Schöner als bei Armin Nagel und Thorsten Schiller kann man nicht warten. Signalrot lackiert sind die Hingucker auf dem liebevoll geharkten Kies in einen umzäunten Rechteck auf dem Friedrichsplatz: ein Haltestellenschild und ein englischer Briefkasten. Sollte die Wartezeit sich sehr in die Länge ziehen, stehen leichte Gartenstühle auf Kunstrasen bereit.
Armin Nagel und Thorsten Schiller treten sonst oft an großen deutschen Bahnhöfen auf, angeheuert von der Deutschen Bahn. Zum Auftakt des Stadtfestes in der Karlsruher City gehören sie als Duo „foolpool“ zu den ersten Künstlern, die dem gut gelaunten Publikum unter strahlender Sonne Programm bieten.
Musik von der Bühne zwischen Pyramide und Weinbrennerhaus leitet die Menschen, denen das Stadtfest zwischen Kronenplatz und Karlstraße, in einem Teil der Herrenstraße und rund um St. Stephan bewusst dezentral Angebote macht, zu einem von zwei gastronomischen Schwerpunkten.
Wem sieben Euro für einen Teller Käsespätzle nicht zu viel sind, der wird schon mal satt auf dem Marktplatz. Um 20 Uhr wird dort die Band Knutschfleck auftreten. Das „Schmeckfestival“ hinter der Postgalerie ist die zweite Anlaufstelle für Hungrige. Wer neugierig auf exotisches Streetfood ist, beißt vielleicht in einen Straußen-Burger.
Atemberaubende Artistik statt Oberleitungen
Nach Höherem streben können die gastierenden Künstler aus allen Ecken der Republik, aber auch aus Frankreich, Spanien und den Niederlanden diesmal auch in der Kaiserstraße. Das hatten bisher die Oberleitungen der Bahnen verhindert.
An der Lammstraße lassen jeweils um 15 und 17 Uhr die Artisten der Gruppe Circus UnARTiq den Zuschauern bei ihrer halben Stunde Freiluft-Trapezkunst über Asphalt und alten Schienensträngen den Atem stocken.
Trickreiche Angebote an der Fahrradstraße
Entlang der ersten und wichtigsten Fahrradstraße Karlsruhes, der Erbprinzenstraße, werden Familien mit Kindern, aber auch ältere Radfahrer glücklich. Felix Kaiser aus Karlsruhe steht mit Daniel Gorez aus Köln neben der prächtigen Fontäne auf der Nordhälfte des Friedrichsplatzes.
Ich genieße es, ein Heimspiel hier vor so toller Kulisse.Felix Kaiser, Künstler auf dem Fahrrad
„Ich genieße es, ein Heimspiel hier vor so toller Kulisse“, sagt er. Die zwei Männer sind Virtuosen auf dem Fahrrad. Für spannenden Hoch- und Weitsprung, Balanceakte auf schmalem Balken und Sprünge, die an einen Rodeoritt erinnern, ernten die Bike Brothers Beifall.
Wer durch die Show beschwingt die paar Meter zum Kirchplatz St. Stephan zurücklegt, trifft auf Aktive des Karlsruher ADFC. Sie haben an der katholischen Stadtkirche ihren realitätsnahen Fahrradparcours aufgebaut, bieten eine beachtliche Auswahl an Kinderfahrrädern und zwei Laufräder. „Wir haben auf einen tiefen Einstieg geachtet“, erklärt Tanja Dopf vom Vorstand des Vereins.
Ungefährliche Abenteuer
Mütter und Väter begleiten den Nachwuchs entspannt. Beim ADFC-Parcours kann jeder stressfrei üben, das Fahrrad sauber auf Kurs zu halten. Vielen Kindern gelingt es gut, eine erwachsene Radlerin patzt erheblich. Die Wippe ist etwas für Beherzte. Begleiter, die mit dem Smartphone ihre Angehörigen im Parcours filmen, sind eine zusätzliche Herausforderung.
Ulrich Eilmann steuert ein ausladendes Cargobike aus dem „Lastenkarle“-Fuhrpark, der inzwischen kostenlose Leihräder in Karlsruhe, Ettlingen, Malsch, Bruchsal und Baden-Baden umfasst, an den Start. Knifflig ist gleich die Einstiegshürde. Zwei schmale, flache Holzelemente verzeihen aber, wenn das Spurhalten misslingt – anders als Bahnschienen. Das Einfädeln in Gleise ist in Karlsruhe Unfallursache Nummer eins bei selbst verursachten Fahrradstürzen.
Entspannte Kleinkunst an der Karlstraße
Kurz sind die Wege zwischen den Stadtfest-Attraktionen. Erstmals kann die Karlstraße entspannte Atmosphäre bieten, seit der Autoverkehr modellweise und für dieses Wochenende noch etwas gezielter ausgesperrt ist. So haben Fußgänger Platz und Kleinkünstler auch, zum Beispiel, um schimmernde Riesenluftblasen zu zaubern. Zwischen Liegestühlen und Palmen duftet es von einer Kochschule.
Dass die aktuellen Krisen die Menschen im globalen Süden besonders hart treffen, rücken Aktive des Eine-Welt-Netzwerks am Kronenplatz am Samstag bis zum frühen Abend in den Blick. Petra und Dietmar Schaber aus dem Weiherfeld messen dort mittags ihren ökologischen Fußabdruck. Mit Robert Ruprecht, der das Infoangebot betreut, diskutieren sie engagiert ihre Möglichkeiten.
Blick auf die Länder der Welt am Kronenplatz
Elf von 25 Netzwerk-Mitgliedern gestalten den Neustart nach der Corona-Pause. Die Pandemie blockiere noch viel, stellt Ingeborg Pujiula vom Karlsruher Eine-Welt-Laden fest.
„Wir möchten sichtbar machen, wie massiv die Auswirkungen des Ukraine-Krieges, der Klimaerwärmung und der Preisexplosion unsere Partner in anderen Weltregionen treffen“, betont Eva Rudolf aus Durlach im Namen des Netzwerks. „Wir denken, dass das im Moment völlig aus dem Blick gerät.“