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Erneuerbare Energien

Warum eine Riesen-Batterie in Pfinztal ein Schlüssel zur Energiewende sein könnte

Im Fraunhofer-Institut in Pfinztal-Berghausen steht eine der größten Batterien Deutschlands. Sie könnte die Lösung aller Energie-Probleme sein. BNN-Leser blicken hinter die Kulissen.

Pressesprecher Stefan Tröster und die BNN-Leser im Stromspeicher des Fraunhofer-Instituts.
Was ein wenig aussieht wie der Gärkeller einer Brauerei, ist in Wirklichkeit eine der größten Batterien Deutschlands. Stefan Tröster vom Fraunhofer-Institut erklärt, wie der Stromspeicher funktioniert. Foto: Martin Heintzen

Befindet sich in Pfinztal-Berghausen der Schlüssel zur Energiewende? Ja, sagt Stefan Tröster, Sprecher des Fraunhofer-Instituts für chemische Technologie (ICT). Zumindest ein möglicher.

Hunderte Experten tüfteln auf dem 20 Hektar großen Gelände auf dem Berghausener Hummelberg an ganz unterschiedlichen Projekten. Eins davon: die Speicherung erneuerbarer Energien. Bei der BNN-Sommertour schauten 20 Leser hinter die Kulissen.

Ein schwüler Dienstagabend, Tröster führt durch einen weißen Flachbau mit Wellblechdach. Es geht eine Treppe herunter, in einen großen Kellerraum. Der Raum ist voll mit Rohrleitungen, Pumpen und riesigen grünen Tanks. Was ein wenig aussieht wie der Gärkeller einer Brauerei, ist in Wirklichkeit eine der größten Batterien Deutschlands.

Batterie ist an Windrad in Pfinztal angeschlossen

„Wir sind schon mittendrin“, sagt Tröster. Genau genommen ist das ganze Gebäude eine Batterie. Sie funktioniert so: Die Batterie ist angeschlossen an das Windrad und die Fotovoltaik-Anlage auf dem Fraunhofer-Gelände.

Windrad und Solaranlage liefern den Strom für das Netz des Instituts. Überschüssige Energie wird in den Kisten im Keller, genannt Stacks, in chemische Energie umgewandelt und als Flüssigkeit gespeichert: Elektrolyt.

Die Flüssigkeit lagert in den grünen Tanks. Wann immer sie gebraucht wird, können die Stacks sie in Strom umwandeln – auch wenn das Windrad stillsteht oder die Sonne nicht scheint und die Solaranlage keinen Strom produziert. 350.000 Liter Elektrolyt lagern aktuell in den Tanks. Das entspricht zehn Megawattstunden Strom, sagt Tröster.

Riesen-Batterie könnte 4.000 Menschen mit Strom versorgen

Genug Energie, um 1.000 Haushalte Menschen mit Strom zu versorgen. Oder, anders gesagt: „Genug Power für ein ganzes Dorf“. Solche riesigen Stromspeicher könnten die Lösung für die Probleme erneuerbarer Energien sein.

Denn vor allem Solaranlagen haben einen Haken: Sie liefern einen Großteil der Energie tagsüber. Der Mensch verbraucht aber die meiste Energie am Abend. Eine mögliche Lösung: eine Batterie, die die Energie zwischenspeichert, so wie in Pfinztal. Bald könnten sich ganze Gemeinden oder Inseln auf diese Weise autark versorgen. Das ist die Vision der Wissenschaftler.

Stromspeicher sind in Deutschland noch nicht marktfähig

Was in China und in den USA bereits Realität ist, ist in Deutschland aber noch Zukunftsmusik: Wegen der Regulierung des Strom-Marktes lohne es sich derzeit wirtschaftlich nicht, Energie zwischenzuspeichern, sagt Tröster. Die Riesen-Batterie sei schlicht nicht marktfähig.

Rund 50 Meter neben dem Gebäude steht das Windrad, das die Batterie mit Energie versorgt. Höhe: 140 Meter. Rotordurchmesser: 82 Meter. Geschwindigkeit der Rotorblätter: bis zu 200 Kilometer pro Stunde. Leistung: zwei Megawatt. Kostenpunkt: knapp drei Millionen Euro.

Um das Windrad aufstellen zu dürfen, musste das Fraunhofer-Institut als Ausgleich Bäume pflanzen, sagt Tröster. Jetzt wachsen auf dem Gelände Äpfel-, Birnen- und Kirschbäume. Unter den Solarpanels der Fotovoltaik-Anlage sollen bald Schafe grasen.

Windrad in Pfinztal steht mehrmals am Tag still

Mehrmals am Tag stehen die Rotorblätter des Windrads still. Zum Beispiel während der Dämmerung, um die Fledermäuse zu schützen. Die BNN-Leser haben Glück: Am Ende der Tour dreht sich das Windrad wieder. Es dröhnt und rauscht.

Außerhalb des Geländes darf die Lautstärke nicht mehr als 30 Dezibel betragen, weiß Tröster. Auf dem Campus, etwa 50 Meter entfernt, ist es deutlich lauter. Vielleicht 70 Dezibel, schätzt Tröster, „so laut wie ein Auto auf der Autobahn“.

Ein Lkw vor dem Haus ist schlimmer.
Herbert Bender
BNN-Leser aus Östringen

Viel zu laut oder erträglich? Bei den Lesern gehen die Meinungen auseinander. „Ein Lkw vor dem Haus ist schlimmer“, sagt Herbert Bender aus Östringen. Günther Schad aus Östringen ist dagegen „unangenehm überrascht“. BNN-Leserin Brigitte Schuhmacher findet, dass sich das Windrad wie ein Flugzeug anhört.

Noch keine Schäden an Vögeln dokumentiert

„Gab es schon viele Schäden an Vögeln?“, will sie wissen. Fraunhofer-Sprecher Tröster verneint. Die Kameras, die zu diesem Zweck am Windrad verbaut sind, hätten noch nicht angeschlagen. Bislang sei noch kein totes Tier gefunden worden.

Auch in Menzingen, wo Schumacher lebt, wird über Windräder diskutiert. Sie sei zwiegespalten. Aber „mit genügend Abstand“ zu den Wohnhäusern hätte sie nichts dagegen.

Das Fraunhofer-Institut ist mehr als ein gigantischer Stromspeicher. Die Experten tüfteln dort an leichten und dennoch stabilen Flugzeugsitzen aus Kunststoff. Sie erforschen, wie sich mit wenig Wasser Gemüse anbauen lässt, prüfen, wie sich Hitze oder Staub auf Smartphones auswirkt und testen mit selbst gekochtem Sprengstoff Anlagen für die Sicherheitskontrolle am Flughafen. Aber über allem thront: das Windrad.

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