
Einmal den begehrtesten Filmpreis der Welt in den Händen halten – diesen Traum von Hunderttausenden Filmschaffen weltweit konnten sich einige Menschen am Samstag in Karlsruhe erfüllen.
Der Hollywood-Profi Gerd Nefzer hatte gleich zwei Oscars dabei, als er bei den Karlsruher Filmfestspielen „Independent Days“ einen Vortrag über seine Arbeit hielt.
Gewonnen hat er sie für seine Arbeit als Special-Effects-Experte an den Großproduktionen „Blade Runner 2049“ (2018) und „Dune“ (2022). Wer ein Foto mit einem Oscar machen wolle, dürfe ruhig aufs Podium kommen, sagte er nach seinem so unterhaltsamen wie spannenden Vortrag in der Badischen Landesbibliothek.

Das Publikum machte von dieser Einladung reichlich Gebrauch. Aus der Hand gab Nefzer aber nur den Oscar für „Blade Runner 2049“. Denn: „Den haben schon viele in der Hand gehabt, der für ,Dune’ glänzt aber noch wie neu.“
Trotz Erfolg sehr bodenständig geblieben
Der humorvolle und entspannte Umgang mit den höchsten Weihen, die man in seinem Business erlangen kann, bestätigte den Eindruck, den Nefzer mit seinem Vortrag hinterließ.
Der 57-Jährige aus Schwäbisch Hall ist auch nach 35 Jahren im Geschäft des schönen Scheins und der spektakulären Shows sehr bodenständig geblieben. Das zeigte auch seine glaubhafte Freude darüber, von Festivalleiter Oliver Langewitz nach Karlsruhe eingeladen worden zu sein.
Als Landwirt habe ich den Umgang mit Rindviechern gelernt.Gerd Nefzer, Special-Effects-Experte in Hollywood
„Ich stamme aus dem, was man einfache Verhältnisse nennt“, sagte Nefzer. Auf seinen Hauptschulabschluss sei er heute noch stolz. Gelernt habe er Landwirt.
„Im zweiten Lehrjahr habe ich auf einem Milchwirtschaftsbetrieb den Umgang mit Rindviechern gelernt. Das hat mir in meiner späteren Karriere sehr geholfen.“
Über das Klischee, das seinem Job anhängt, sagte Nefzer ironisch: „Ich verdiene mein Geld mit Bumsen und Knallen.“ Tatsächlich gehören dramatische Explosionen, Autocrashs und sonstige Actionszenen zu seinen Aufgaben. „Das macht aber nur fünf bis zehn Prozent der Spezialeffekte aus.“
Warum viele Effekte überhaupt nicht auffallen
Viel Arbeit stecke auch in Szenen, in denen kein Zuschauer auf die Idee käme, dass hier ein besonderer Effekt zum Einsatz komme.
Gefragt sei oft weniger der auffällige Wumms und mehr die unauffällige Idee, um Wünsche des Kameramanns oder der Produzenten zu erfüllen. Etwa wenn ein Kochtopf dekorativ im Gegenlicht dampfen soll, ohne dass ein Schauspieler durch heißes Wasser gefährdet wird.

Am Beispiel des optisch opulenten Science-Fiction-Films „Blade Runner 2049“, inszeniert von Dennis Villeneuve, führte Nefzer anschaulich in seine Arbeit ein.
Er sprach darüber, wie man Staub und Nebel für atmosphärisch wirkungsvolle Bilder erzeugt, ein Fahrzeugmodell bei einem Crash vor Beschädigungen schützt und ein fliegendes Auto im dritten Stock einer Hochhausruine landen lässt.
Effekt-Meister ist stolz auf einen besonderen Wassertrick
Auch die tosenden Wellen in einer Showdown-Szene am Meer sind reales Wasser. Und zwar dank einer Idee, auf die Nefzer sichtlich stolz war.
„Um Wasser in Bewegung zu bringen, braucht man enorm viel Hydraulik“, erkärt er. Mit herkömmlicher Wellenbadtechnik hätte man für das Mega-Bassin, in dem gedreht wurde, mehr als eine Million Dollar investieren müssen.
Nefzer mietete statt dessen drei Bagger von einer benachbarten Baustelle samt deren Fahrer. Diese ließ er mit großen Propangastanks die Wasseroberfläche auf und ab drücken. Das Ergebnis hat offenbar überzeugt: „Andere Filme haben das mittlerweile auch angewendet, das habe ich in einigen Making-ofs entdeckt“, sagte Nefzer und grinst.
Schon bald nach Karrierestart hatte er das Ende befürchtet
Nefzer verriet auch, dass er schon kurz nach Beginn seiner Karriere deren Ende befürchtete, als sich der US-Star Ed Harris bei den Dreharbeiten für den Kriegsfilm „Enemy at the Gates“ bei einer Schießübung mit scharfer Munition verletzte. „Aber Ed Harris hat gegenüber den Produzenten erklärt, dass uns keine Schuld treffe. Er sei selbst beim Schuss nicht aufmerksam genug gewesen“, erzählt Nefzer.
Auch in der langen Zeit seit diesem Ereignis habe er stets bemerkt: „Stars sind wie alle Menschen, und mit den meisten hat man keine Probleme.“
Eine Ausnahme nennt er: „Quentin Tarantino ist ein genialer Regisseur, und es gibt wohl keinen, der besser mit Schauspielern arbeitet. Aber er ist auch sehr fordernd, und wenn man einen Anschiss kriegt, dann wird das manchmal auch sehr laut“, sagt Nefzer über den Filmemacher, dessen Kriegsfilm „Inglourios Basterds“ er als seine „tougheste“ Arbeitserfahrung nennt.
Was aber geht einem durch den Kopf, wenn man bei der Oscar-Gala als Gewinner aufgerufen wird? Auch das verrät Nefzer: „Man konzentriert sich darauf, nicht auf der Treppe zu stolpern, und fragt sich, ob die Fliege richtig sitzt.“
Schlechte Erinnerungen an Stuttgarter Verkäufer
A propos Fliege: Es gibt außer Tarantino noch jemanden, an den Nefzer sich nicht sehr begeistert erinnert. Den sehr herablassenden Verkäufer in einem Stuttgarter Bekleidungsgeschäft, wo er im Vorfeld seiner ersten Oscar-Gala nach einem Smoking gesucht hat. „Dort würd’ ich gern mit den beiden Oscars noch mal hingehen“, sagt Nefzer und schmunzelt, „und ihm zeigen, wofür ich den Smoking gesucht habe“.
Während Nefzer seine Filmpreis nach Karlsruhe mitbrachte, konnten andere Preise aus Karlsruhe mitnehmen: Bei den „Independent Days“, die an fünf Tagen 123 Kurz- und Langfilme aus 15 Ländern präsentiert hatten, wurden am Samstagabend Auszeichnungen in 14 Kategorien vergeben.
Als bester Film mit dem Filmpreis der Kulturstiftung der Sparkasse Karlsruhe prämiert wurde der ukrainische Beitrag „Batik’s Room“, der laut Laudatio der Jury am Beispiel von drei Jugendlichen einfühlsam und authentisch zeigt, wie Krieg auf das alltägliche Leben beeinflusst.