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Werbeikonen und Co.

Die Influencer des Pantoffelkinos

Werbeträger sind kein Phänomen sozialer Netzwerke. Sie gibt es deutlich länger. Personen wie Thomas Gottschalk stehen dabei oftmals im Scheinwerferlicht für die Industrie.

Der Showmaster Thomas Gottschalk steht am Sonntag (04.05.2008) im Chemnitzer Industriemuseum vor einem Plakat mit dem Schriftzug "Haribo". Gottschalk eröffnete in Chemnitz die Wanderausstellung "Haribo - Mit dem Goldbären zur Kultmarke". Bis zum 20. August 2008 können die Besucher die Geschichte des Bonner Unternehmens kennenlernen, das auch eine Produktionsstätte in Wilkau-Haßlau (Zwickauer Land) betreibt. Die Ausstellung beleuchtet die Entwicklung der Süßwarenproduktion vom Bonbonkocher zur modernen Fertigungsstraße sowie von loser Ware zum Folienbeutel. Foto: Peter Endig dpa/lsn +++ dpa-Bildfunk +++
24 Jahre, 260 TV-Spots und über 300.000 Sendeauftritte währt die Symbiose aus Thomas Gottschalk und den Haribo-Goldbären. Dann reicht die deutsche Werbeikone des Gummibärchen-Herstellers seinen Werbevertrag an den Kollegen Bully Herbig weiter. Foto: Peter Endig/dpa

Innig geliebte Werbeträger sind kein Phänomen sozialer Netzwerke. Influencer gibt es schon viel früher, im guten alten Fernsehen. Viele dieser Werbeikonen beziehen zwar längst ihre wohlverdiente Rente, sind aber unvergessen - wie die patente „Klementine“ etwa, das cholerische HB-Männchen, der adrette „Herr Kaiser“ oder Mister-Goldbär Thomas Gottschalk. Alle spiegeln den Geist ihrer Zeit wieder, wecken Erinnerungen und zaubern uns ein Lächeln ins Gesicht.

Die patente Stütze waschender Hausfrauen

Klementine, die „Waschfrau der Nation“ ist keine waschechte Klempnerin. Die Rolle der burschikosen Waschmaschinenberaterin in den Werbespots für das Waschpulver „Ariel“ mimt die Schauspielerin Johanna König. Die personifizierte „porentiefe Reinheit“ wird 1921 als Tochter des Leibkochs des letzten sächsischen Königs in Leipzig geboren.

Von 1968 bis 1984 bohrt sie sich mit den Slogans „Wäscht nicht nur sauber, sondern (porentief) rein“ und „Ariel in den Hauptwaschgang“ in das Werbegedächtnis der Fernsehkonsumenten.

Natürlich trägt sie weiß: ein rot-weiß kariertes Hemd, eine weiße Latzhose und eine ebensolche Schirmmütze – jeweils mit dem roten Schriftzug „Klementine“.

Als sie mit 63 Jahren in den Ruhestand muss, hagelt es Proteste. Die Zuschauer kämpfen für ihre Sauberfrau: Waschkörbe voller Beschwerdepost landen beim Waschmittel-Hersteller Procter & Gamble. Fans gründen den Verein „Rettet Klementine“.

Werbefigur im Scheinwerferlicht

Zwischen 1993 und 1996 reüssiert Johanna König mit ein paar Spots – auf eigenen Wunsch hin jedoch ohne ihr Markenzeichen Latzhose. Zu ihrem 79. Geburtstag schenkt ihr der Hersteller von „Ariel“ (benannt nach dem Luftgeist in Shakespeares „Sturm“) ein „Ariel-Deputat“ auf Lebenszeit, das zwei Päckchen Waschpulver pro Monat umfasst.

Seit 1968 wirbt die "Wasch-Expertin der Nation" und eine der bekanntesten Werbekultfiguren Deutschlands für Ariel und damit für "Wäsche, die nicht nur sauber, sondern rein ist". Foto: Ariel; Abdruck honorarfrei bei Quellenangabe.
Klementine, die „Waschfrau der Nation“ ist keine waschechte Klempnerin. Die Rolle der burschikosen Waschmaschinenberaterin in den Werbespots für das Waschpulver „Ariel“ mimt die Schauspielerin Johanna König. Foto: Procter&Gamble/dpa

Johanna König stirbt 2009 im Alter von 87 Jahren. Sie steht nicht nur als Werbefigur im Scheinwerferlicht. Sie spielt in mehr als 6o Filmen und brilliert in bekannten Fernsehserien wie „Drei Damen vom Grill“ oder „Praxis Bülowbogen“ an der Seite von Günter Pfitzmann. Ihre Klempnerinnen-Garderobe ist heute Teil der Dauerausstellung im Deutschen Werbemuseum in Frankfurt am Main.

„Klementines“ Frauenbild wird kontrovers bewertet: Die eine sehen in ihr die Emanzipierte, die ihre Frau in einem klassischen Männerberuf steht. Für die anderen basiert die „Ariel“-Werbung auf dem klassischen Rollenverständniss der damaligen Zeit, bei dem sich die Frau um den Haushalt kümmert.

Ein Glassplitter und Nägel trinkendes Männchen

Auf der Weltausstellung 1894 in Lyon schlägt die Geburtsstunde des Michelin-Männchens, offiziell Bibendum oder kurz Bib genannt. Die beiden Gründer des französischen Reifenherstellers entdecken einen Stapel Autoreifen verschiedener Größen und in weiße Stoffhüllen verpackt: „Wenn er Arme hätte, sähe er fast wie ein Mensch aus“, sagt der eine Michelin-Bruder zum anderen.

Gemeinsam mit dem Werbezeichner O’Galop entwerfen sie vier Jahre später das erste Werbeplakat. Der Titel lautet „Nunc est bibendum“, ein römischer Trinkspruch, der übersetzt „Jetzt lasst uns trinken“ bedeutet. Auf den ersten Blick eine rätselhafte Kombination, Autoreifen und Trinkkelch.

Doch die Unterzeile löst den scheinbaren Widerspruch auf: „Auf Ihr Wohl! Der widerstandsfähige Michelin-Reifen schluckt das Hindernis!“ Dies bezieht sich auf die Glassplitter und Nägel – keine Seltenheit auf den staubigen Straßen zur Jahrhundertwende –, die der Michelin-Mann genüsslich und problemlos schluckt.

Bibendum trägt anfangs Binokel, eine Brille ohne Träger, raucht kubanische Zigarren und trinkt aus einem Kelch. Kein Wunder, nur wenige können sich um die Jahrhundertwende Autos leisten. Jene Privilegierten sprechen in der Regel Latein und sind weltbewandert. Deshalb das lateinische Motto.

Das Michelin-Männchen steht am 07.11.2012 in Berlin. Das Unternehmen veröffentlicht am 25.07.2013 die Zahlen des zweiten Quartals. Foto: Stephanie Pilick/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
Im Laufe der Jahre passt sich das stumme Michelin-Männchen Bibendum dem Zeitgeist an. Dabei verliert das Pummelchen auch an Gewicht: Bibendum magert von 40 auf 26 Reifen ab. Seine Farbe hingegen bleibt weiß. Foto: Stephanie Pilick/dpa

Im Laufe der Jahre passt sich der stumme Bibendum dem Zeitgeist an. Das Maskottchen verzichtet aufs Trinken, hängt das Zigarre-Paffen an den Nagel, erhält freundlichere Gesichtszüge und legt mit Trimm-Sport los. Dabei verliert das Pummelchen auch an Gewicht: Bibendum magert von 40 auf 26 Reifen ab. Seine Farbe hingegen bleibt weiß. Vor 1912 sind Reifen entweder grau-weiß oder haben einen leicht-transparenten beigen Farbton. Erst später wird dem Gummimix Kohlenstoff beigemischt.

Im Jahr 2000 kürt eine Jury der „Financial Times“ den liebenswerten Bibendum zum besten Logo aller Zeiten. Im Londoner Stadtteil Fulham wird dem Männchen im Michelin House gedacht, dessen Restaurant „Claude Bosi at Bibendum“ im aktuellen Michelin-Guide UK mit zwei Michelin-Sternen dekoriert ist. Und auch in Karlsruhe ist die beliebte Figur Bibendum präsent: Vom Dach des Hauptsitzes der deutschen Michelin Reifenwerke an der B 36 strahlt ihr charakteristisches Lächeln weit über die Michelin-Brücke hinaus.

Die Zigarette als Problemlöser und Entspannungshilfe

Die Zeichentrickfigur Bruno, besser bekannt als HB-Männchen, kommt ins Bild des Werbespots. Er ist guter Laune, pfeift die ersten Takte von „Freut Euch des Lebens!“. Doch Bruno ist tolpatschig, kämpft wie der Bundesbürger mit den Tücken neuer Produkte. Er verflucht Rasenmäher und Wandschränke, richtet immer größeres Chaos an, zerdeppert Vasen und Weinflaschen. Seine unverständlichen Flüche sind rückwärts und schneller abgespielte Wortfetzen einer Waschmaschinen-Werbung für arabische Länder. Völlig genervt geht er schließlich mit hochrotem Kopf und dem Geräusch einer startenden Rakete in die Luft.

 Das «HB-Männchen» war im Westdeutschland der Nachkriegszeit eine der bekanntesten Werbefiguren - sein Erfinder Theo Breidenbach ist nun gestorben. (zu dpa "Der Erfinder des «HB-Männchens» ist gestorben") +++ dpa-Bildfunk +++
Das HB-Männchen ist die „populärste Kunstfigur“ der Bundesrepublik. Sie bringt es in den 1960er-Jahren mit 96 Prozent zu einem höheren Bekanntheitsgrad als der Bundeskanzler. Foto: British American Tobacco/dpa

Aus dem Nichts taucht der dem HB-Signet nachgebildete kleine HB-König mit purpurrotem Umhang und Königskrone auf und verkündet mit beruhigender Stimme die Werbebotschaft: „Halt, mein Freund, wer wird denn gleich in die Luft gehen? Greife lieber zur HB, dann geht alles wie von selbst.“ Zugleich zieht er Bruno wieder ins Bild und reicht ihm die rettende Zigarette.

Trickfilmregisseur Roland Töpfer und Werbefachmann Theo Breidenbach kreieren für den Tabakwarenhersteller British American Tobacco mehr als 400 Spots, die immer nach dem gleichen Muster ablaufen und bei Sammlern heiß begehrt sind. Sie werden von 1957 bis 1984, nach dem Werbeverbot für Zigaretten im Fernsehen (1974) nur noch im Kino gezeigt. Die „populärste Kunstfigur“ der Bundesrepublik bringt es in den 1960er-Jahren mit 96 Prozent zu einem höheren Bekanntheitsgrad als der Bundeskanzler. Der Ausdruck „HB-Männchen“ wird sprichwörtlich für das Verhalten eines leicht erregbaren Menschen.

Der Grüßaugust der alten Bundesrepublik

„Mami, Mami, der Mann von der Hamburg-Mannheimer“. Der fiktive Versicherungsvertreter „Herr Kaiser“ lässt sich im Fernseh-Werbespot von Kindern auf der Straße erkennen. Die „Kühlerfigur der Vorsorgebranche“ bewegt sich stets korrekt in Schlips und Anzug und in der linken Hand mit einem Aktenkoffer durch Parks, Kleingartenkolonien, Hochhaus- und Einfamiliensiedlungen.

Haftpflicht, Unfallrisiken und Altersvorsorge sind seine Mission. Die rechte Hand ist immer frei für den sympathisch-festen Händedruck mit dem Nachbarn und Versicherungsnehmer. Dieter Hallervorden verulkt die Kultfigur in seiner REihe „Nonstop Nonsens“ als „Der Mann von der Humbug-Mülleimer“.

 Der Schauspieler Nick Wilder als "Herr Kaiser" präsentiert anlässlich des 35-jährigen Jubiläums der Werbefigur der Hamburg-Mannheimer-Versicherungsgruppe ein T-Shirt vor Pressevertretern (Foto vom 29.03.2007). Tschüss, Herr Kaiser? Die Werbefigur der Hamburg-Mannheimer muss um ihren Job bangen. Ihr Arbeitgeber, der Versicherungskonzern Ergo, beerdigt mit Hamburg-Mannheimer, Victoria und KarstadtQuelle Versicherungen gleich drei große Namen auf einmal. Foto: Christian Hager dpa/lnw (zu KORR: "Herrn Kaiser droht die Rente - Hamburg-Mannheimer heißt künftig Ergo" vom 20.11.2009) +++ dpa-Bildfunk +++
Der Schauspieler Nick Wilder als „Herr Kaiser" präsentiert anlässlich des 35-jährigen Bestehens der Werbefigur der Hamburg-Mannheimer-Versicherungsgruppe ein T-Shirt. Foto: Christian Hager/dpa

Von 1972 bis 2009 wird „Herr Kaiser“, verkörpert zunächst von Günter Geiermann, dann von Franz Michael Schwarzmann und ab 1996 von Nick Wilder, zum Zahnpasta-Dauerlächler, Besorgnisteiler und Kinder-über-den-Kopf-Streichler. „Gut, dass ich Sie treffe“ lautet sein anbandelnder Vertreterspruch. Und auch sonst räumen seine Sätze keine Kreativpreise ab. Wenn seine Betreuten den Fahrstuhl meiden und lieber die Treppe hochhechten sagt Kaiser: „Ja, so sind sie, die Kunden der Hamburg-Mannheimer: mit Spaß aktiv und gut versichert. Die haben mehr vom Leben!“

Mit der Übernahme der Hamburg-Mannheimer durch die Ergo Lebensversicherung stirbt 2009 eine der letzten Ikonen aus der Zeit, als Werbefiguren noch zum eiche-rustikalen Mobiliar deutscher Wohnzimmer gehören. 110 Jahre zuvor ist die Gesellschaft am 29. April 1899 in Mannheim als Vita Versicherungs-Actien-Gesellschaft gegründet worden.

Am 1. April 1912 wird der Geschäftssitz nach einem Besitzerwechsel in die Hamburger Innenstadt verlegt und umbenannt. 2011 erschüttert ein Sexskandal den Ergo-Versicherungskonzern, der in einem Budapester Thermalbad spielt: „Mordsspaß mit Prostituierten für die Truppe von Herrn Kaiser“ lautet eine der damaligen Schlagzeilen.

2013 macht die „Bild“-Zeitung auf das traurige Schicksal von Günter Geiermann, den ersten Herrn Kaiser, aufmerksam. Ausgerechnet der Versicherungswerbestar hat sich selbst nicht ausreichend versichert und kein Geld mehr für neue Zähne auf der hohen Kante.

Der sedierende Feuersalamander

Die Comicfigur Lurchi verdanken wir quengelnden, gelangweilten Kindern beim Schuheinkauf der Eltern. Der Schuhhersteller Salamander aus Kornwestheim erkennt dieses Dilemma früh und steuert schon 1937 gegen – als er selbst noch keine Kinderschuhe im Angebot führt. Um entspannte Beratungsgespräche zu ermöglichen unbd die unruhigen Kinder zu beschäftigen, legt die Firma eine Heftserie mit einem gezeichneten Feuersalamander auf. Mittlerweile sind 168 grüne Hefte mit „Lurchis Abenteuern“ erschienen, zum großen Teil in Sammelbänden wieder aufgelegt – ein Kult- und Sammlerobjekt für eine große Fangemeinde.

Lurchi weiß, wie wichtig Muskeltraining für die Füße ist. Tag des Fußes am 24.06.15 / Barfußlaufen - so wichtig für ein gesundes Fußwachstum / Weiterer Text über ots und www.presseportal.de/pm/17195 / Die Verwendung dieses Bildes ist für redaktionelle Zwecke honorarfrei. Veröffentlichung bitte unter Quellenangabe: "obs/Salamander GmbH"
Stets gehen Lurchis Abenteuer erfolgreich aus. Lurchi, die Werbefigur des Schuhherstellers Salamander weiß natürlich auch, wie wichtig Muskeltraining für die Füße ist. Foto: obs/Salamander GmbH

Die mittig gehefteten Bändchen mit jeweils zirka acht Doppelseiten im DIN-A5-Format sind für Kinder im Grundschulalter konzipiert und in Schreibschrift verfasst. Bis Heftnummer 129 bestehen die Texte aus einfachen Paarreimen, danach werden normale Fließtexte mit größerer Breitenwirkung benutzt. Lurchi und seine Kumpel Hopps der Frosch, Piping der Zwerg, Mäusepiep der Mäuserich und Unkerich die Gelbbauchunke werden im Jahr 2000 von Grund auf modernisiert und laufen ab sofort bekleidet herum.

Stets gehen Lurchis Abenteuer erfolgreich aus. Dies ist natürlich dem vielfältigen und teils unkonventionellen Einsatz der Salamanderschuhe zu verdanken. Der Schlussreim beinahe jedes Heftes lautet: „Lange schallt’s im Walde noch: Salamander lebe hoch!“ Lurchi wirbt sowohl als Sympathieträger für die Schuhmarke als auch für die bedrohte Spezies der Feuersalamander. Er wird zudem als Malheft, Hörspiel, Stofftier, Gummifigur und Schlüsselanhänger vermarktet (www.lurchis-welt.de).

Gottschalk macht Kinder und Erwachsene froh

Ein wild gemusterter Blouson, der typische Lockenkopf, das Grinsen als Markenzeichen: So erscheint Thomas Gottschalk 1991 in seinem ersten Werbespot für Haribo. „Wie bei Muttern“ heißt der 20-sekündige Streifen, in dem der Baden-Badener rasch eine Handvoll Gummibärchen hamstert, bevor seine Mutter mit dem viel zu gesunden Eintopf um die Ecke Richtung Mittagstisch schießt. 24 Jahre, 260 TV-Spots und über 300.000 Sendeauftritte währt die Symbiose aus Gottschalk und Goldbären. Dann reicht die deutsche Werbeikone des Gummibärchen-Herstellers seinen Werbevertrag an den Kollegen Bully Herbig weiter.

„Haribo und ich, das ist eine Ehe, die nur der Himmel trennen kann. Die Goldbären und ich waren ein Glücksfall füreinander. Manche wissen schon gar nicht mehr, wer von uns beiden zuerst da war. Es war der Goldbär!“, witzelt der Moderator bei seinem Abgang. Der Haribo-Werbedeal bringt dem Glücklichmacher von Kindern und Erwachsenen einen Eintrag im Guinnessbuch der Rekorde als Fürsprecher mit dem längsten Werbevertrag aller Zeiten ein.

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