Während sich der Südwesten Deutschlands noch im Urlaubsmodus befindet, hält in der Natur schon der Herbst Einzug. Ein untrügliches Zeichen dafür ist der spätsommerliche Vogelzug. In diesen Tagen befinden sich Störche, Kraniche, Milane und Co auf der weiten Reise in die südeuropäischen und afrikanischen Winterquartiere.
In großen Schwärmen, langen Reihen oder in der V-Formation – der Vogelzug ist ein Naturphänomen, das die Menschen seit je fasziniert. Auch die Naturschützerin Bettina Haßler ist beeindruckt, wenn sie in Schluttenbach Züge von Großvögeln wie Wildgänse, Kraniche oder Kormorane beobachtet.
„Die Hangkanten mit dem darin eingebetteten Kreuzelberg bilden eine traditionelle, wohl jahrhundertealte Zugleitlinie“, erklärt sie. Arten wie Rot- und Schwarzmilane, Wiesenweihen, Wespen- und Mäusebussarde nutzen die Hangkante und die davor und dahinter liegenden Streuobstwiesen als Nahrungshabitat und als Rastmöglichkeit.
Verschiedene Zugvogelarten machen sich gemeinsam auf den Weg
Für den Weiterflug nutzen sie die Thermik über der Hangkante. Dabei machen sich oft mehrere Zugvogelarten gemeinsam auf die Reise. Haßler sichtete bereits Mäusebussarde und Schwarzstörche, die sich den Rotmilan-Zügen anschlossen – diese Symbiose biete den Vögeln Sicherheit. „Eine andere Art der Symbiose konnte ich bei Schwalben dokumentieren. Schwalbenzüge werden häufig von Baumfalken begleitet. Der Baumfalke schlägt unter anderem Schwalben, die zu seinem Nahrungsrepertoire gehören“, so Haßler.
Wer es am weitesten hat, fliegt zuerst.Klaus Lechner, Naturschutzbund Karlsruhe
Bei dem Abflugzeitpunkt gebe es je nach Art große Unterschiede, erklärt Klaus Lechner, Artenschutzreferent beim Naturschutzbund (Nabu) Karlsruhe. Langstreckenzieher, die in Afrika überwintern, machen sich schon sehr früh auf die Reise. Die Grundregel, erklärt Lechner, sei „wer es am weitesten hat, fliegt zuerst“. Kurzstreckenzieher sind wählerisch und warten auch mal auf geeignetes Flugwetter.
Es gibt auch Zugvögel, deren Abflug man fast auf den Tag genau terminieren kann. Bei den Mauerseglern, so Lechner, sei dies im Ettlinger Raum etwa der 26. Juli. Die Schwalben sind dagegen noch in der Region – in circa drei Wochen brechen sie auf. Bei vielen Arten fliegen Weibchen, Männchen und die Jungen getrennt; Kraniche dagegen fliegen immer im Familienverband.
Der Flug Richtung Süden ist für die Flugkünstler äußerst kräftezehrend und kein ungefährliches Unterfangen. Nach Mitteilung der Umweltstiftung NatureLife sind sie in diesem Jahr besonderen Gefahren ausgesetzt. Die verheerenden Brände in Griechenland, Süditalien, Frankreich und Spanien haben viele Rast- und Nahrungsgebiete vernichtet. Und nicht nur das: „Es werden irrsinnigerweise Sümpfe trockengelegt und auf ehemaligen Mooren wird Landwirtschaft betrieben“, so Claus-Peter Hutter, Präsident von NatureLife.
Der seltene Wiedehopf ist wieder zu sehen
Wer Glück hat, kann in der Hauptzugzeit auch seltene Arten beobachten. Dazu zählt der Wiedehopf, bekannt aus dem beliebten Kinderlied „Die Vogelhochzeit“. Seine Kennzeichen: rotbrauner Oberkörper, schwarzweiß gestreifte Flügel, langer dünner Schnabel – und wenn er seine Haube stellt, wird aus ihm ein Indianerhäuptling.
Allerdings ist er in Deutschland so selten, dass die meisten Kinder ihn sicher nie zu Gesicht bekommen. Zu Beginn der 1990er Jahre galt der Vogel als fast ausgestorben – nun meldet er sich zaghaft zurück. „Die Bestände nehmen erfreulicherweise seit Jahren wieder zu“, bestätigt Christopher König vom Dachverband Deutscher Avifaunisten (DDA). In Baden-Württemberg brüten wieder über 100 Paare, die meisten am Kaiserstuhl.
Während der letzten vier Jahre gab es in Schluttenbach und Völkersbach regelmäßig Sichtungen. „Neulich bin ich vom Ruf eines Wiedehopfes geweckt worden“, freut sich Meike Albert aus dem Malscher Höhenort. Die europäischen Wiedehopfe überwintern bevorzugt in Savannengebieten südlich der Sahara.
Bleibt noch die Frage: Wie geht es dem Storchenkind, das in Neuburgweier mit einem Sender ausgestattet wurde und über das die BNN berichtete? Die App Animal Tracker verrät, dass der Storch mit dem Namen „Rheinstetten“ am Wochenende die Pyrenäen hinter sich gelassen hat. Mal sehen wie weit ihn seine jungen Flügel tragen.