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Am 8. März ist Weltfrauentag

Rathauschefin von Stutensee wünscht Frauen mehr Mut

Ein Gespräch mit der Oberbürgermeisterin von Stutensee, Petra Becker, über weibliche Rathauschefs, Gleichberechtigung und ungleiche Bezahlung.

Oberbürgermeisterin Petra Becker aus Stutensee vor einem Gemälde der Künstlerin Andrea Prager-Schmidt aus Friedrichstal in ihrem Amtszimmer.
Oberbürgermeisterin Petra Becker aus Stutensee vor einem Gemälde der Künstlerin Andrea Prager-Schmidt aus Friedrichstal in ihrem Amtszimmer. Foto: Georg Keller

Seit 1. Oktober 2018 ist Petra Becker die erste Frau auf dem Oberbürgermeistersessel der Großen Kreisstadt Stutensee. Anlässlich des Internationalen Weltfrauentag an diesem Freitag, 8. März, sprach die Redaktion mit der parteilosen Juristin über Vorurteile, ungleiche Bezahlung und was sich ändern muss, damit mehr Frauen in Führungspositionen ankommen.

Mit Ihnen als Oberbürgermeisterin in Stutensee, Ihrer Amtskollegin Cornelia Petzold-Schick in Bruchsal und den Bürgermeisterinnen Nicola Bodner in Pfinztal, Sabrina Eisele in Marxzell und Cathrin Wöhrle in Zaisenhausen werden fünf von 32 Rathäusern im Landkreis von Frauen geführt. Da ist noch Luft nach oben, oder?
Becker
Wenn wir bedenken, dass von den über 1.000 Bürgermeisterämtern in Baden-Württemberg nicht einmal hundert von Frauen besetzt sind, ist dies sicherlich verbesserungswürdig. Hier besteht noch erhebliches Potenzial für eine Steigerung und Raum für Fortschritt.

Nur fünf Rathäuser im Landkreis werden von Frauen geführt

Warum entscheiden sich einige Bürgermeisterinnen nach einer Amtszeit dafür, nicht mehr anzutreten?
Becker
Die Frage lautet, was diese Bürgermeisterstellen so anspruchsvoll macht. Tatsächlich erfordert dieses Amt eine Rund-um-die-Uhr-Verfügbarkeit, sieben Tage die Woche. Die letztendliche Verantwortung für zahlreiche Angelegenheiten liegt bei der Bürgermeisterin oder dem Bürgermeister. Darüber hinaus sind Frauen, die dieses Amt innehaben, oft zusätzlich mit Sorgearbeit innerhalb der Familie oder anderen Verpflichtungen konfrontiert. Dies wirft zwangsläufig Fragen nach Prioritäten auf. Die Erwartung, dass jemand kontinuierlich 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche erreichbar ist, ist schwer zu erfüllen, insbesondere wenn man Kinder oder pflegebedürftige Angehörige zu Hause hat. Heutzutage ist es in vielen Gemeinden bereits unattraktiv, sich für das Bürgermeisteramt zu bewerben. Denn dieses Amt erfordert Leidenschaft und Hingabe. Man wird Bürgermeister oder Bürgermeisterin, weil man mit den Menschen zusammen sein möchte.
Muss eine Frau heute immer noch mehr tun, um in eine Führungsposition zu kommen?
Becker
Man muss nicht unbedingt mehr leisten im herkömmlichen Sinne, aber meiner Ansicht nach erfordert es mehr Mut. Während meines Wahlkampfes wurde ich auch gefragt: „Glauben Sie wirklich, dass eine Frau das kann?“ Diese Frage hat mich sehr überrascht, denn ich hatte bisher solche Vorbehalte nie erlebt. In meiner früheren beruflichen Tätigkeit habe ich niemals solche Zweifel gespürt.
Haben Sie je einen Moment erlebt, in dem Sie sich als Bürgermeisterin nicht ernst genommen gefühlt haben?
Becker
Nein, als Bürgermeisterin nicht.

Männer sind es gewohnt, sich zu vernetzen und zu unterstützen

Treten Männer immer noch selbstbewusster auf, beziehungsweise neigen sie zur Selbstüberschätzung?
Becker
Männer sind es gewohnt, sich in gewissem Maße zu vernetzen und sich gegenseitig zu unterstützen. Dies liegt auch daran, dass die Gruppen in diesen Kreisen oft größer sind. Es ist einfacher, in einer größeren Gruppe zu kommunizieren als in einer kleineren. Ich glaube, dass es immer noch Unterschiede in der Erziehung und im Aufwachsen von Mädchen und Jungen gibt. Mädchen wird eher gesagt: „Sei nicht so laut“, auch wenn sich bereits vieles geändert hat. Ein Beispiel dafür ist ein Mädchengymnasium, wo es keine Frage ist, ob Schülerinnen Physik oder Chemie belegen, da das Geschlecht keine Rolle spielt. Die Mädchen erhalten dort Unterstützung in Bereichen, die traditionell eher Jungen zugeschrieben werden. Somit machen wahrscheinlich der Rahmen und die Chancen, in denen Mädchen und Jungen aufwachsen, den Unterschied aus.
Was können Frauen in Führungspositionen besser als Männer?
Becker
Frauen neigen dazu, stärker zu hinterfragen, welche Auswirkungen Entscheidungen auf alle anderen haben. Die Fähigkeit, das Wohl des Gesamten im Auge zu behalten, zeichnet Frauen aus. Dies kann als eine eher weibliche Eigenschaft betrachtet werden. Doch wenn man einen umfassenderen Blickwinkel hat, gestaltet sich die Suche nach einem Ausgleich gleichzeitig deutlich anspruchsvoller.
In der kommunalen Verwaltung sind Frauen traditionell stark präsent. Aber auch hier gilt: Je höher es in der Hierarchie hinaufgeht, desto weniger Frauen sind vertreten. Wie divers ist das Rathaus Stutensee auf Amtsleiterebene?
Becker
Wenn wir die Dezernentinnen hinzunehmen, sieht es bereits sehr positiv aus, da es vier Frauen und fünf Männer sind. Jedoch zeigt sich bei den Sachgebietsleitungen noch eine etwas differenziertere Situation: Hier beträgt der Frauenanteil 30 Prozent.
Was muss passieren, damit mehr Frauen in Führungspositionen ankommen?
Becker
Frauen benötigen Mut und Unterstützung von Vorbildern oder Kolleginnen. Meiner Meinung nach ist zusätzliche Unterstützung aus der Familie und dem sozialen Umfeld unerlässlich. Denn es ist nach wie vor nicht selbstverständlich, dass ein Mann zu Hause bleibt, wenn beispielsweise die Frau Bürgermeisterin ist. In solchen Fällen wird der Mann oft kritisch betrachtet. Auch im Interesse der Männer ist es wichtig, hier mehr Gleichberechtigung zu fördern. Es ist immer noch üblich, dass Frauen die Hauptverantwortung für die Sorgearbeit tragen. Der Equal Pay Day am 6. März macht darauf aufmerksam, dass Sorgearbeit nicht angemessen entlohnt und daher nicht ausreichend gewürdigt wird. 
Warum tut es einem Führungsteam gut, wenn es nicht nur aus Männern besteht?
Becker
Frauen stellen etwa die Hälfte der Bevölkerung dar. Wenn eine gleichberechtigte Teilhabe an Führungspositionen erreicht wird, spiegelt dies die Vielfalt der Gesellschaft wider und berücksichtigt die verschiedenen Perspektiven. Insbesondere auf Vorstandsebene wird oft von der „gläsernen Decke“ gesprochen: Obwohl Frauen über hohe Qualifikationen verfügen, existiert eine unsichtbare Barriere, die ihnen den Aufstieg erschwert. Wenn in den oberen Ebenen mehr Männer vertreten sind, kennen diese häufig eher Männer, die sie ebenfalls in Führungspositionen bringen könnten. Die Quote ist ein oft diskutiertes Thema: Ich bin der Ansicht, dass sie in vielen Bereichen für einen begrenzten Zeitraum durchaus positive Veränderungen bewirken könnte.
Am 9. Juni sind Kommunalwahlen. In den Gemeinderäten dominieren immer noch vielerorts Männer. Warum bewerben sich wenige Frauen für ein politisches Amt? 
Becker
Auch in den Gemeinderäten spielt die Gestaltung der Arbeitsbedingungen eine wichtige Rolle, beispielsweise wenn Sitzungen erst am Abend stattfinden. Für mich ist es entscheidend, Bewerberinnen für die Kommunalwahl zu ermutigen und selbst mit gutem Beispiel voranzugehen. Jedoch müssen wir damit bereits früh beginnen. Vor Kurzem haben wir ein Jugendprojekt in den Schulen durchgeführt: „Pimp my Future“. Ziel dieses Projekts ist es, Jungs und Mädchen bereits in der Schule zu fördern und sie für politisches Engagement zu begeistern, damit sie dann später eben auch als Stadträtinnen und Bürgermeisterinnen gewonnen werden können. Wir sehen auch am Beispiel von „Friday for Future“, dass sich junge Menschen engagieren.
Bei FfF sind junge Frauen die prägenden Figuren.
Becker
Da habe ich die große Hoffnung, dass das Engagement der Jugendlichen anhält. Selbst wenn man möglicherweise anderer Ansicht ist, bietet Engagement in jungen Jahren die Möglichkeit, Vorbilder zu finden und sich im politischen Diskurs zu üben.

Frauen scheitern immer noch oft an der „gläsernen Decke“

Frauen machen seit Jahrzehnten die besseren Schul- und Studienabschlüsse. Was muss sich ändern, damit sie auch in der Vorstandsebene ankommen?
Becker
Wir haben den Auftrag im Grundgesetz verankert, dass Männer und Frauen gleichberechtigt sind. Solange dieses Ziel noch nicht erreicht ist, müssen wir weiterhin daran arbeiten und uns dafür einsetzen.
Am Mittwoch war der Equal-Pay-Day. Sind gesetzliche Vorgaben erforderlich, damit sich an der ungleichen Bezahlung etwas ändert? 
Becker
Das würde ich nicht ausschließen. Es ist völlig ungerechtfertigt, dass Frauen bei gleicher Biografie immer noch sechs Prozent weniger verdienen.
Seit mehr als 100 Jahren gehen Frauen weltweit am Internationalen Frauentag, 8. März, für mehr Frauenrechte und Gleichstellung auf die Straße. Warum ist dieser Tag immer noch notwendig? 
Becker
Ich halte den Internationalen Frauentag nach wie vor für äußerst wichtig. Meiner Meinung nach haben wir auch hier in der Bundesrepublik Deutschland noch nicht vollständige Gleichberechtigung erreicht, wie beispielsweise durch die bestehende Gender Pay Gap oder die ungleiche Vertretung von Frauen und Männern in Positionen wie Bürgermeisterämtern. Zudem haben wir in unserem fortschrittlichen Deutschland die Verantwortung, uns darüber im Klaren zu sein, wie es in anderen Ländern um die Gleichberechtigung bestellt ist.
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