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Fehlenden Veranstaltungen zehren am Gemeinschaftsgefühl

Vereine in der Region Karlsruhe leiden unter dem verlorenen Corona-Jahr

Es ist nicht nur das Geld, was fehlt. In Coronazeiten leidet das Vereinswesen als sozialer Kit der Gesellschaft. Doch die Vereine stemmen sich dagegen.

Musikverein Lyra, Konzert, Platzkonzert
Doch eine Zugabe: Das Platzkonzert des Musikvereins Lyra am 25. Juli 2020 war eine willkommene Abwechslung zum Corona-Alltag. Danach gab es vom Verein nur noch ein Platzkonzert im Oktober. Foto: Ralf Schreck

Ihr Smartphone erinnert Vanessa Rauch daran, dass jetzt Spieltag wäre, ohne Corona. Vor Beginn einer Saison trägt sich die Bundesligakeglerin die Begegnungen ein, als Erinnerung. „Jetzt erinnert es mich daran, wo ich eigentlich wäre“, so die Sportlerin vom Kegelverein Liedolsheim.

Die Pandemie und der damit einhergehende praktische Stillstand vieler Veranstaltungen stellt das Vereinswesen auf den Kopf. Das spüren nicht nur die Kassenwarte, es ist auch eine zehrende Belastungsprobe für das Miteinander im Verein. Online-Angebote sollen ein Teil der weggebrochenen Gemeinschaft auffangen, die Clubs und deren Mitglieder stemmen sich gegen die Zwangspause. Doch das Miteinander von Angesicht zu Angesicht ist unersetzlich.

„Wir sind normalerweise viel unterwegs, gemeinsam im Bus zu Auswärtsfahrten. Manchmal über lange Strecken. Wir reden, lachen, haben Spaß. So etwas schweißt zusammen“, blickt Rauch zurück. Auch nach den Partien sitzen die Kegler zusammen und lassen einen Spieltag ausklingen. Darüber hinaus sind es auch die Feste und regelmäßigen Veranstaltungen, die so nicht mehr stattfinden können. „Ja, das fehlt uns allen“, so die Keglerin. Gemeinsame Videoanrufe zum Fitnesstraining halten zwar auf Trab, ersetzen aber die Gemeinschaft nicht. Und was noch fehlt, wie die Sportlerin betont, sind die Fans, auswärts oder zuhause.

Onlinekurse für die Nachwuchsgewinnung

Beim Musikverein Lyra in Eggenstein musste man ähnlich Erfahrungen machen. „Die Jugendabteilung unseres Vereins hatte im vergangenen Jahr keinen einzigen Auftritt“, so der Vorsitzende Marc Mehler. Immerhin: Während der warmen Jahreszeit gab es zwei Platzkonzerte im Freien, im Juli und Oktober.

Ich mache mir Sorgen um die Gemeinschaft
Marc Mehler, Vorsitzender Musikverein Lyra Eggenstein

Das kann aber den vollen Terminplan, der sich über das Jahr hinweg spannt, nicht ersetzen. „Ich mache mir Sorgen um die Gemeinschaft“, meint Mehler. Und auch um den Nachwuchs, der ohne Schnupperkurse die Musikinstrumente nicht vor Ort anfassen und ausprobieren kann. Stattdessen gibt es die Onlineschnupperkurse mit Hörproben von zwölf verschiedenen Instrumenten.

Etwa 15 Gastauftritte absolviert der Musikverein Wössingen in einem normalen Jahr, zusätzlich zu den selbst veranstalteten Konzerte, erläutert dessen Vorsitzende Severine Krüger mit Bedauern in der Stimme. 2021 wird der Verein 100 Jahre alt. Das wollte man natürlich groß feiern – nun ist es unklar, ob und wie in diesem Jahr das freudige Ereignis überhaupt zelebriert werden kann. Mit dieser Aussicht und auch keinen weiteren geplanten Auftritten ist die Stimmung gedrückt.

Öffentlichkeitsarbeit hält den Verein im Gedächtnis

„Das Vereinsleben ist derzeit praktisch auf null heruntergefahren“, sagt Simone Garcia-Montes, Schriftführerin beim Schützenverein Weingarten. Der erzwungene Stillstand sei für den Verein derzeit das gravierendste Problem. „Wir fühlen uns als große Familie“, sagt sie.

Die vielen gemeinsamen Veranstaltungen und das Miteinander, auch nach offiziellen Veranstaltungen, fehlen für das Gemeinschaftsgefühl. Weiterhin sei es ein Problem, Mitglieder zu gewinnen oder sie im Verein zu halten. Ohne das regelmäßig mögliche Training fehlte vielen der Sinn einer Mitgliedschaft. Mit verstärkter Öffentlichkeitsarbeit wollen die Schützen zumindest in den Köpfen der Menschen präsent bleiben.

Wir brennen darauf, wieder loslegen zu können.
Simone Garcia-Montes, Schriftführerin Schützenverein Weingarten

Neben einem Mitgliederbrief veröffentlicht Garcia-Montes Hintergrundtexte zu den unterschiedlichen Disziplinen im Verein. Es koste Zeit, aber sie mache es gerne für den Verein: „So bleiben wir im Gespräch.“ Für die großen Veranstaltungen wie das Preisschießen und das Oktoberfest habe man zwar schon Termine angesetzt, Ende August und im Oktober. Aber sicher seien die natürlich nicht. Es bleibt das Hoffen: „Wir brennen darauf, wieder loslegen zu können.“

Beim TV Spöck erlebt man die große Solidarität der Mitglieder, wie der Vorsitzende Frank Ernst betont. Der Verein blickt 2021 auf seine 125-jährige Geschichte zurück. Und auch hier sind die Planungen in der Schwebe, wie Ernst erläutert: „Stand jetzt hoffen wir noch, dass unsere Sportgala, die eigentlich Ende Januar hätte stattfinden sollen, im Oktober klappen wird.“

Fussball, Fussballfeld, Rasen, Tor
Spielbetrieb eingestellt: Ohne Ligaspiele, ohne Turnier oder Training kommen viele Ehrenamtliche auch nicht mehr regelmäßig in die Vereine, die auf ihre Helfer angewiesen sind. Foto: Tobias Hase/dpa

Und dennoch fehlen derzeit die aktuellen Veranstaltungen sowie der Trainings- und Spielbetrieb. „Was beinahe noch schwerer wiegt als die finanziellen Einbußen ist der komplette Wegfall der üblichen Treffen“, betont er. Die vielen Ehrenamtlichen, die im Verein arbeiten, die ihre Zeit für das Engagement im Turnverein aufbringen, wissen derzeit auch nicht, wann es wieder losgeht.

„Das wird eine Herausforderung und ich hoffe, dass die Pause für manche nicht zu lange war“, so Ernst. „Es ist klar, in einer solchen Situation leidet die Motivation ganz erheblich“. Immerhin konnten einige Abteilungen zumindest Online-Kurse anbieten, um nicht ganz den Kontakt zu den Mitgliedern abreißen zu lassen.

Online ist kein Ersatz

Über das Internet versucht auch der Musikverein Freundschaft in Pfinztal-Berghausen, seine Mitglieder im Vereinsbetrieb zu halten – so gut es eben geht. „Für unsere Jugend haben wir Onlineproben organisiert“, sagt der Vereinsvorsitzende Stefan Wippert. Die Proben laufen jedoch nur solo ab, auch die Bläserklasse am Ludwig-Marum-Gymnasium in Berghausen proben online.

Alle Kids zusammenzuschalten, um wie in einem Orchester zusammen zu musizieren, ist mit einer normalen Internetleitung nicht möglich: „Es lässt sich nicht synchronisieren, so dass alle im exakt selben Rhythmus spielen.“ Dafür gibt es nun die Gesellschaftsabende, die ohne eine Pandemie gemeinsam im Verein stattfinden, per Videochat. Vanessa Rauch von den Bundesligakeglern in Liedolsheim darf nun zumindest wieder auf die Bahn.

Das Training dürfen Bundesligaspieler und -Spielerinnen mit einer Bahn Abstand untereinander wieder aufnehmen. „Beim ersten Training habe ich schon bemerkt, dass ich lange nicht mehr gespielt habe. Bei anderen ging es ziemlich gut – so, als hätten sie nie das Training pausiert.“

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