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Aufzucht im Museumskeller

Eigener Sepia-Nachwuchs im Naturkundemuseum Karlsruhe

Die Tintenfische sind sehr neugierig und freuen sich über Besucher. Ohne Publikum wäre es den schlauen Tieren schnell langweilig.

Am 1. April 2022 ist Sepia-Nachwuchs im Staatlichen Naturkundemuseum Karlsruhe in der Eihülle zu sehen.
Sepia-Nachwuchs im Staatlichen Naturkundemuseum Karlsruhe. Foto: Jörg Donecker

Der Herr im Haus ist leicht erregt. Deshalb steuert er mit leichtem Schlag seines Flossensaums auf die Glasscheibe zu. Dahinter hantiert Robin Fetzer an einem Einlassventil. Frechheit! Der Chef im Bassin verfärbt sich intensiv. Dunkel zeichnet sich ein markantes Zebramuster auf seinem Körper ab. In der Sprache der Sepia-Tintenfische heißt das: Dir zeig ich’s!

Wir setzen unsere Sepien dahin, wo es am lebhaftesten zugeht.
Hannes Kirchhauser, Vivariumschef

Gleich neben dem XXL-Haibecken im Karlsruher Naturkundemuseum schweben zwei schwer neugierige Artgenossen im Wasser. Gute Kumpel sind sie nur, weil gerade kein Weibchen zur Wohngemeinschaft gehört.

Sie finden es super, wenn über Ostern besonders viele Besucher kommen. „Wir setzen unsere Sepien dahin, wo es am lebhaftesten zugeht“, erklärt der Chef des Vivariums, Hannes Kirchhauser. „Die zwei Jungs hier gucken permanent, was draußen los ist.“ Ohne Publikum wäre ihnen langweilig.

Was die nachweislich pfiffigen Tintenfischfamilien mögen und was nicht, zeigen sie den Karlsruher Tierpflegern mit Farbwechseln und Verhalten. So wohl fühlen sich die Sepien in den künstlichen Wasserwelten am Friedrichsplatz, dass sie permanent Nachwuchs zeugen. Aktuell wächst – teils vor den Augen der Besucher – die vierte Generation heran.

Rosinenklein fängt alles an

Neues, junges Leben klebt rosinenklein am grünbraunen Tang. Im ersten Sepiabecken am Rundgang der Dauerausstellung „Vorbild Natur“ ist zu sehen: So fängt alles an. Die tropfenförmigen Anhängsel sind Eihüllen, gefüllt mit je einem Sprössling – und Tinte. Das erklärt die dunkle Farbe. Ein Kind drückt fasziniert die Nase an die Scheibe.

Ein ausgewachsenes Sepia-Männchen zeigt am 1. April 2022 im Staatlichen Naturkundemuseum Karlsruhe sein ausgeprägtes Zebramuster, mit dem es Konkurrenten imponiert.
Ein ausgewachsenes Sepia-Männchen im Staatlichen Naturkundemuseum Karlsruhe zeigt sein ausgeprägtes Zebramuster, mit dem es Konkurrenten imponiert. Foto: Jörg Donecker

Das Liebespaar in diesem Meerwasseraquarium mit Steinhügel und flaschengrünen Fadenalgen stört sich nicht am Naseweis. Im Gegenteil: Prompt schwimmt ein Kopffüßer aus dem Steinversteck, zwei Arme hochgereckt. „Wenn er die Arme so wie Antennen hält“, erklärt Kirchhauser, „ist er einfach neugierig.“

Tinte vernebelt den Durchblick

Den Sepia-Zuchtpaaren im Keller des Staatlichen Naturkundemuseums Karlsruhe lässt Robin Fetzer am 11. April 2022 frisches Wasser ins Aquarienbecken sprudeln.
Den Sepia-Zuchtpaaren im Keller des Staatlichen Naturkundemuseums Karlsruhe lässt Robin Fetzer frisches Wasser ins Aquarienbecken sprudeln. Foto: Kirsten Etzold

Mehr als neugierig, eher mordsmäßig gespannt ist auch der Leiter des Vivariums: Ist das Jungvolk in der Tinte wohlauf oder sind die Eier tot? Das erweist sich erst mit der Zeit. Einzelne Eitrauben, die sich ähnlich wie Froschlaich anfühlen, pflücken die Tierpfleger ab und bringen sie zur separaten Aufzucht in den Museumskeller. Dem Elternpaar nimmt das nichts. „Ein Gelege besteht locker aus 50 Eiern“, sagt Kirchhauser, „und Brutpflege betreiben diese Tiere nicht.“

Vermutlich schlüpfen Sepien nachts, im Schutz der Dunkelheit.
Hannes Kirchhauser, Vivariumschef

In tropisch warmem Karlsruher Wasser werden die Sepia-Eier zusehends größer und durchsichtiger. Messen sie nach fünf Wochen 15 Millimeter, kommt der Moment, in dem die Schwarte kracht. Die Babys haben denselben harten Schnabel wie ihre Eltern, damit trennen sie die Eihülle auf. Eine Minute, dann ist es passiert. „Wir haben es noch nie miterlebt“, bedauert der Vivariumschef. „Vermutlich schlüpfen Sepien nachts, im Schutz der Dunkelheit.“

Handaufzucht lebt ohne Schreckreflex

Dass auch die anschließende Aufzucht des Nachwuchses mit winzigen Schwebegarnelen glückt, ist wichtig. So werden die klugen Tiere nicht mit Reusen aus dem Mittelmeer gefischt, um sie zu zeigen. Kirchhauser taucht regelmäßig vor der Insel Giglio. Dort sieht er oft, wie sich Sepien mit mächtigem Rückstoß absetzen, während sie Tinte ausstoßen. Dieser Fluchtreflex brächte Wildfängen in Gefangenschaft Unheil: „Da donnern sie rückwärts an die Wand.“

Wer in der Karlsruher Sepia-Kinderstube groß wird, verfolgt dagegen zeitlebens, bei dieser Tierart etwa zwei Jahre, entspannt die Reinigung des Beckens oder das Defilee der Besucher. Der Platzhirsch im Souterrain, dem Robin Fetzer just Frischwasser zuführt, macht sogar selbst Party. Plötzlich sprühen Wassertropfen über den Beckenrand. Da hat der Biologe im Team noch Glück: „Das macht er manchmal auch mit Tinte.“

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