisse Ordnung mit dem System der Spitznamen geschaffen wurde.
Aber man konnte nicht nur Familiennamen wie Maier damit auseinanderhalten, weiß Walter zu berichten. Seit dem 18. Jahrhundert kam es bei Nachbarschaftsgesprächen vermehrt zu Unklarheiten, welcher „Johannes“ oder welche „Maria“ denn jetzt genau gemeint sei, da die Verehrung des St. Johannes von Nepomuk seitens Markgräfin Sibylla Augusta Auswirkungen auf die Kirchenbücher gehabt hatte. Bei der Taufe häuften sich also beide oben genannten Namen, weshalb mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit einer der Namen in einer Malscher Großfamilie (wie zum Beispiel Kunz, Kastner) vorgekommen ist.
Die Altmalscher Übernamen
Um also ihre Mitbürger zweifelsfrei identifizieren zu können, hatten die Altmalscher schrittweise ein eigenes System etabliert: Die Altmalscher Übernamen. Die Kriterien für einen solchen Übernamen waren neben einem familienspezifischen Berufszweig oder Vornamen besonders bekannter Familienmitglieder natürlich auch häufig auffallende Erscheinungsmerkmale. So bekam der Familienname Kastner beispielsweise den Spitznamen „s’Männels“, was die Mundart-Version von „kleiner Mann“ ist. Eine Kombination, in der beinahe alle oben genannten Kriterien zu finden sind, wäre „s’Bier-Ottos-Hermann“ für den Familienname Kunz. Die Herleitung von „Brauer, Wirt“ ist hier gut herauszulesen.
Und wer nun davon ausgeht, dass sich die Malscher mit dieser Fülle an Spitznamen und deren Systeme zufriedengegeben hätten, darf sich wundern: Sogar Straßen hatten Spitznamen. So wurde die Hebelstraße in Malsch beispielsweise mit dem Übernamen „Huddelgass“ belegt oder die Kreuzstraße mit „Schwonebuckel“. „Wie diese Übernamen aber genau entstanden sind, kann ich Ihnen auch nicht sagen“, sagt Rainer Walter und lacht.